In seiner damaligen Aufgabe als Heidelberger OB überreicht Carl Neinhaus (links) im Jahr 1939 dem Propagandaminister Joseph Goebbels den Ehrenbürgerbrief der Stadt. Foto: Stadtarchiv Heidelberg

Für die einen war er ein Nazi für andere der den Retter der Stadt Heidelberg. Nach Forderungen äußert sich die CDU-Fraktion skeptisch, die Ehrungen ihres Ex-Mitglieds Carl Neinhaus aufzuheben. Aras will das Thema nach der Sommerpause ansprechen.

Seit Jahrzehnten diskutieren Historiker über die Rolle des ehemaligen CDU-Politikers Carl Neinhaus während, vor und nach der NS-Diktatur. Er war unter anderem von 1933 bis 1945 NSDAP-Mitglied und Oberbürgermeister Heidelbergs und in den Jahren zwischen 1952 bis 1960 Landtagspräsident Baden-Württembergs. Jüngst hat Landtagsabgeordnete Dorothea Kliche-Behnke (SPD) in einem Brief an Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) gefordert, die Büste, die zu seinen Ehren im Foyer des Landtags steht, mit einem Kommentar zu versehen.

Die CDU-Landtagsfraktion lehnt eine pauschale Skandalisierung ihres ehemaligen Mitglieds ab: „Die NSDAP-Mitgliedschaft wirft unbestritten einen großen Schlagschatten auf das Lebenswerk von Dr. Neinhaus“, sagt ein Sprecher auf Nachfrage unserer Zeitung. Historische Persönlichkeiten seien jedoch stets unter Berücksichtigung der zeithistorischen Umstände zu beurteilen. „Ob die Aberkennung der Ehrungen von Politkern, wie bei dem seit über 50 Jahren verstorbenen Dr. Neinhaus, das richtige Mittel der Wahl ist, sehen wir angesichts des vorgelegten Gutachtens mit Skepsis“, sagt der Sprecher.

Pragmatischer Umgang mit Nazis nach dem Zweiten Weltkrieg

Der Heidelberger Geschichtsprofessors Frank Engehausen hatte die Vergangenheit von Carl Neinhaus aufgearbeitet und im Jahr 2021 in einem Gutachten zusammengefasst. Auf dieser Grundlage wurde Neinhaus unter anderem aus der Liste der Heidelberger Ehrengräber entfernt.

Auch Landtagspräsidentin Aras betont, dass in Verbindung mit ihrem Amtsvorgänger eine ehrliche Auseinandersetzung mit der NS-Zeit stattfinden müsse. „Es gibt keinen Schlussstrich unter die NS-Zeit und darf diesen auch nicht geben“, sagt ein Sprecher der Grünen-Politikerin auf Nachfrage. Das Thema Neinhaus werde nach der Sommerpause Gegenstand weiterer Gespräche mit den Fraktionen sein. Ministerpräsident Winfried Kretschmann wollte sich zu der Zukunft der Büste im Foyer auf Nachfrage unsere Zeitung nicht äußern.

Die CDU-Fraktion stimmt dem Vorschlag einer historische Einordnung Neinhaus’ dennoch zu. Dies könne pädagogisch sinnvoll sein. Man müsse dabei auch aufzeigen, dass die Gründungsväter der Demokratie ihrerseits keine einheitliche Haltung zum NS-Regime einnahmen. „Die junge Bundesrepublik pflegte bei der Frage nach Sühne und Integration von NS-Mitläufern, aber selbst auch von NS-Tätern, bekanntermaßen und auch wohl notgedrungen einen sehr pragmatischen Umgang “, so der Sprecher.