Derzeit werden besonders viele Tiere ausgesetzt. Die Tierheime sind besorgt. Denn inzwischen ist es nicht mehr nur den Sommerferien geschuldet, dass Hunde, Katzen und Kaninchen abgegeben oder ausgesetzt werden.
Die Worte von Torsten Alzinger klingen dramatisch: „Bei den Katzen sind wir ganz heftig an der Grenze“, sagt der Leiter des Kreistierheims Böblingen, der bei der Aufnahme von hilfsbedürftigen Tieren langsam aber sicher an die Grenzen kommt. Dass es nicht nur dem Kreistierheim so geht, ist dabei kein Trost.
Tierheime sind am Limit
Das Problem ist kein neues: Tierhalter wollen in den Urlaub fahren – und der eigentlich so geliebte Vierbeiner wird lästig, wenn man ihn nirgends unterbringen kann. Besonders zu schaffen macht Tierheimen diese Situation in den Sommerferien. Doch während diese Zeit früher tatsächlich begrenzt war, scheint sie sich zunehmend auf das ganze Jahr auszudehnen. Nach Angaben des Landestierschutzverbands Baden-Württemberg, sind die Tierheime im Südwesten dermaßen am Anschlag, dass es in vielen Einrichtungen einen Aufnahmestopp gibt.
Teilweise dramatische Folgen
Exakt 101 Katzen befinden sich derzeit bei Torsten Alzinger im Kreistierheim. Sie sind keineswegs alle mit dem Beginn der Ferienzeit gekommen. Viele davon, erklärt der der Leiter der Einrichtung, seien keine sogenannten Abgabetiere, sondern Jungtiere oder Kitten, die als Nachwuchs von frei lebenden Katzen ins Tierheim kämen.
Das andere Tierheim im Kreis Böblingen, das nur einen Steinwurf vom Kreistierheim entfernt liegt – das vereinsgeführte Tierschutzheim – kann keine Aussagen zur Zahl ausgesetzter Tiere machen. Es ist dafür nicht zuständig. Fundtiere sind Sache des Landkreises, erklärt die Vereinssprecherin Petra Deyringer-Kühnle. Aber auch ihrer Einrichtung setzt die Situation zu, die teilweise dramatische Folgen hat. Tatsächlich gibt es in der Region mittlerweile einige Einrichtungen, die Tiere von privaten Haltern nur noch dann annehmen, wenn es sich um Notfälle handelt. Insgesamt, so die Bilanz der Beteiligten, steige die Zahl der Abgaben, Fundtiere und Beschlagnahmungen, und sei auch höher als noch Anfang des vorigen Jahres.
Nachwirkungen der Pandemie – aber nicht nur
Die Situation in den Tierheimen hat viel mit Corona zu tun, ist sich Tierheimleiter Alzinger sicher. In dieser Zeit haben sich erwiesenermaßen viele Menschen ein Haustier angeschafft. Die Nachfrage war zeitweise so groß, dass sie nicht allein in Deutschland gestillt werden konnte. „Da wurden dann auch unseriöse Quellen in Betracht gezogen, bei denen finanzielle Interessen im Vordergrund standen“, sagt Alzinger. Die Frage, ob eine Familie für das Haustier geeignet sei, habe dabei im Hintergrund gestanden. Und viele der Tierkäufer hätten sich nicht sorgfältig genug überlegt, was es genau bedeutet, sie ein Haustier zuzulegen. Und dass dabei auch Geld eine Rolle spielt.
Behandlungen sind teurer geworden
Besonders die Kosten für einen Besuch beim Tierarzt können da zu Buche schlagen. Und seit diese gestiegen seien, so Alzinger, landen einige Vierbeiner statt auf dem Untersuchungstisch im Tierheim. Dass die Kastration ihrer Tiere manchem Halter zu teuer ist, merkt die Einrichtung ebenfalls. Im Kreistierheim waren schon in den Pfingstferien so viele Katzenbabys und Jungkatzen wie noch nie. Gleichzeitig konnten weniger Tiere in der Urlaubszeit vermittelt werden, weil potenzielle Herrchen und Frauchen verreist sind – ein Teufelskreis.
Wie sich die Problematik entwickeln werden vermag auch Torsten Alzinger nur schwer einzuschätzen. Tierschutzverbände drängen potenzielle Tierhalter jedoch darauf, sich gut zu informieren, bevor sie sich ein Tier anschaffen. Damit verbunden ist der Appell, sich ein Tier aus dem Tierheim zu holen. Wenn dort ein Platz frei werde, könnte wiederum ein anderes Tier gerettet werden.