Katzen in Kartons abgestellt, ein Hund hinter Mülltonnen angeleint, Meerschweinchen am Waldesrand ausgesetzt: Immer häufiger entledigen sich Halter ihrer Haustiere auf unrühmliche Weise. Doch die Tierheime im Südwesten sind proppenvoll.
Viele Tierheime im Südwesten sind nach Auskunft des Landestierschutzverbands Baden-Württemberg am Anschlag - und das nicht nur in den Sommerferien. Inzwischen seien die Tierheime ganzjährig durch ausgesetzte Tiere mehr als ausgelastet, sagte die wissenschaftliche Mitarbeiterin Martina Klausmann. „Das ist ein Dauerbrenner, der sich auf das ganze Jahr ausweitet.“ Die Anfragen bei Tierheimen seien massiv angestiegen. Viele Einrichtungen seien voll, manche könnten keine Tiere mehr aufnehmen.
So berichtete Ursula Gericke vom Tierheim Ludwigsburg, dass dort wegen Überfüllung Tiere im Pflegerzimmer und Büro untergebracht würden. Bei Katzen stehe man sogar kurz vor einem Aufnahmestopp.
Haustiere während Pandemie zugelegt
Während der Corona-Pandemie hätten sich viele Menschen Haustiere zugelegt, die nun lästig würden, sagte Klausmann. Damals niedliche Welpen seien mangels entsprechender Kurse nicht erzogen und fingen nun an zu beißen. Andere Menschen könnten sich wegen steigender Kosten etwa für Tierärzte, Energie oder andere Ausgaben die Haltung nicht mehr leisten. Die Tiere würden dann überall ausgesetzt.
Martin Spirgatis vom Tierheim Lahr (Ortenaukreis) berichtete von einem Jack Russell Terrier, der bei den Mülltonnen hinter dem Gebäude angebunden worden sei. Rund ein Dutzend Kaninchen seien vor dem Tierheim abgeladen worden, kleine Kätzchen in einem Karton, zählte er auf. Nach einem Hinweis auf ausgesetzte Meerschweinchen am Waldesrand hätten sich die Mitarbeiter tagelang auf die Lauer gelegt, bis sie die Tiere eingefangen hätten. Hinzu kämen immer mehr Wasserschildkröten, weil deren Haltung sehr energieintensiv sei.
„Tier ist Konsumgut geworden“
„Im Moment merkt man, dass die Verzweiflung groß ist bei den Menschen“, sagte Spirgatis. Auf der anderen Seite spiegelt sich in dem Verhalten seiner Meinung nach eine Verrohung der Gesellschaft: „Den Leuten ist das egal“, sagte er. „Das Tier ist ein Konsumgut geworden. Es wird angeschafft - und wenn es nicht mehr funktioniert, wie man will, wird es wieder abgeschafft.“ Tiere auszusetzen sei ein No-Go, sagte Klausmann. „Die werden dem Sterben überlassen.“
Ein Hauptproblem sehen die Fachleute im Online-Handel mit Tieren: „Das nächste Tier ist nur einen Mausklick entfernt“, sagte Spirgatis. „Dort gehen die Netten, die Kleinen, die Süßen.“ Klausmann vom Landestierschutzverband sagte: „Es ist so einfach, sich über Internet ein neues Haustier zu bestellen.“ Die Gesetze müssten verschärft und die Zahl der Kontrollen erhöht werden.
Je größer ein Hund, desto schwieriger die Vermittlung
Zudem müsste nach ihren Worten die „osteuropäische Welpenmafia“ stärker bekämpft werden, die junge Hunde über Deutschland etwa nach Spanien und Belgien bringe. „Das ist sowas von professionalisiert, das ist unglaublich“, betonte Klausmann. Doch bei Kontrollen der Transporte komme man wohl kaum an die Hintermänner.
Aufgrund dieser Machenschaften bekommen Tierheime Hunde laut Spirgatis nicht mehr los. Auch die Heidenheimer Tierheimleiterin Julia Lambertz erzählte, dass manch ein Hund jahrelang dort sei. „Der Markt ist gesättigt und die Lage wird seit Jahren schlimmer.“
Je größer ein Hund, desto schwerer sei er wieder zu vermitteln, erläuterte der Vorsitzende des Landestierschutzverbands, Stefan Hitzler. Das betreffe derzeit insbesondere Rassen wie Cane Corso Italiano und Kangal. Da hätten alle Heime Probleme. Für Katzen beispielsweise fänden sich schneller Interessenten.
„Irgendwann haben wir Mittelmeerverhältnisse“
Ähnlich sei es bei Kaninchen und Meerschweinchen. Menschen kauften solche Tiere häufig für wenig Geld in Zoohandlungen - wollten dann aber nicht die vergleichsweise teurere Kastration zahlen, sagte Hitzler. In der Folge vermehrten sich die Tiere rasant. Und entsprechend steige die Zahl jener, die in Tierheimen landen.
Durch die Entwicklung geraten die Tierheime immer mehr unter Druck. Sie warnen vor mehr streunenden Katzen und vielleicht auch bald Hunden. „Irgendwann haben wir Mittelmeerverhältnisse“, so Spirgatis.
Zugleich fehlten Ehrenamtliche, die sich um die Tiere kümmerten, sagte Klausmann. Der Job habe keine planbaren Arbeitszeiten, man sei auch am Wochenende im Einsatz. Und es mangele an Geld. Kommunen kämen nur für Fundtiere auf. Ansonsten finanzierten sich die Tierheime vor allem durch Spenden, Erbschaften und Sponsoren.