Olaf Scholz hat bei der Regierungsbefragung am Mittwoch erneut seinen Standpunkt deutlich gemacht. Foto: imago//Kira Hofmann

Die Union wirft dem Kanzler Täuschung in der Taurus-Debatte vor. Der reagiert im Bundestag mit einer Gegenoffensive, lässt aber auch Fragen unbeantwortet.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat der Lieferung von Taurus-Raketen in die Ukraine im Bundestag erneut eine klare Absage erteilt. „Besonnenheit ist nicht etwas, was man als Schwäche qualifizieren kann, wie einige das tun, sondern Besonnenheit ist das, worauf die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land einen Anspruch haben“, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch in einer 70-minütigen Befragung durch Abgeordnete.

Der Union warf Scholz vor, in der Debatte „Halbwahrheiten“ zu verbreiten. „Die Bürgerinnen und Bürger haben Angst vor Ihnen“, sagte er. Für die CDU/CSU wies der CDU-Politiker Norbert Röttgen diesen Vorwurf mit scharfen Worten zurück. „Sie spielen nicht mit klaren Karten. Und Sie zielen darauf ab, die Öffentlichkeit in dieser Frage zu täuschen - in einer Frage der europäischen und nationalen Sicherheit.“

Scholz spricht von „Halbwahrheiten“

In dem Schlagabtausch ging es um die Frage, ob Scholz glaube, dass Frankreich und Großbritannien durch die Lieferung ihrer Marschflugkörper der Typen Storm Shadow und Scalp an die Ukraine Kriegsbeteiligte geworden seien. „Mit Halbwahrheiten wird öffentliche Kommunikation betrieben“, sagte Scholz dazu. Als der CDU-Politiker zurückgab, er habe Scholz lediglich zitiert, sagte der Kanzler: „Nein. Durch die Lieferung der Waffen wird man nicht Kriegsbeteiligter. Niemand hat das gesagt. Ich nicht und auch sonst keiner, den ich im verantwortlichen Umfeld der Bundesregierung kenne.“

Es ging um ein Zitat des Kanzlers aus einem Gespräch mit Journalisten: „Was an Zielsteuerung und Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht wird, kann in Deutschland nicht gemacht werden.“  Was er genau damit meint, erklärte Scholz in der Befragung nicht. Röttgen warf ihm vor, seine wahren Motive für sein Nein nicht zu erläutern, sondern immer neue Ausreden zu finden, „die sich zum Teil wechselseitig widersprechen und ausschließen“. 

Mit dem Schlagabtausch verschärft sich der Ton in der seit zehn Monaten laufenden Debatte über die Lieferung des Waffensystems Taurus weiter. Am Donnerstag will der Bundestag auf Antrag der Union erneut darüber abstimmen. Grüne und FDP sind zwar für eine Lieferung, werden den Unionsantrag aber aus Koalitionsdisziplin ablehnen - gegebenenfalls mit Ausnahme einzelner Abweichler. Eine Mehrheit für den Antrag gilt aber als ausgeschlossen.  

Scholz: „Ich will auch gerne den Stier bei den Hörnern packen“

Die Ukraine hat den Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 Kilometern schon im Mai vergangenen Jahres bei der Bundesregierung beantragt. Sie will damit Nachschublinien der russischen Streitkräfte weit hinter der Front treffen. Im Oktober erteilte Scholz einer Lieferung erstmals eine Absage - ohne eine ausführliche Erklärung zu liefern. Die folgte erst am 26. Februar in einem Gespräch mit Journalisten und in den Tagen danach bei weiteren öffentlichen Veranstaltungen. 

In der Regierungsbefragung äußerte Scholz sich jetzt zum ersten Mal im Bundestag dazu. An der großen Ukraine-Debatte im Bundestag am 22. Februar hatte er nicht teilgenommen. 

Scholz eröffnete die Befragung zu Taurus mit den Worten: „Ich will auch gerne den Stier bei den Hörnern packen“ - Taurus bedeutet im Lateinischen Stier. Er wolle noch einmal ausdrücklich sagen, dass aus seiner Sicht „dringend notwendig ist, dass wir bei allen Entscheidungen, gerade wenn wir so viel unternehmen und wenn wir so viele Dinge auch auf den Weg bringen, es zentral bleibt, dass wir jede einzelne Entscheidung sorgfältig abwägen“.

Scholz will keine deutschen Soldaten in der Ukraine einsetzen

Scholz bekräftigte im Bundestag seine Argumentation, warum er Taurus nicht liefern will. Weil mit dem Taurus russisches Territorium bis nach Moskau erreicht werden kann, will er die Kontrolle über diese Waffe nicht den Ukrainern überlassen. Um selbst die Kontrolle zu behalten, müssten sich aber deutsche Soldaten an der Zielsteuerung beteiligen - von Deutschland aus oder in der Ukraine. Beides kommt für Scholz nicht infrage, weil das aus seiner Sicht eine Verwicklung in den Krieg bedeuten könnte. Einem solchen Einsatz deutscher Soldaten müsste auch der Bundestag zustimmen, wenn man rechtlich auf der sicheren Seite sein will. In anderen Ländern wie Großbritannien und Frankreich ist das nicht der Fall. 

Für ihn sei es ausgeschlossen, „bei weitreichenden Waffensystemen solche zu liefern, die nur sinnvoll geliefert werden können, wenn sie auch mit dem Einsatz deutscher Soldaten auch außerhalb der Ukraine verbunden wären“, sagte Scholz. „Das ist eine Grenze, die ich als Kanzler nicht überschreiten will.“

Die Frage, warum Scholz der Ukraine die Zielsteuerung nicht allein überlassen will, bleibt offen. Die Union fragte ihn danach, ob das nicht ein Misstrauensbeweis an die Ukraine sei. Das wies Scholz zurück. „Wir vertrauen der Ukraine.“ Eine klare Erklärung blieb er aber schuldig.