Enrique Tarrio, früherer Anführer der Proud Boys, bei einer Demonstration in Portland Foto: dpa/Noah Berger

Der frühere Chefs der Proud Boys, Enrique Tarrio, wird wegen verschwörerischen Aufruhrs zur 22 Jahre Gefängnis verurteilt. Es ist die bisher höchste Strafe gegen einen der mehr als tausend Angeklagten im Zusammenhang mit dem 6. Januar 2021.

Die Reue kam spät und währte nicht lange. Kurz nachdem die Mutter des kubanisch-stämmigen Angeklagten den Richter Timothy Kelly angefleht hatte, Gnade für ihren Enrique walten zu lassen, trat dieser im orangefarbenen Sträflingsanzug vor den Bundesrichter. Der bereits im Mai von zwölf Geschworenen der verschwörerischen Rebellion für schuldig befundene Führer der Proud Boys sagte, die vergangenen Monate hätten ihn zu einem „demütigen“ Mann gemacht.

Ohne das martialische Outfit mit Sonnenbrille und Zigarette wirkte der 39-jährige Enrique Tarrio nur noch halb so stark wie das Image des Unverwundbaren, das er vor dem Aufstand am 6. Januar 2021 von sich pflegte. Angestachelt von Donald Trumps Intimus Roger Stone inszenierte sich Tarrio bei seinen Auftritten in Washington wie der Führer einer revolutionären Bewegung.

Davon war am Tag der Urteilsverkündung im Gerichtssaal des Bundesgerichts im District of Columbia nur wenige hundert Meter vom Schauplatz des blutigen Aufstands gegen die Zertifizierung des friedlichen Machtwechsels im US-Kongress wenig zu spüren. Der 6. Januar sei ein „Tag der nationalen Schande“ gewesen, sagte Tarrio, der während des Prozesses gegen ihn hartnäckig geschwiegen hatte.

Donald Trumps „Fußsoldat“

Wie seine Verteidiger stellte er sich als einfachen „Fußsoldaten“ dar, der Trump gefolgt sei. Er habe einfach nicht glauben können, dass dieser die Wahlen verloren habe. Was sich aus den Protesten entwickelt habe, tue ihm sehr leid. Die Polizisten, die das Kapitol verteidigt hätten, „verdienen nichts anderes als Ruhm, Respekt und Heldenehre“. Er sei „extrem beschämt und enttäuscht über den ihnen zugefügten Kummer und Leid.“

Der von Trump nominierte Richter ließ sich davon nicht beeindrucken. Er sei froh, dass Tarrio sein Handeln mit Blick auf die Polizisten leidtue. „Aber wir reden hier aneinander vorbei“, stellte Kelly klar. „Ich habe nicht ein Anzeichen dafür, dass ihm die Dinge leidtun, für die er hier angeklagt ist.“ Er sei der „ultimative Führer, der ultimative Organisator“ des Aufstands gewesen, der „von revolutionärem Eifer motiviert war“. Sein Einfluss auf die Entwicklungen des Tages seien übergroß gewesen.

Die Staatsanwaltschaft hatte 33 Jahr Haft gefordert

Tarrio beugte sein Haupt, als Richter Kelly ihn zu 22 Jahren Gefängnis verurteilte. Es ist die bisher höchste Einzelstrafe gegen einen Beteiligten des Aufstands am 6. Januar. Zuvor hatte derselbe Richter vier weitere Führer der rechtsextremen Schlägertruppe zu Strafen zwischen elf und 18 Jahren Gefängnis verurteilt. Viele der rund 200 Proud Boys, die sich an dem Aufstand beteiligten, erhielten niedrigere Strafen oder warten noch auf ihren Prozess.

Bereits im Frühjahr hatte das Bundesgericht den einäugigen Führer der rechten Oath-Keepers-Miliz, Stewart Rhodes, zu 18 Jahren Haft verurteilt. Im Unterschied zu den Proud Boys, die ohne nationale Führung auf lokaler Ebene aktiv bleiben, brachte die Verurteilung weiterer Führer der Miliz das Ende der Oath Keepers.

Die Staatsanwaltschaft hatte 33 Jahre Gefängnis gefordert. Tarrio war nach Darstellung der Anklage ein „gewiefter Propagandist“ und „charismatischer Führer“. Bei einem früheren Protest in Washington hatte er eine „Black Lives Matter“-Flagge von einer Kirche abgerissen und verbrannt. Damit provozierte er seinen Bann aus der Hauptstadt. Am 6. Januar steuerte Tarrio die Ereignisse von Baltimore aus.