Bekannt für seine stoische Art: Kanzler Olaf Scholz (links) Foto: dpa/Michael Kappeler

Die SPD hat Umfragewerte, wie sie der größten Regierungspartei nicht würdig sind. Der Kanzler gibt sich gelassen. Gleichzeitig gibt es einen großen Verlierer in der Partei. Die Sozialdemokraten in unserer heutigen Folge des Parteienchecks.

Die SPD stellt nach 16 Jahren Angela Merkel wieder den Kanzler. Viele in der Partei sind bis heute überrascht davon, dass das funktioniert hat. Gleichzeitig haben die Sozialdemokraten gewohnt schlechte Umfrageergebnisse. Wir analysieren den Stand der Dinge zur Halbzeit der Legislaturperiode.

Die Lage

Ein Fußballtrainer, der mit einem Abstiegskandidaten plötzlich Meister wird, bekommt viel Unterstützung – selbst dann, wenn ihn viele im Verein für einen seltsamen Typen halten. Viele in der SPD sahen in Olaf Scholz immer einen blutleeren Langweiler. Aber Scholz hat das Kanzleramt erobert. Die Partei ist bis heute so glücklich darüber, dass sie sich geschlossen wie fast nie präsentiert. Geradezu geräuschlos ist die Parteilinke dabei – insbesondere nach dem Beginn des Kriegs in der Ukraine – Schritte mitgegangen, die vorher undenkbar schienen. Dazu gehört die Schaffung eines Sondervermögens von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr.

Das Problem

In der großen Koalition hat die SPD von der Union immer einen Preis für das Mitregieren gefordert. Nach dem Motto: „Ihr stellt die Kanzlerin – dafür wollen wir Inhalte durchsetzen.“ In der Ampel-Koalition ist die SPD diejenige, die Konflikte zwischen Grünen und FDP ausgleichen muss. Das ist eine Rolle, in der die SPD als Partei bislang nach außen selbst nur begrenzt ein erkennbares Profil entwickelt. Hinzu kommt: Der Streit in dem komplizierten Bündnis mit Grünen und FDP ist, siehe Heizungsgesetz, oft so langwierig und laut, dass auch Erfolge der Regierung kaum wahrgenommen werden. Die Ampel hat unter der SPD das Land sehr solide durch die Energiekrise gebracht, die aus dem Krieg in der Ukraine folgte. Das dominierende Gefühl bei vielen in der Bevölkerung ist aber Verunsicherung, nicht zuletzt die Angst vorm Heizungstausch. Die Folge: Die SPD hat Umfragewerte, wie sie der größten Regierungspartei nicht würdig sind.

Die Strategie

Cool bleiben. Das ist die Devise von Bundeskanzler Olaf Scholz. Scholz schöpft dabei aus der Erfahrung, dass er auch bei der letzten Bundestagswahl entgegen fast allen Vorhersagen gewonnen hat. Der Kanzler gibt wenig darauf, ob der Prozess des Regierens zwischendrin nach außen gut aussieht. Aus seiner Sicht wird nach vier Jahren Bilanz gezogen, was erreicht wurde. Scholz gibt sich überzeugt, dass diese Ergebnisse für eine Wiederwahl reichen werden. Der Mann mit dem unbegrenzten Selbstbewusstsein hält sich ohnehin für den bestmöglichen Kanzler. Auch in der SPD-Zentrale setzen viele darauf, dass die Union auch diesmal wieder keinen geeigneten Kanzlerkandidaten finden wird. Im Fall einer Kandidatur von CDU-Chef Friedrich Merz dürfte die Freude im Willy-Brandt-Haus besonders groß sein. Die allgemeine Analyse in der SPD: Mit Merz als Gegner könnte die SPD umso leichter die Mitte besetzen. Außerdem trauen die Sozialdemokraten Merz zu, zielsicher von einem Fettnapf in den nächsten zu treten.

Auf- und Absteiger

An Bedeutung verloren haben die Jusos. Der heutige SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat als Juso-Chef im Kampf um die Frage, ob die SPD noch mal in die große Koalition geht, die ganze Parteispitze mit der Jugendorganisation vor sich hergetrieben. Später brachte er mit den Jusos Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans erfolgreich – per Mitgliederentscheid – an die Parteispitze. Die heutige Juso-Chefin Jessica Rosenthal hat es schwer in der Doppelrolle als Abgeordnete und Vorsitzende der Jugendorganisation, zumal die Partei lieb zu ihrem Kanzler sein möchte. Der größte Aufsteiger der vergangenen Monate ist Verteidigungsminister Boris Pistorius. Er ist so beliebt, dass er – für den Fall der Fälle – als Reserve-Kanzler gelten kann.

Parteiencheck: In unserem Parteiencheck nehmen wir die sechs größten Parteien Deutschlands unter die Lupe. Den Anfang macht die SPD.