Finanzminister Christian Lindner (FDP), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Kanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag. Foto: dpa/Kay Nietfeld

Das Bundesverfassungsgericht hat das Heizungsgesetz vorerst gestoppt. Das ist eine peinliche Niederlage für die Regierung, kommentiert Tobias Peter.

Man stelle sich nur einmal einen Schüler vor, der seine Hausaufgabe verspätet abgibt. Und der dann den Lehrer anblafft: „Machen Sie ein bisschen Zack-Zack beim Korrigieren! Morgen früh will ich das zurückhaben – mit einer guten Note.“ Diese Dreistigkeit würde kein Pädagoge hinnehmen.

Doch exakt so verhalten sich SPD, Grüne und FDP gegenüber dem Parlament. Erst zoffen sie sich endlos untereinander – und dann sollen die Abgeordneten nach einer Ampel-Einigung in Rekordzeit über Gesetzestexte entscheiden. Das ist unverschämt. Deshalb hat das Verfassungsgericht das Heizungsgesetz zu Recht vorerst gestoppt.

Mehr Unvermögen als schlechte Absichten

Es ist kein böser Wille seitens der Bundesregierung, dem Parlament solche Zeitpläne zuzumuten. Deutschland erlebt und erleidet gerade eine Ampel-Koalition, die dauernd auseinanderdriftet. Kaum scheinen die drei Parteien einig, stellt schon wieder jemand den gefundenen Kompromiss infrage. Beim Heizungsgesetz haben insbesondere FDP und Grüne sich so lange gegenseitig bekriegt, dass die Zeit vor der Sommerpause drängte.

Auch wenn die Ampel die Rechte des Parlaments mehr aus Unvermögen als aus schlechten Absichten heraus missachtet, ist ihr Vorgehen respektlos. Eine Respektlosigkeit gegenüber den Abgeordneten ist eine gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Die Abgeordneten sind als Volksvertreter in den Bundestag gewählt. Bedeutet: Jede und jeder einzelne von ihnen muss stellvertretend für die Menschen im Land und insbesondere im Wahlkreis entscheiden, ob aus politischen Vorschlägen Gesetze werden sollen. Zugegeben: Der Arbeitsalltag eines Parlamentes sieht so aus, dass nicht jeder Parlamentarier jedes einzelne Gesetz bis zum letzten Komma überprüfen kann. Die Fraktionen teilen sich in Arbeitsgruppen auf, der Experte für Thema A verlässt sich auf den Experten für Thema B und umgekehrt. Doch auch die Fachleute in den Fraktionen benötigen Zeit, um ein Gesetz zu prüfen. In wichtigen Fällen – dazu gehört das Heizungsgesetz – muss jeder einzelne Abgeordnete sich zu Recht im Wahlkreis fragen lassen, ob er eigentlich wirklich genau weiß, worüber er abgestimmt hat.

Das Erbe des Peter Struck

Im Bundestag gilt das so genannte Strucksche Gesetz, benannt nach dem früheren SPD-Fraktionschef Peter Struck. Es besagt, dass kein Gesetzentwurf den Bundestag so verlässt, wie er hineingekommen ist. Das Strucksche Gesetz ist noch nie so zutreffend gewesen wie beim Heizungsgesetz. Der Regierungsentwurf ist durch die zähen Nachverhandlungen der Koalitionsfraktionen untereinander deutlich besser geworden. Das Gebäudeenergiegesetz und die Wärmeplanungen der Kommunen werden nun miteinander verschränkt. So kann die Wärmewende gelingen. Nur: In diesem Fall ist jedes einzelne Detail für viele Menschen im Land wichtig. Deshalb muss auch die Opposition die Chance haben, das geplante Gesetz genau zu durchleuchten.

Es wäre wünschenswert, wenn die Ohrfeige des Verfassungsgerichts für die Ampel zwei Dinge zur Folge hätte. Die Abgeordneten aus den demokratischen Fraktionen – egal ob Regierung oder Opposition – müssen sich zusammentun, wenn es darum geht, die Rechte des Parlaments zu verteidigen. Und: Die Ampel muss zu einem professionellen Arbeitsmodus finden. Sie muss von Anfang an handwerklich besser gelungene Gesetzentwürfe vorlegen. Die drei Parteien dürfen sich nicht ständig öffentlich gegenseitig selbst zerlegen.

Olaf Scholz hat den Menschen im Land im Wahlkampf Respekt versprochen. Die Ampel muss Respekt erst noch lernen. Untereinander, gegenüber dem Parlament und damit auch gegenüber den Bürgern.