Zwei Jahre nach Regierungsantritt der grün-schwarzen Koalition ziehen die Abgeordneten eine Halbzeitbilanz. Die Oppositionsparteien geizen dabei nicht mit harten Urteilen. Was sie im Detail kritisieren.
Vier Wochen, nachdem die grün-schwarzen Koalitionäre sich selbst ein gutes Zeugnis ausgestellt haben, hat die Opposition ihr eigenes Fazit der ersten beiden Regierungsjahre gezogen. Im Plenum des Landtages mussten sich die Regierungsparteien am Mittwochvormittag der Diskussion stellen, was sie in der ersten Halbzeit erreicht haben.
Für die SPD ist die grün-schwarze Regierung eine Koalition des Stillstandes. „Leute, die Macht haben, machen nichts“, kritisierte der SPD-Fraktionsvorsitzende Andreas Stoch im Plenum. Ein „Musterländle“ sei Baden-Württemberg nicht mehr, sagte er. Kein Land habe sich so verschlechtert im Bildungsniveau wie Baden-Württemberg. „Uns fehlen fast 17 000 Erzieher und mehr als 57 000 Kitaplätze. Tun sie endlich etwas gegen das Bildungschaos“, forderte er die Landesregierung auf.
Kann „The Länd“ Existenzprobleme lösen?
Der Grund, warum die Regierung Noten und Urteile über Leistungen von Grundschulkindern abschaffen möchte, ist für den FDP-Fraktionsvorsitzenden Hans-Ulrich Rülke eindeutig: Das Urteil „Bemühen sich“ wäre angesichts der Leistungsbilanz der Regierung noch geschmeichelt. Dass Baden-Württemberg in einer Studie Platz drei der innovativsten Regionen weltweit belegen konnte, sei laut Rülke in keinem Fall die Leistung der Landesregierung. „Baden-Württemberg ist innovativ trotz dieser Regierung, nicht wegen ihr“, stellte Rülke klar.
Kritik wurde auch am Umgang mit dem Fachkräftemangel geäußert. Laut Zahlen der Industrie- und Handelskammer fehlen Baden-Württemberg zwischen 2022 und 2035 über 397 000 Fachkräfte pro Jahr. Ob denn die Werbekampagne „The Länd“ alles sei, was der Regierung zu diesem drängenden Existenzproblem einfalle, fragte Storch die Regierung. Für den Fachkräftemangel möchte sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) allerdings nicht verantwortlich zeigen: „Der Fachkräftemangel ist eine Folge des demografischen Wandels, nicht die des Regierungshandelns.“
Für die AfD ist die erste Regierungshälfte der Koalition geprägt von der Bildungs- und Migrationskrise. Das Wohlergehen der Bevölkerung habe die Regierung nicht im Blick.
„Das ist eine Politik der eingeschlafenen Füße“
Die „ruhige Hand“, für die CDU-Fraktionsvorsitzender Manuel den Ministerpräsidenten lobte, ist der Opposition ein Dorn im Auge. „Das ist eine Politik der eingeschlafenen Füße“, kritisierte Rülke. Von dem neuen Normenkontrollrat unter der Leitung des ehemaligen Freiburger Oberbürgermeisters und Hauptgeschäftsführers der IHK, Dieter Salomon, verspricht sich die FDP auch deshalb wenig. Der neue Normenkontrollrat würde dasselbe tun, wie sein Vorgänger: Vorschläge erarbeiten – und in die Schublade legen, so die Prognose von Rülke.
Auch mit den Ergebnissen beim Ausbau der Erneuerbaren ist Rülke unzufrieden. Die 400 Windräder, die laut des Grünen-Fraktionsvorsitzenden Andreas Schwarz „in der Pipeline stecken“, würden die Bürger nicht interessieren. Wie viele tatsächlich gebaut werden würden, sei das, was laut Rülke zähle. Tatsächlich läuft der Windkraft-Ausbau weiterhin schleppend. In Baden-Württemberg wurden von Januar bis Juni dieses Jahres Branchenverbänden zufolge acht Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 31 Megawatt errichtet. „Die Regierung hat die Hände in den Taschen, zu Lasten des Klimaschutzes“, kritisiert SPD-Fraktionsvorsitzender Stoch.
Baden-Württemberg sei ein großes Stück voran gekommen
Die grün-schwarze Koalition versprühte Einigkeit, wie sie es schon zur eigenen Halbzeit-Bilanz vorgenommen hatte: CDU-Fraktionschef Manuel Hagel will sich den Erfolg der Koalition „nicht schlecht reden lassen“. Milliarden für schnelles Internet, mehr neueingestellte Polizistinnen und Polizisten und mehr installierte Solaranlagen in der ersten Jahreshälfte von 2023 als im Jahr 2022 insgesamt, das seien nur einige von vielen Erfolgen, die die Landesregierung in der ersten Regierungshälfte zu verzeichnen habe.
„Wir haben Baden-Württemberg ein großes Stück vorangebracht“, davon ist auch der Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz überzeugt. Kretschmann versicherte, dass sich die politischen Ziele seiner Regierung am langfristigen Nutzen für das Land orientieren würden. Der Rückhalt aus der Bevölkerung für Kretschmann und die Koalition ist allerdings niedrig. Das hat der BaWü-Check, eine repräsentative Meinungsumfrage, die das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag der baden-württembergischen Tageszeitungen durchgeführt hat, vor kurzem gezeigt.