Junge Neonazis stehen während einer Demonstration zusammen. Bundesinnenministerin Faeser hat den rechtsextremistischen Verein „Hammerskins Deutschland“ sowie seine regionalen Ableger und die Teilorganisation „Crew 38“ verboten. Foto: dpa/Patrick Pleul

Ihr Symbol sind zwei gekreuzte Hämmer. Jetzt hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser die rechtsextremistische Gruppierung „Hammerskins Deutschland“ verboten. Mit Blick auf den „Verfassungsschutzbericht 2022“ geben wir einen Überblick über die rechtsextreme Szene in Deutschland, ihre Entwicklung und Ideologie.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat den rechtsextremistischen Verein „Hammerskins Deutschland“ sowie seine regionalen Ableger und die regionalen Teilorganisation „Crew 38“ und „Chapter“ verboten.

Die SPD-Politikerin spricht von einem „harten Schlag gegen den organisierten Rechtsextremismus“. Die „Hammerskins Deutschland“ nähmen in der rechtsextremistischen Szene in Europa eine „herausragende Rolle“ ein.

Wie das Bundesinnenministerium am Dienstag (19. September) mitteilte, durchsuchten Einsatzkräfte der Polizei am frühen Morgen Wohnungen von 28 mutmaßlichen Mitgliedern des Vereins in zehn Bundesländern: Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und dem Saarland.

Wer sind die „Hammerskins Deutschland?

Ein Einsatzfahrzeug der Polizei steht bei einer Razzia gegen eine Neonazi-Gruppe in Berlin-Alt-Hohenschönhausen. Foto: dpa/Dominik Totaro
Ein Polizist sichert in Berlin-Alt-Hohenschönhausen Beweismaterial. Foto: dpa/Paul Zinken
Ein Beamter mit Diensthund während der Razzia gegen die „Hammerskins Deutschland“ in Berlin. Foto: dpa/Paul Zinken
  • Die Gruppe mit rund 130 Mitgliedern richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung, gegen den Gedanken der Völkerverständigung, heißt es zur Begründung. Zudem liefen Zweck und Tätigkeit der Vereinigung den Strafgesetzen zuwider. Bei Konzertveranstaltungen der Gruppe würden auch Nicht-Mitglieder mit rechtsextremistischem Gedankengut ideologisiert.
  • Die „Hammerskins Deutschland“ sind nach Angaben des Bundesinnenministeriums ein Ableger der 1988 in den USA gegründeten „Hammerskins Nation“. Zweck der Gruppe sei es, ihre rechtsextremistische Weltanschauung auszuleben und zu verfestigen, insbesondere durch Konzerte. Dort würden auch Nicht-Mitglieder mit rechtsextremistischem Gedankengut konfrontiert, ideologisiert und radikalisiert.

Welche rechtsextremen Gruppen wurden bisher verboten?

Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Foto: dpa/Kay Nietfeld
  • Zu den rechtsextremistischen Vereinigungen, die in den vergangenen Jahren verboten wurden, zählen unter anderem „Combat 18“ und „Nordadler“. Laut Ministerium ist es das 20. Verbot einer rechtsextremistischen Vereinigung durch das Bundesinnenministerium.
  • Mit Blick auf den „Verfassungsschutzbericht 2022“ geben wir einen Überblick über die rechtsextreme Szene in Deutschland, ihre Entwicklung und Ideologie.
  • Hier kommen Sie zum kompletten Verfassungsschutzbericht 2022 des Bundesinnenministeriums.

Was umfasst das rechtsextremistische „Personenpotenzial“

Das rechtsextremistische „Personenpotenzial“ ist 2022 mit 38 800 Personen gegenüber Jahr 2021 (33 900) um 4900 Personen angestiegen. Foto: Imago/Sascha Steinach
  • Nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz setzt sich das rechtsextremistische Personenpotenzial zusammen aus Parteien, parteiunabhängigen bzw. parteiungebundenen Strukturen – wie zum Beispiel Kameradschaften, Vereine und Verlage sowie einem weitgehend unstrukturierten rechtsextremistischen.
  • Das rechtsextremistische „Personenpotenzial“ ist demnach im Jahr 2022 mit 38 800 Personen gegenüber dem Jahr 2021 (33 900) um 4900 Personen angestiegen. Das Personenpotenzial der gewaltorientierten Rechtsextremisten hat sich mit rund 14 000 Personen gegenüber den Vorjahren erneut erhöht.

Warum nimmt die Zahl der Rechtsextremisten zu?

  • Einer der Gründe für die starke Zunahme ist, dass der Verfassungsschutz erstmals seit Anfang 2022 Angehörige der AfD hinzurechnet. So schätzt das Bundesamt, dass 10 200 Mitglieder der Partei und ihrer Jugendorganisation „Junge Alternative“ als Anhänger extremistischer Strömungen zuzurechnen sind.
  • Damit werden nicht alle AfD-Mitglieder solchen Strömungen zugeordnet, da innerhalb der Partei dem Verfassungsschutz zufolge weiterhin eine „inhaltlichen Heterogenität“ besteht.

Was versteht man unter Rechtsextremismus?

Rechtsextremistische Schmierereien an einer Gedenkstätte. Foto: dpa/Daniel Reinhardt
  • Rechtsextremismus ist ein Oberbegriff für politische Orientierungen und Aktivitäten, die den demokratischen Staat ablehnen und dafür eine autoritär geführte „Volksgemeinschaft“ errichten wollen. Dabei wird von einem vermeintlich naturgemäßen „Volkstum“ und einem „gewachsenen Volkskörper“ ausgegangen. Andere Menschen werden durch rassistische Parolen ausgegrenzt und abgewertet.
  • Rechtsextremisten glauben an eine naturgegebene ethnische („rassische“) Ungleichwertigkeit der Menschen. Ethnische, kulturelle, geistige und körperliche Unterschiede begründen für sie einen minderen Wert und Rechtsstatus bestimmter Individuen und Gruppen.

Was verbindet die rechtsextremistische Szene?

Eingang des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) in Köln-Chorweiler. Foto: Imago/Christoph Hardt

Dem Bundesamt für Verfassungsschutz zufolge stellt der Rechtsextremismus in Deutschland kein einheitliches Phänomen dar. Rassistische, antisemitische und nationalistische Ideologieelemente treten in verschiedenen Ausprägungen auf. Eine Überbewertung ethnischer Zugehörigkeit und damit einhergehend die Ablehnung des Gleichheitsprinzips der Menschen sind jedoch bei allen Rechtsextremisten festzustellen.

Nach Angaben des Landesamtes für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg verbindet die rechtsextreme Szene in Deutschland folgende ideologische Merkmale:

  • „Ideologie der Ungleichheit“ (darunter: Nationalismus, Sozialdarwinismus, Rassismus und (Rassen-)Antisemitismus)
  • „Ideologie der ‚Volksgemeinschaft’“, auch „Völkischer Kollektivismus“ genannt (darunter: Fremden- und Ausländerfeindlichkeit)
  • Autoritarismus (darunter: Militarismus, Antiliberalismus,
  • „Führerprinzip“, Demokratiefeindschaft, Antiparlamentarismus)
  • Revisionismus (darunter: Geschichts- und Gebietsrevisionismus)
  • Antimodernismus

Wie ist die rechtsextreme Szene organisiert?

  • Laut Verfassungsschutz waren 2022 insgesamt 15 500 Rechtsextreme in Parteien organisiert – 3700 mehr als 2021. 8500 gehörten parteiunabhängigen Strukturen an – zum Beispiel der „Identitären Bewegung“, der „Compact Magazin GmbH“ oder dem „Institut für Staatspolitik“. 16 000 Rechtsextreme konnten keiner Organisation zugerechnet werden.

Wie viele rechtsextreme Aufmärsche gab es?

  • Im ersten Halbjahr 2023 gab es in Deutschland 112 rechtsextreme Aufmärsche, drei Mal so viele wie im Vorjahreszeitraum. Im ersten Halbjahr 2022 zählte die Polizei 36 solcher Aufmärsche. 2023 richteten sich zahlreiche rechte Versammlungen gegen Geflüchtete oder Flüchtlingsunterkünfte, im Vorjahr spielte das Thema bei rechten Aufmärschen eine eher geringe Rolle.

Welche Bedeutung hat die Musik-Kultur in der rechtsextremen Szene?

Musik spielt eine wichtige Bedeutung innerhalb des deutschen Rechtsextremismus Foto: Imago/Ipon
  • Im Verfassungsschutzbericht 2022 heißt es: „Auch im Jahr 2022 hatte rechtsextremistische Musik eine wichtige Bedeutung innerhalb des deutschen Rechtsextremismus. Insbesondere einschlägige Musikveranstaltungen stellen für das subkulturelle rechtsextremistische Spektrum einen nicht zu unterschätzenden Teil der rechtsextremistischen „Erlebniskultur“ dar.“

Wie verbindend ist Kampfsport?

  • Im Verfassungsschutzbericht 2022 heißt es: „Neben der rechtsextremistischen Musik hat sich Kampfsport als Teil der rechtsextremistischen „Erlebniskultur“ etabliert. Kampfsport ist ein szenetypisches Instrument, um mit rechtsextremistischen Einstellungsmustern bislang bloß sympathisierende junge Männer für rechtsextremistische Strukturen zu rekrutieren. Diese verfügen mittlerweile über eigene Trainingsmöglichkeiten und im Kampfsport versierte Mitglieder, die das Training leiten.“

Wer sind die rechtsextremistischen Skinheads?

Anhänger der rechten Szene stehen auf dem Gelände eines Rechtsrock-Konzertes in Thüringen (Archivbild). Foto: dpa/arifoto UG
  • Ausgeprägte Gewaltbereitschaft ist ein typisches Merkmal der rechtsextremistischen Skinheadszene, die im Bund wie im Land Baden-Württemberg das Gros der gewaltbereiten Rechtsextremisten stellt.
  • Obwohl Skinheads in der Regel wenig Interesse an einer theoretischen politischen Auseinandersetzung haben, ist ihre Weltsicht doch von wesentlichen Elementen des Rechtsextremismus, zum Teil sogar des Nationalsozialismus (zum Beispiel Antisemitismus und Rassismus) geprägt.

Was beinhaltet der Begriff Neonazi?

Demonstration gegen Rechtsextremismus in Bielefeld am 9. November 2022 aus Anlass der Erinnerung an die NS-Novemberpogrome von 1938. Foto: Imago/Moritz Schlenk
  • Neonazismus ist nur eine von mehreren Erscheinungsformen des Rechtsextremismus. Als neonazistisch werden Personenzusammenschlüsse und Aktivitäten bezeichnet, die ein Bekenntnis zu Ideologie, Organisationen und/oder Protagonisten des historischen Nationalsozialismus erkennen lassen und in letzter Konsequenz auf die Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zugunsten eines totalitären Führerstaates nach dem Vorbild des „Dritten Reiches“ ausgerichtet sind.

Was ist die „Neue Rechte“?

  • Im Verfassungsschutzbericht 2022 heißt es: „Unter die Bezeichnung Neue Rechte wird ein informelles Netzwerk von Gruppierungen, Einzelpersonen und Organisationen gefasst, in dem nationalkonservative bis rechtsextremistische Kräfte zusammenwirken, um anhand unterschiedlicher Strategien teilweise antiliberale und antidemokratische Positionen in Gesellschaft und Politik durchzusetzen.
  • Der Begriff ‚Globohomo‘ steht für „Globale Homogenisierung“, durch die ein elitärer Personenkreis die ganze Weltbevölkerung zu unterschiedslosen, perfekten Konsumenten erziehen wolle, für die Kultur und sexuelle Orientierung keine Rolle mehr spielen.“

Überblick über rechtsextremistische Gruppierungen in Deutschland

„Identitäre Bewegung“

Aufkleber der Identitären Bewegung an einem Lichtmast. Foto: Imago/Mario Hösel
  • Laut Verfassungsschutz zählte die „Identitäre Bewegung“ 2020 etwa 575 Mitglieder. Sie stammt ursprünglich aus Frankreich und konnte sich 2012 auch in Deutschland etablieren. Nachdem die „Identitäre Bewegung“ zunächst vor allem im Internet aktiv war, organisiert sie inzwischen zahlreiche Aktionen auf der Straße.
  • Die „Bewegung“ verfolgt die Idee eines „Ethnopluralismus“. Dahinter steht jedoch die Vorstellung, dass jedes „Volk“ eine eigene Kultur oder Identität hätte, die sich nicht mit anderen „mischen“ sollte
  • Dem Verfassungsschutzbericht zufolge sind die Positionen der „Identitären“ nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Sie ziele darauf ab, Menschen mit außereuropäischer Herkunft von demokratischer Teilhabe aus-zuschließen und sie in einer ihre Menschenwürde verletzenden Weise zu diskriminieren. Nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin darf die „Identitäre Bewegung“ als „gesichert rechtsextrem“ bezeichnet werden.

„Freie Kameradschaften“

Polizist bei einer Razzia gegen eine rechtsextreme Gruppierung (Archivbild). Foto: dpa/Jan Woitas
  • Solche Kameradschaften entstanden in den frühen 1990er Jahren, als viele rechtsextremistische Vereine und Organisationen verboten wurden. Im Unterschied zu Vereinen, Parteien oder anderen Organisationen haben sie keine offizielle Rechtsform.
  • Kameradschaften sind meist regional aktiv, können aber auch bundesweit oder auch in Europa mit ähnlichen Gruppierungen vernetzt sein. Ihre Bedeutung ist laut Verfassungsschutz rückläufig.

Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“

Das Logo des „Königreich Deutschland“ prangt am Fenster eines Pförtnerhauses in Wittenberg (Sachsen-Anhalt). Foto: dpa/Jan Woitas
  • Die Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ ist laut Verfassungsschutz sehr heterogen. Sie setzt sich aus Einzelpersonen ohne strukturelle Einbindung, Kleinst- und Kleingruppierungen, überregional agierenden Personenzusammenschlüssen und virtuellen Netzwerken zusammen.
  • Zu „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ zählen demnach Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen – unter anderem unter Berufung auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht – die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen sowie den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation absprechen.

„Autonome Nationalisten“

  • Dieser Sammelbegriff bezeichnet eine Gruppe gewaltbereiter junger Neonazis. Die meisten von ihnen sind in „Kameradschaften“ aktiv. Sie orientieren sich in ihrem Auftreten und in ihrer Kleidung an der linksautonomen Szene, um Jugendliche anzusprechen. Auf Demonstrationen treten sie meist geschlossen in einem „Schwarzen Block“ auf.

„Völkische Siedler“

  • Dabei handelt es sich um extreme Rechte, die an das rassistisch-antisemitische Weltbild der „völkischen Bewegung“ anknüpfen. Sie behaupten, nur eine „rein“ deutsche Abstammung könne den Erhalt des „Volkes“ sichern und die deutsche „Volksgemeinschaft“ sei allen anderen Menschengruppen überlegen.

„KVLTGANG“

  • Es handelt sich um „ein im Jahr 2017 von mehreren unter Pseudonymen auftretenden Personen gegründetes rechtsextremistisches Künstlerkollektiv. Die Idee zur Gründung entstand laut Eigenangaben mit der Absicht, „kreative“ Köpfe aus entsprechenden Spektren in ganz Europa zu vereinen. Ziel der „KVLTGANG“ ist die Professionalisierung der rechtsextremistischen Szene in den Bereichen Stilistik, Marketing und Design.“

„Ein Prozent e. V.“

  • Nach Angaben des Verfassungsschutzberichts besteht die Gruppierung „Ein Prozent“ seit Herbst 2015 und ist seit April 2016 ins Vereinsregister eingetragen. Der Verein hat seinen Sitz in Dresden und ist lokal, überregional und bundesweit tätig.
  • „Ein Prozent“ versucht demzufolge primär, eine kulturelle Deutungshoheit im vorpolitischen Raum zu erringen und eine „Gegenkultur“ zu schaffen. Darunter sei eine szenetypische Kultur zu verstehen, die einer aus Sicht des Vereins „etablierten“ Kultur in Deutschland, die sich aus der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ergibt, entgegengesetzt ist.