Minister Volker Wissing (FDP): Im Verkehrsbereich verfehlt Deutschland die Klimaziele. Foto: dpa/Britta Pedersen

Die Bundesregierung will künftig einen anderen Weg gehen, um Deutschland klimaneutral zu machen. Klimaschützer und Opposition warnen, profitieren wird vor allem ein Minister.

Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein – ein zweifellos ehrgeiziges Ziel. Um es zu erreichen, gibt es das Klimaschutzgesetz, das die Koalition aus SPD, Grünen und FDP nun reformieren will. Am Freitag wird das Gesetz erstmals im Bundestag beraten. Worum es geht und warum es auch innerhalb der Koalition umstritten ist – ein Überblick.

Was verändert sich mit dem Gesetz?

Deutschland will bis 2045 keine klimaschädlichen Emissionen mehr ausstoßen. Schon bis 2030 sollen sie im Vergleich zu 1990 um 65 Prozent sinken. Bisher war es so, dass jeder Sektor wie etwa Energie, Industrie, Verkehr oder der Gebäudebereich seine Einsparziele erreichen musste. Gelang dies nicht, dann war das jeweilige Ministerium verpflichtet, ein Sofortprogramm aufzusetzen. Zuletzt waren es der Gebäude- und insbesondere der Verkehrssektor, die die Einsparziele verfehlten. Künftig wird der gesamte CO2-Ausstoß über alle Sektoren hinweg betrachtet. Wenn Deutschland den Reduktionspfad insgesamt einhält, dann gilt das Ziel als erreicht, auch wenn einzelne Sektoren ihre Einsparziele verfehlen. Entscheidend ist zudem nicht mehr die Rückschau auf den Ausstoß des vergangenen Jahres, sondern die Projektion für das kommende Jahr. Diese Projektionen werden vom Umweltbundesamt erstellt. Weitere Maßnahmen soll es auch geben, allerdings erst, wenn prognostiziert wird, dass die Klimaziele zwei Jahre in Folge gerissen werden.

Warum wird das Gesetz verändert?

Die Sektorenziele aufzuheben hatten SPD, Grüne und FDP im Koalitionsvertrag vereinbart. Befürworter der Gesetzesänderung argumentieren, dass die bisherige Regelung nicht funktioniere. Die Sofortprogramme zwängen die Politik, mit großem Aufwand kurzfristige Ziele zu erreichen, so die Argumentation. Doch bestimmte effektive Maßnahmen bräuchten Zeit, bis sie ihre Wirkung entfalten und seien zudem günstiger. Als Beispiel dafür gilt das sogenannte Heizungsgesetz, dass seine CO2-einsparende Wirkung erst mittelfristig entfalten dürfte.

Warum ist die Reform des Gesetzes umstritten? Die Bundesregierung verspricht, die Reform solle den Klimaschutz „vorausschauender und effektiver“ machen. Dabei betont sie: „Durch die Reform darf nicht eine Tonne mehr CO2 ausgestoßen werden als mit dem bisherigen Gesetz.“ Kritiker befürchten allerdings, dass in der Gesamtbetrachtung die Verantwortung weniger klar verteilt sein könnte. So sinke der Druck auf einzelne Minister, sich besonders anzustrengen, wenn in ihrem Bereich die Ziele verfehlt werden. Das dürfte besonders auf Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) zutreffen. Der Verkehrssektor verfehlte seine Einsparziele und wird laut Prognosen bis 2030 rund 187 Millionen Tonnen CO2 mehr ausstoßen als vorgesehen. Eigentlich hätte das Ministerium Sofortmaßnahmen ergreifen müssen, wie ein allgemeines Tempolimit. Doch Wissing ignorierte die Vorgabe aus dem Gesetz. Aus diesen Gründen sind zahlreiche Grüne inzwischen nicht mehr glücklich mit dem Gesetz. Doch dass die sektorenübergreifende Betrachtung kommt, gilt als sicher.

Was sagt die Opposition?

Eingeführt wurde das Gesetz 2019 unter der unionsgeführten großen Koalition. Entsprechend kritisch sieht Unionsfraktionsvize Andreas Jung (CDU) die Reform. „Das ist ein Rückschritt für den Klimaschutz“, sagte er unserer Zeitung. „Wäre das ein CDU-Gesetz, die Grünen würden auf allen Marktplätzen der Republik demonstrieren! Die Ampel entkernt das Klimaschutzgesetz und stellt so die Verlässlichkeit des Wegs zur Klimaneutralität 2045 infrage.“ Die Bundesregierung verstoße seit vergangenem Jahr gegen das Klimaschutzgesetz, sagte er. Anstatt es endlich einzuhalten, werde es nun geschliffen. „Das ist der klimapolitische Offenbarungseid der Ampel“, sagte Jung.

Wie geht es weiter?

Die Koalition hat sich vorgenommen, das Gesetz noch in diesem Jahr zu verabschieden, damit auch der Bundesrat zustimmen kann. Angepeilt wird ein Termin im November oder Dezember.