Das Ergebnis fiel knapper als erwartet aus, doch die Mundelsheimer haben entschieden: Das Gewerbegebiet Benzäcker kann kommen.
Der Weg für das geplante interkommunale Gewerbegebiet Benzäcker nahe der A81 bei Mundelsheim ist geebnet. Beim Bürgerentscheid am Sonntag in der Käsberghalle stimmten nach dem vorläufigen Endergebnis 43 Prozent der Wähler gegen das Projekt, 57 Prozent dafür. Die Wahlbeteiligung war mit 62 Prozent niedriger als sonst in Mundelsheim üblich.
Zum Teil hitzige Diskussionen im Ort
Angesichts der zum Teil hitzigen Diskussionen, die besonders in den vergangenen Wochen darüber geführt wurden, ob das 20 Hektar große Gelände für eine gewerbliche Bebauung freigegeben werden soll, war das für viele doppelt überraschend. Bürgermeister Boris Seitz zeigte sich aber erleichtert über das mehrheitliche Ja und vermutete, das relativ knappe Ergebnis sei auf den Ukraine-Krieg und den jüngsten Starkregen zurückzuführen, der die Neckargemeinde besonders getroffen hatte.
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Noch wenige Wochen zuvor waren nämlich selbst einige Gegner des Projekts von einer Zustimmung ausgegangen. Und Gemeinderat Jürgen Stahl mutmaßte noch kurz vor der Bekanntgabe, gut 70 Prozent hätten für das Gewerbegebiet gestimmt – eine Vermutung, die viele Einheimische geteilt hatten. Diejenigen, die zur Wahl gegangen waren, betonten, wie wichtig es sei, dass die Bürgerinnen und Bürger selbst entscheiden könnten, da dem Votum eine enorme Bedeutung für den Ort zukomme. „Die Entscheidung ist von solcher Tragweite für den Ort, dass sie nicht der Gemeinderat allein fällen könne“, erklärte einer der Wähler im Vorfeld.
Die Bürger wurden bewusst mit ins Boot geholt
Indes: Gekonnt hätte das der Gemeinderat durchaus, rein rechtlich gesehen. Dennoch war das Gremium vor wenigen Monaten einstimmig dem Vorschlag von Bürgermeister Boris Seitz gefolgt, darüber die Einwohner des Weinorts entscheiden zu lassen.
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Dieser hatte das mit der „historischen und weitreichenden Bedeutung für die Gemeinde“ begründet und erklärt, es gebe regelmäßig Anfragen von Firmen verschiedener Branchen, die aber bislang nicht bedient werden könnten. „Echte Verhandlungen sind erst möglich, wenn wir bei einem positiven Bürgerentscheid die bauplanerischen Maßnahmen einleiten könnten.“ Auch die Mundelsheimerinnen und Mundelsheimer begrüßten die Möglichkeit, selber entscheiden zu können. „Dann kann auch hinterher niemand sagen, er sei nicht gefragt worden“, brachte es eine Bürgerin auf den Punkt.
Das geplante interkommunale Gewerbegebiet, das auch von den Kommunen Besigheim, Gemmrigheim, Walheim, Hessigheim und Neckarwestheim genutzt werden kann und das nun auf den Weg gebracht worden ist, ist nicht unumstritten. Die Befürworter hoffen auf sprudelnde Gewerbesteuer und auf eine Belebung für den Ort. Die Gegner kritisieren die Versiegelung von Ackerland, das im Regionalplan zudem noch als Grünzug ausgewiesen sind.
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Manche sprachen von einem Riss durch den Ort
Doch erst mit dem Beschluss für den Bürgerentscheid wurde das Thema im Ort akut, und die Einwohner bezogen für die eine oder andere Position Stellung. Bürgerinitiativen für und gegen das Gewerbegebiet formierten sich und versuchten durch verschiedene Informationsveranstaltungen mit ihren jeweiligen Argumenten zu überzeugen. Auch in der Käsberghalle fand eine große Veranstaltung statt, bei der beide Seiten zu Wort kamen. Mitunter war zu hören, es gehe in Sachen Benzäcker ein Riss durch den sonst so idyllischen Ort. Für den Bürgermeister sei das stellenweise schon ein Spießrutenlauf gewesen, sagte etwa Manfred Wägerle, der zur Bekanntgabe des Ergebnisses in die Käsberghalle gekommen war.
Die Diskussion in der Facebook-Gruppe „Mein Mundelsheim“ ist aber überwiegend sachlich und fair geführt worden. Lothar Freihofer, ehemaliger Gemeinderat von Mundelsheim, meinte: „Ich habe mit einem knappen Ergebnis gerechnet. Aber ich bin zufrieden, dass es so ausgegangen ist. Das ist gut für die Stimmung im Ort.“ Mit der Mehrheit habe man sehr konstruktive Gespräche führen können, betonte Andreas Link, der stellvertretende Bürgermeister. Und Gemeinderat Christian Bürkle hob hervor, dass der Weg der umfassenden Bürgerbeteiligung richtig gewesen sei. „Wer jetzt sagt, er sei nicht informiert gewesen, der war die letzten drei Monate nicht hier.“
Drei vier Jahre werden noch ins Land gehen
Bis auf den Benzäckern die Bagger rollen, dürften nach Schätzungen von Bürgermeister Seitz aber noch drei bis vier Jahre ins Land gehen. Das liege auch daran, dass die für das Gewerbegebiet nötigen Flächen im Privatbesitz von etwa 100 Eigentümern sind und erst von der Gemeinde erworben werden müssen. Da darunter wohl auch einige Erbengemeinschaften sind, könnte das dauern . . .