Kampf gegen Kinderarmut: Was bringt die geplante Kindergrundsicherung tatsächlich? Foto: epd//Walter G. Allgöwer

Familienministerin Lisa Paus hat sich im Streit über die Kindergrundsicherung verzockt. Die nun geplante Reform ist ein Fortschritt, der große Durchbruch ist sie aber nicht, kommentiert unser Korrespondent Tobias Peter.

Endlich, nach wieder einmal langem Gezerre in der Koalition, steht es fest: Die Kindergrundsicherung wird kommen. Oder aber: Zumindest hat die Ampel sich auf Eckpunkte geeinigt. Wird damit Kinderarmut in unserer Republik bald Geschichte sein? Die Antwort lautet eindeutig: nein. Das muss auch Familienministerin Lisa Paus zugegeben. Als sie mit Finanzminister Christian Lindner am Montag vor die versammelte Hauptstadtpresse treten musste, war die Grünen-Politikerin merklich zerknirscht. Und das zu Recht.

Paus hat sich im Laufe der Verhandlungen über das zentrale Projekt ihrer Amtszeit gleich mehrfach verzockt. Erst bezifferte sie den zusätzlichen Finanzbedarf für die Kindergrundsicherung auf zwölf Milliarden Euro. Als Lindner sie abblitzen ließ, waren es plötzlich nur noch bis zu sieben Milliarden Euro. Bekommen hat sie für das Jahr 2025 nun 2,4 Milliarden Euro – kaum mehr als das, was Lindner ohnehin als Merkziffer in die Haushaltsplanung hineingeschrieben hat.

Der Kern der Reform

Dass Kinderarmut mit dem Gesetz nicht komplett besiegt werden kann, bedeutet nicht, dass es nicht seinen Wert für Kinder und Familien hätte. Richtig ist: Die Ampel hat mit der Kindergelderhöhung bereits einiges für Familien getan. Der Kindersofortzuschlag für arme Kinder und Jugendliche, den es im Vorgriff auf die Kindergrundsicherung gegeben hat, wird nun dauerhaft abgesichert. Das verändert nicht die Welt, ist aber besser als nichts.

Der Kern der Reform ist ohnehin ein anderer: Durch die Bündelung von Leistungen soll es gelingen, dass künftig bei mehr Familien das Geld ankommt, das ihnen zusteht. Dabei geht es insbesondere um die „Working Poor“, also um die Familien mit Eltern, die arbeiten, aber trotzdem nicht genug zum Leben haben. Durch Digitalisierung von Antragswegen und Automatisierung sollen sie es künftig leicht haben, an ihr Geld zu kommen. Bisher galt zu oft das Prinzip: Der Staat bietet Hilfe an. Und freut sich heimlich, wenn es nur wenige bemerken. Damit soll Schluss sein.

Die Bundesregierung wird sich daran messen lassen müssen, wie gut es am Ende tatsächlich gelingt, den Kreis der Empfänger auszuweiten. Bis 2025 ist zwar noch Zeit. Aber wer gesehen hat, wie schwer sich die Ampel getan hat, an Studierende mit Hilfe eines Online-Portals eine Einmalzahlung von 200 Euro in der Energiekrise zu bringen, ahnt Schlimmes. Die Ampel hat hier noch viele Möglichkeiten, sich zu blamieren. Man muss im Sinne der Betroffenen darauf hoffen, dass sie möglichst wenig Gebrauch davon macht.

Verliererin im politischen Streit ist Familienministerin Paus. Das ist schade – denn wenn sie geschickter gewesen wäre, hätten viele Kinder stärker von der Reform profitieren können. Dass Paus im Streit über Geld für die Kindergrundsicherung zwischenzeitlich das Wachstumschancengesetz des Finanzministers gestoppt hat, hat ihr nicht einen Euro zusätzlich eingebracht. Sie ist konzeptionslos vorgegangen – und es ist ihr nicht gelungen, die Öffentlichkeit bei dem hochemotional besetzten Thema Kinderarmut zu ihrem Verbündeten zu machen.

Es geht auch um Bildung

Lindner wiederum hat geschickt agiert, als er den Fokus darauf richtete, es sei wichtiger, Geld für Integration und Bildung als für die Kindergrundsicherung auszugeben. Als würde das eine das andere ausschließen. Daran, ob hier künftig mehr investiert wird, sollte man ihn und die Bundesregierung messen. Bessere Bildungschancen für alle führen auf Dauer auch zu mehr Gerechtigkeit. Geredet wird darüber viel. Getan wird immer viel zu wenig.

Für die Verfechter einer Kindergrundsicherung wiederum gilt: Der Kampf gegen Kinderarmut ist offenbar keiner, der in einer einzigen Schlacht gewonnen wird. Jetzt heißt es: Nicht aufgeben! Weiterarbeiten!