Robert Sesselmann ist der erste AfD-Landrat in Deutschland. Foto: dpa/Martin Schutt

Der erste AfD-Landrat in einer deutschen Kommune sorgt bundesweit für Reaktionen. Drei Landräte in der Region Stuttgart schildern, wie sie das Wahlergebnis im thüringischen Sonneberg bewerten – und wie es aus ihrer Sicht nun weitergeht.

Sonneberg ist mit gut 56 000 Einwohnern der zweitkleinste Landkreis in Deutschland. Dass sich seit Sonntag bundesweit Politiker aller Lager zum Ausgang der Landratswahl in Thüringen äußern, hat einen bestimmten Grund: Zum ersten Mal hat sich in einer deutschen Kommune bei einer Landratswahl ein AfD-Kandidat durchgesetzt.

AfD profitiert von umstrittenen Themen

Für drei Landräte aus der Region Stuttgart ist die Wahl des AfD-Politikers Robert Sesselmann auch ein Ausdruck des Höhenflugs der rechtspopulistischen Partei. „Die Wahl des ersten AfD-Landrats in Deutschland hat Signalwirkung, sie kommt aber auch nicht völlig überraschend“, sagt der parteilose Böblinger Landrat Roland Bernhard. In der Bevölkerung umstrittene und in der Berliner Ampel-Regierung kontrovers diskutierte Themen seien mitverantwortlich für den Aufwärtstrend der AfD. „Ich ordne das Ergebnis der Wahl als Replik auf die Politik der Ampel im Bund ein, Stichwort: Heizungsgesetz und Flüchtlingsaufnahme“, sagt Bernhard.

Der Erfolg des AfD-Kandidaten „sollte ein Ansporn sein für die etablierten Parteien und die Ampel-Koalition, noch mehr beim Bürger zu überzeugen im politischen Wettstreit“, meint der Böblinger Landrat. Gerade beim brisanten Thema Flüchtlinge rechnet Bernhard mit Konflikten, auch weil ein Landrat bei der Umsetzung von Gesetzen einen gewissen Handlungsspielraum habe. „Bei der Aufnahme von Flüchtlingen ist jeder Landrat an die jeweiligen Landesgesetze gebunden und verpflichtet, Flüchtlinge aufzunehmen. Bei der Qualität der Aufnahme gibt es aber Unterschiede. Die Befürchtung, dass ein AfD-Landrat hier anders agieren könnte, ist nicht von der Hand zu weisen“, so Bernhard. Die Mindestvorgaben ließen sich allerdings nicht umgehen.

„Wahl zeigt Stimmungsbild in den neuen Bundesländern“

Die Nachricht, dass mit Sesselmann die AfD zum ersten Mal in Deutschland einen Landrat stellt, hat auch den Ludwigsburger Landrat Dietmar Allgaier nicht wirklich überrascht. „Es hatte sich im Vorfeld abgezeichnet.“ Die Wahl zeige das Stimmungsbild, das sich in den neuen Bundesländern, stärker als in den alten Bundesländern abzeichne, meint der CDU-Politiker. Anders als in Baden-Württemberg werde das Amt per Volkswahl vergeben – und nicht vom Kreistag. „Und viele halten die AfD offenbar für politikfähig. Das ist erschreckend“, so Allgaier. Sesselmann müsse sich an seiner Amtsführung und an seiner Arbeit messen lassen. Er kenne Sesselmann nicht persönlich und maße sich deshalb auch kein Urteil über ihn an. „Ich hoffe aber, dass er sich im Rahmen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewegt.“

Für den ebenfalls parteilosen Landrat im Rems-Murr-Kreis, Richard Sigel, ist die Wahl „ein Alarmsignal und ein Weckruf für alle politischen Gruppierungen, wenn man selbst bei einem parteiübergreifenden Zusammenschluss die Wahl eines nicht gewünschten AfD-Landrats nicht mehr verhindern kann“. Die anderen Parteien müssten dem nun mit guter Sachpolitik sowie Kandidaten und Kandidatinnen begegnen, denen die Menschen vertrauten. Sigel plädiert hinsichtlich der AfD für einen „sachorientierten Umgang, allerdings ohne extremistischen Ansichten jeder Art eine Plattform zu bieten“. Im Rems-Murr-Kreis „behandeln wir alle Kreistagsmitglieder gleich“. Illusionen, dass das Wahlergebnis ein Zufallstreffer der AfD ist, macht sich Sigel nicht: „Das Wahlergebnis und alle Umfragen lassen einen klaren Trend erkennen: Die AfD kann Stand heute mit weiteren Erfolgen bei Wahlen (auf allen Ebenen) rechnen“, meint der Landrat im Rems-Murr-Kreis.