Ein europäischer Wolf mit einem Welpen. Foto: IMAGO/imagebroker/IMAGO/imageBROKER/Ronald Wittek

Im Schwarzwald ist eine Wölfin gesichtet worden. Nun gibt es Spekulationen über eine mögliche Rudelbildung im Land. Wie ein Nabu-Experte diese Chance bewertet und welche Folgen dies für Menschen und Tiere in der Region hätte.

Kurz vor dem Valentinstag wurden sie per Fotofalle gesichtet: Zwei Wölfe nahe des Schluchsees (Kreis Waldshut) im Südschwarzwald. Wolfsexperten von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg (FVA) halten es für sehr wahrscheinlich, dass es sich um einen männlichen und einen weiblichen Wolf handelt. Und nun stellt sich die Frage, ob aus dem Zusammentreffen der Tiere mehr entstehen könnte. Ein Experte des Naturschutzbundes (Nabu) Baden Württembergs erklärt, warum es mit dem Nachwuchs bei Wölfen nicht ganz so einfach ist und was eine Rudelbildung für die Menschen im Schwarzwald bedeuten könnte.

Gab es schon einmal Paarungsversuche bei Wölfen in Baden-Württemberg?

Nein. Der genetische Nachweis eines weiblichen Wolfes, einer sogenannten Fähe, Anfang Januar im Münstertal im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald, ist eine Premiere. „Wir wissen bislang nur von drei sesshaften Rüden, die im Schwarzwald herumstreifen“, sagt Johannes Enssle, Vorsitzender des NABU-Landesverbandes Baden-Württemberg. Die Fähe mit der wissenschaftlichen Bezeichnung GW2407f (Haplotyp HW01) war bereits in der länderübergreifenden Datenbank am Senckenberg-Zentrum registriert. Das Wildtier ist vermutlich 2021 in Billenhagen (Mecklenburg-Vorpommern) auf die Welt gekommen. „Sollte die Fähe tatsächlich noch weiter in der Region sein, könnte es zu einer Paarbildung kommen“, sagt Enssle.

Johannes Enssle Foto: Nabu

Wann könnten die Wolfsbabys zur Welt kommen?

Die typische Paarungszeit für Wölfe ist im Spätwinter, sagt Enssle. Daher wäre es durchaus möglich, dass es jetzt durch eine Paarung auch zu Nachwuchs kommen könnte. Allerdings gehört dazu auch viel Glück: Denn weibliche Wölfe sind nur einmal im Jahr für fünf bis sieben Tage empfängnisbereit. „Wenn alles klappt, könnte der Wurf im April und Mai geboren werden, denn die Tragezeit einer Fähe beträgt neun Wochen, sagt Enssle. Es wäre dann die erste Rudelbildung in Baden-Württemberg. Ein Rudel besteht aus einem Paar und mindestens einem Nachkommen. Zum Vergleich: Deutschlandweit wurden laut Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg (FVA) im Monitoringjahr 2021/2022 161 Wolfsrudel, 43 Paare und 21 territoriale Einzeltiere erfasst.

Was würde ein solches Rudel für die Menschen im Land bedeuten?

Mehr Wölfe im Land bedeuten nicht unbedingt eine größere Gefahr von Übergriffen auf Nutztiere, sagt Johannes Enssle. Wichtiger ist es, die Herdenschutzmaßnahmen konsequent umzusetzen. „Landwirte, die Nutztiere halten, sollten vom Land, den Kommunen und der Gesellschaft die bestmögliche Unterstützung erhalten, um beispielsweise wolfsabweisende Schutzzäune aufzustellen oder Ställe zu errichten, in denen die Tiere nachts untergebracht werden können.“ Diese Maßnahmen seien grundsätzlich nötig – ganz unabhängig davon, ob es zu einer Rudelbildung kommt oder nicht. „Die Sorgen der Tierhalter müssen ernst genommen werden, denn wir brauchen die Tierhaltung und viele haben schon heute Schwierigkeiten ihre Betriebe zu erhalten“, sagt Enssle. Nur dann kann es zu einem konfliktfreien Nebeneinander von Wolf und Mensch kommen. Grundsätzlich ist die Sichtung einer Wölfin und die Chance auf eine Rudelbildung ein Erfolg für die Naturschutzbemühungen vergangener Jahrzehnte. „Bei allen Herausforderungen die damit verbunden sind, der Wolf ist ein Heimkehrer, wir sollten ihm eine Chance geben.“