Schlangen am Tafelladen in Böblingen Foto: Stefanie Schlecht

Vom großen Kuchen bleiben für viele nicht mal mehr die Krümel übrig.

Hurra, es gibt sie doch noch, die positiven Schlagzeilen. Wenigstens für kurze Zeit, so lange, bis die traurige Nachricht vom Tod der Queen alles andere überlagerte. Keine Mutmaßungen bis dahin auf den Titelseiten, wer wann und wo eine Maske gegen das kleine, fiese Coronavirus tragen muss (bis der Bundestag doch noch die Maßnahmen für den Herbst beschloss). Keine grausigen Details von der Kriegsfront mit dem nicht ganz dezenten Hinweis, wir hier würden Pennys zählen, in Ukraine zählen sie die Leichen. Keine neuen Horrormeldungen über Gas-, Strom- oder Benzinpreise. Ja, hat sich denn die immer mehr aus den Fugen geratende Welt, die ohne Queen Elizabeth II. um ein Vielfaches ärmer geworden ist, doch wieder zum Besseren gewandelt?

Das Zauberwort hieß: Porsche. Der Automobilkonzern mit seinem Entwicklungszentrum in Weissach plant den Börsengang. Ein Milliardengeschäft. Man sieht förmlich das Dollar- und Eurozeichen in den Augen der Spekulanten und Kleinanleger funkeln, die gerne ein Stück vom großen Kuchen wollen. Die Geldgier ist geweckt. Porsche, die unerschütterliche Luxusmarke. Wer noch schnell beim neuen Vorstandsvorsitzenden Oliver Blume vorbeischaut, um sich vorzustellen und um mitsprechen zu können, macht das. Man will ja dazugehören. Eine Haltung, die durch manche Politiker ins Parlament verlängert wird.

Nachfrage nach dem 911er-Modell ungebrochen hoch

Dazu passt auch die Nachricht, dass die Nachfrage nach dem 911er-Modell ungebrochen ist. Wer vor einem Jahr schon einen wollte, kann ihn sich jetzt immer noch leisten. Locker sogar. Die Konjunktur brummt also doch, zumindest in diesem Segment. Was spielt es da für eine Rolle, dass dafür der Bäcker um die Ecke vorübergehend schließen soll, wenn er sein Gas nicht mehr bezahlen kann oder die Kunden wegbleiben. Brötchen oder Luxusauto? Möglicherweise stellt sich diese Frage tatsächlich bald.

Täuscht der Eindruck, oder ist es wirklich so, dass auch hier im Kreis Böblingen noch nie so viele Porsches auf den Straßen unterwegs waren? Als Sahnehäubchen dazu passt die Meldung, dass ein Porsche-Fahrer auf Entschädigung klagte, weil er nach einem Unfall auf einen Ford Mondeo umsteigen musste. Das Fahrvergnügen sei erheblich beeinträchtigt. Dabei hatte er noch vier weitere Autos in der Garage stehen. Ganz schön dicke Hose. Wenigstens passierte dieser Vorgang nicht bei uns vor der Haustür.

Was dafür wohl unsere Porsche-Fahrer denken, wenn sie morgens gelassen die Sindelfinger Straße in Böblingen hinuntercruisen. Und die zunehmende Zahl an Menschen an der Alten Burg nicht übersehen. Zur Erklärung: Dort befindet sich der Tafelladen. Worüber sich die Leute in der Schlange sicher nicht unterhalten: ihren nächsten Ferienflug, der ja Gott sei Dank gesichert wäre, nachdem sich die Lufthansa-Piloten mit Gehältern zwischen 69 000 Euro zum Einstieg und 275 000 Euro als Obergrenze durch eine Streikandrohung ein ordentliches Plus sicherten. Gut so, nachdem sie beim dritten Entlastungspaket der Bundesregierung geflissentlich übergangen wurden. „Alter Neidhammel“, werden jetzt die einen sagen. „Recht hat er“, vielleicht ein paar andere.

Schlangen vor den Tafelläden ungebrochen lang

Die Menschen vor dem Tafelladen dürfte jedenfalls eher beschäftigen, was sie wohl in den Regalen finden, wenn sie nach langem Warten endlich eingelassen werden. Für sie reicht’s nur noch zum Nötigsten, die Porsche-Aktie gehört sicher nicht dazu.

Auf solche Unwuchten hinzuweisen, gerade in dieser Zeit, und das auch auf streitlustige Art, gehört zu den Aufgaben der Presse. Zeitungen gelten immer noch als Kulturgut. Ein Glück nur, dass sie nicht auf Toilettenpapier gedruckt werden, Hakle hat Insolvenz angemeldet.