„#WirWerdenLaut“: Marlon Vetter (links) und Petros Pennolidis aus Gärtringen sind dabei. Foto: Stefanie Schlecht/Stefanie Schlecht

Schülervertreter fordern mehr Schutz, das Aussetzen der Präsenzpflicht und Mitsprache. Zwei Schüler aus Gärtringen werden so über Nacht berühmt.

Gärtringen - Marlon Vetter und Petros Pennolidis können noch gar nicht so richtig glauben, wie groß das Interesse an ihnen plötzlich ist. Unter den Schülersprechern in Baden-Württemberg sind sie über Nacht berühmt geworden. Die beiden Zehntklässler von der Theodor-Heuss-Realschule in Gärtringen sind zwei von drei Schülervertretern aus dem Südwesten, die zusammen mit mehr als hundert Schülervertretern und einigen Wissenschaftlern im Netz unter dem Hashtag „#WirWerdenLaut“ einen offenen Brief geteilt haben.

Darin wenden sich die Jugendlichen, die mehrheitlich aus Berlin und Nordrhein-Westfalen kommen, an Politiker wie Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Der Brief hat sich zu einer Online-Petition ausgewachsen, die inzwischen mehr als 80 000 Unterzeichner gefunden hat. Angesichts der steigenden Infektionszahlen in den Schulen fordern sie unter anderem Luftfilter, kostenlose FFP2-Masken, kleinere Lerngruppen und PCR-Pooltests. Die Situation an den Schulen sei „unerträglich geworden“, die „Belastungsgrenze erreicht“. Die Schülervertreter fordern darum ein Aufheben der Präsenzpflicht.

Entscheidungsfreiheit mit Blick auf die Großeltern

Das wollen auch der 16-jährige Marlon Vetter und sein Co-Schulsprecher Petros Pennolidis (15) erreichen. „Die Eltern sollen mitentscheiden können, wie die Kinder unterrichtet werden.“ Zwar empfinden sie die Situation an ihrer Schule noch nicht als dramatisch, doch die Entscheidungsfreiheit sei sehr wichtig, vor allem mit Blick auf die Großeltern oder andere Personen mit erhöhtem Risiko.

Die beiden Abschlussschüler betonen aber auch, dass an ihrer Schule schon einige zusätzliche Schutzmaßnahmen umgesetzt seien: „Wir haben bei uns in jedem Klassenzimmer Luftfilter, und wenn jemand eine Maske zum Beispiel verloren hat, kann er für 50 Cent eine neue kaufen“, erzählt Pennolidis. „Wir wissen aber von anderen Schulen, dass sie nicht so gut ausgestattet sind und wollen unterstützen“, erklärt Vetter das Engagement. Die Reaktionen von Mitschülern und Lehrern auf die Initiative seien bislang „nur positiv“ gewesen.

Der Landesschülerbeirat wünscht sich mehr Kontakt zum Ministerium

Die Forderungen der Jugendlichen sind nicht neu. Sie werden diesmal von den Initiatoren nur sehr viel lauter im Netz und in den Medien vorgetragen. Der Berliner Abiturient Anjo Genow, der beratendes Mitglied des Landesschülerausschusses in Berlin ist, erwägt etwa öffentlich einen Schulstreik.

So weit wollen die Schüler im Südwesten dagegen noch nicht denken. „Wir versuchen als Beratungsgremium des Ministeriums unseren Wirkungsraum auszuschöpfen“, sagt die Sprecherin des Landeschülerbeirates (LSBR) Elisabeth Schilli. Dass der nicht so groß ist, wie sie es sich wünschen würde, lässt sie aber durchblicken: „Wir haben Austausch mit dem Kultusministerium, aber da ist noch ganz viel Luft nach oben.“ Ein Aussetzen der Präsenzpflicht fordert der LSBR schon länger, am Unterricht im Klassenzimmer hält er aber fest. „Solange man noch ins Café gehen kann, muss man auch noch in die Schule können.“ Innerhalb der Schülerschaft gebe es aber sehr unterschiedliche Meinungen. Von „Es ist gerade alles viel zu gefährlich“ und „Man sollte nicht mal mehr Masken tragen“ sei alles dabei, schildert Schilli das Meinungsspektrum.

„Mit uns reden, nicht über uns!“

Ein Mitspracherecht war es auch, dass Petros Pennolidis und Marlon Vetter in erster Linie erreichen wollten. „Bevor eine neue Maßnahme oder Regelung beschlossen wird, sollte es eine Konferenz mit Lehrern, Schülern und Eltern geben“, sagt Pennolidis. Vetter ergänzt: „Es soll nicht über uns geredet werden, sondern mit uns hier vor Ort.“

Dem kann Schilli nur zustimmen. Von der Lockerung der Quarantänebestimmungen etwa erfuhr der LSBR über Nacht, er hält sie für falsch. Die Forderungen der Petition kann Schilli „zu hundert Prozent nachvollziehen.“ Überrascht ist sie von der „wahnsinnigen Reichweite“, die „#WirWerdenLaut“ und mit ihr die beiden Gärtringer erreicht haben. „Wir fordern schon seit zwei Jahren Lüftungsgeräte, Pool-Tests und eine starke digitale Infrastruktur. Wir fragen uns natürlich auch: Wo bleibt das ganze Zeug?“

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