Queere Geflüchtete benötigen einen besonderen Schutz, so der Sprecher für Queerpolitik Oliver Hildenbrand. Foto: Eibner-Pressefoto/Michael Memmler

Das Land Baden-Württemberg fördert die Beratung queerer Geflüchteter. Das neue Projekt soll auch dazu beitragen, Diskriminierungen abzubauen. Ein Besuch bei der Stuttgarter Beratungsstelle.

Das Café der Weissenburg liegt ganz versteckt in einem Hinterhof im Stuttgarter Heusteigviertel. An der Wand hängt eine Speisekarte. In einem Schrank stapeln sich Karten- und Brettspiele. Würde das große regenbogenfarbene „W“ im Namen draußen am Gebäude nicht verraten, für wen der Treffpunkt ist – man würde es spätestens an den vielen Flyern in den Drehständern erkennen. Fünf Tage die Woche kommen hier Menschen der LSBTIQ-Szene, das bedeutet lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie queere Menschen, zusammen.

Doch die Weissenburg ist nicht nur für deutsche Staatsbürger eine Anlaufstelle. Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter setzen sich auch dafür ein, dass LSBTIQ-Geflüchtete Unterstützung erhalten. Neben einer Beratung zu Asylfragen, die in Kooperation mit Amnesty International Stuttgart angeboten wird, unterstützen die Helferinnen und Helfer auch bei Fragen wie die zur Unterbringung und Arbeitssuche. Zweimal im Monat gibt es zudem ein Gruppentreffen für queere Geflüchtete.

Manche Geflüchtete müssen drei Stunden zur Beratung anfahren

Das Problem: Das Einzugsgebiet des Weissenburg-Vereins reicht von Wangen im Allgäu bis nach Crailsheim. Damit die Menschen aus den zugewiesenen Landeserstaufnahmestellen (Sigmaringen und Ellwangen) oder Erstaufnahmeeinrichtungen (Tübingen und Giengen) zur Beratung kommen können, benötigen sie eine Verlassenserlaubnis, und „niemand fährt für eine Stunde Beratung drei Stunden hin und wieder zurück“, sagt die Sozialpädagogin Danielle Gehr.

Sie und ihre Kollegin Julie Jethon kümmern sich deshalb auch darum, Ansprechpartner in den Kommunen, Gruppenangebote und eine psychologische Beratungsstelle sowie Dolmetscher in der Nähe der Unterkunft zu finden. „Es geht darum, Strukturen zu schaffen, damit die Menschen in ihrer Umgebung betreut werden können und nicht drei Stunden zu einer Beratung fahren müssen“, sagt Julie Jethon.

„Der Bedarf an einem speziellen Angebot für queere Geflüchtete ist hoch“

Dafür stellt das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg in drei Phasen bis Ende 2025 eine Förderung von insgesamt 375 000 Euro zur Verfügung. Neben der Weissenburg koordinieren der Verein PLUS Rhein-Neckar mit Standorten in Mannheim und Heidelberg sowie Rosa Hilfe e.V. in Freiburg das Projekt.

„Die Anfragen bei den Community-basierten Beratungsstellen zeigen, dass der Bedarf an einem speziellen Angebot für queere Geflüchtete hoch ist und weiter steigt“, sagt Oliver Hildenbrand, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Landtag von Baden-Württemberg und Sprecher für Queerpolitik. „Deshalb freue ich mich sehr, dass unser Sozialminister Manne Lucha dieses wichtige Projekt finanziell fördert und politisch unterstützt.“

Das neue Projekt soll Betroffene bei Diskriminierungsfällen individuell begleiten und beraten. Daneben sollen Gruppen-Angebote für queere Geflüchtete eingerichtet und eine bessere Anbindung an die Community vor Ort gefördert werden. Auch themenspezifische Schulungen für Fachkräfte und Ehrenamtliche, die mit geflüchteten Menschen arbeiten, sind vorgesehen. „Das neue Projekt soll so dazu beitragen, queere Geflüchtete umfassend zu stärken und Diskriminierungen abzubauen“, so Hildenbrand.