Die Betreiber der S-Bahn geben 2500 Brezeln und 6000 Becher Kaffee binnen zwei Tagen aus, damit die Pendler den Stress besser wegstecken. Manche Busse vom Schienenersatzverkehr sind proppevoll.
Ein Mann, seine Ziehharmonika – und fast kein Mensch, der ein paar Groschen oder einen Euro ins bereitgestellte Behältnis wirft. Die Fußgängerunterführung am Fellbacher Bahnhof hat noch selten so einsame Momente erlebt wie am Dienstagmorgen. Der Bahnsteig 3 ist komplett verwaist – was kein Wunder ist, denn vor dem Treppenaufgang versperrt ein riesiges Transparent den Weg. Alsbald packt der Musiker seine Siebensachen, erst zur Mittagszeit spazieren einige Beschäftigte aus dem nördlich gelegenen Büropark auf dem Weg zum Mittagsimbiss durch die Unterführung.
Viel Ruhe entlang der Gleise
Diese tägliche und nächtliche Ruhe genießen derzeit auch die nicht eben wenigen Anwohner entlang der noch weitere knapp elf Wochen gesperrten Schienenstrecke gen Bad Cannstatt. Immerhin, vor dem Bahnhofsgebäude warten etliche Passagiere, um mit dem Schienenersatzverkehr gen Cannstatt oder Stuttgart zu zuckeln.
Ganz anders allerdings das Gewusel am Waiblinger Bahnhof und speziell an der langen Ersatzbusstation an der Dammstraße. Immerhin, bereits am frühen Morgen dürfen sich die Fahrgäste am zentralen Imbissstand nahe dem Radparkhaus oder bei den umher schwirrenden Helfern mit Äpfeln, Gesundheitsriegeln oder Kaffee versorgen – was als Nebeneffekt überquellende Mülltonnen zur Folge hat.
Damit die langen Wege annehmlicher werden
Damit sollen die Fahrgäste den Stress beim Pendeln offenkundig besser wegstecken. „Bei hohem Fahrgastaufkommen ist auch Geduld gefragt“, erläutert ein Sprecher der S-Bahn Stuttgart auf Nachfrage unserer Zeitung. Durch die Versorgung mit Kaffee und Snacks oder kleinen Süßigkeiten „werden die längeren Wege für die Fahrgäste annehmlicher“. Und die Betreiber der S-Bahn legen sich diesbezüglich durchaus ins Zeug: Der Kaffeeausschank hat am vergangenen Samstag begonnen und dauert und noch bis Freitag, 19. Mai, täglich von 5 bis 20 Uhr. „Am vergangenen Samstag und Sonntag wurden bereits 5000 Kaffee, 5000 Wasserpacks, 10 000 Müsliriegel und 2500 Brezeln verteilt“, berichtet der Bahnsprecher.
Und der Stressabbau scheint durchaus nötig: Denn manche Busse vom Schienenersatzverkehr sind in den morgendlichen Stoßzeiten proppevoll. Vor allem, wenn eine der S-Bahnen aus Backnang oder Schorndorf an der aktuellen Endstation im Waiblinger Bahnhof angekommen ist, strömen die vielen Menschen, die aus dem Rems- oder Murrtal nach Fellbach oder Stuttgart pendeln, zu den Haltestellen in die Dammstraße. Und da gilt es aufzupassen, in welchen Bus man einsteigt. Manche Busse rollen von Waiblingen als Expressbusse zum Stuttgarter Hauptbahnhof, andere nach Bad Cannstatt, und manche machen einen Stopp in Fellbach.
Zahlreiche „Reisendenlenker“, etliche Reporter
An den Haltestellen steht Servicepersonal bereit – zu wenige Kräfte, so der Eindruck, sind es eher nicht – und lenkt die Massen zu den entsprechenden Bussen. Am frühen Montagmorgen ist die Dichte an Servicekräften übrigens fast so groß wie die der Reporterschar: Ein halbes Dutzend Tageszeitungsjournalisten wuselt durch die Gegend, Radioreporter befragen wartende Passagiere, ein Kamerateam fängt den Radlertross ein, der am Morgen vom Bahnhofsparkhaus aus die beste Tour gen Fellbach und Stuttgart erkundet – zu besichtigen in der Landesschau am Montagabend.
Die Pressevertreter sind allerdings nicht der Grund, warum in dem Durcheinander nicht immer alles klappt. Schon das unterschiedliche Outfit der Busse finden manche verwirrend. Doppeldecker fahren beim Ersatzverkehr genauso wie Linienbusse. Und unterwegs läuft auch manches schief. So berichtet eine Pendlerin, die eigentlich nach Fellbach wollte, dass sie versehentlich in einen Expressbus nach Bad Cannstatt geschickt wurde. Die Leute im Bus hätten Stopp gerufen und seien dann an einer Stadtbahnhaltestelle ausgestiegen und wieder zurück nach Fellbach gefahren. „Ich bin dann bei der Haltestelle nahe Pflanzen Kölle wieder ausgestiegen und den Rest zu Fuß zu meiner Arbeit gegangen“, erzählt die Frau.
Zwischen Pendlern und Ersatzbussen muss es sich einpendeln
Manches muss sich also noch einpendeln zwischen S-Bahnen, Ersatzbussen und Pendlern, ehe Ende Juli dann hoffentlich wieder Normalität einkehrt.