Zur Milderung der Bahn-Streckensperrungen warten Waiblingen und Fellbach mit einem umfassenden Angebot für Radler auf. So wird der Bauzaun am Schwabenlandtower verschoben, an anderer Stelle müssen Autos weichen.
Der Schreckensszenarien gibt es viele: Noch längere Staus vor dem Kappelbergtunnel, vollgestopfte Ersatzbusse, die doppelt so lange wie geplant benötigen, vom Bahnsteig zu den Bussen hetzende Berufspendler, die sich mit Hunderten anderen vor der Eingangstür zum Omnibus rangeln und Konkurrenten gnadenlos aus dem Weg schubsen. Ob sich Befürchtungen wie diese bewahrheiten, wenn an diesem Freitagabend die Streckensperrung des Schienenverkehrs zwischen Waiblingen und Stuttgart kommt, lässt sich kaum seriös voraussagen. Genauere Erkenntnisse liefert vermutlich der erste Werktag in der kommenden Woche.
Pop-up-Radwege entstehen quasi über Nacht
Die Zug-Kalamitäten bescheren der Radlobby jedoch einen Schwung bezüglich der propagierten Verkehrswende. Mit der Folge, das manches möglich wird, was wenige Tage zuvor noch jenseits jeglicher Vorstellungskraft schien. Es gibt nun quasi über Nacht zu Pop-up-Radwegen umgewidmete Straßen, für Fahrradabstellplätze freigeräumte Parkhausebenen und auch zackig aus dem Weg geräumte Baustellen.
Es hat sich jedenfalls allerhand getan in jüngster Vergangenheit in Waiblingen wie in Fellbach. Unterstützt bei dieser punktuell schnellen Verbesserung der Radinfrastruktur werden die beiden Großen Kreisstädte durch die Initiative Radkultur, den Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) und das Stuttgarter Verkehrsministerium.
Ein Auto-Parkhaus wird zum Rad-Parkhaus
So wird in Waiblingen die untere Ebene des Parkhauses Innerer Weidach auf der Südseite des Bahnhofs ab 12. Mai für elf Wochen zu einem Mini-Fahrradparkhaus umfunktioniert. Rund 100 Räder können über Nacht abgestellt und an eigens aufgestellten Bauzäunen angeschlossen werden. Das Parkhaus ist nachts abgeschlossen. Der Weg in dieses „Bike-and-Ride-Parkhaus“, wie die Stadt es bezeichnet, wird durch Bodenmarkierungen kenntlich gemacht. Am Parkhaus selbst und an der Ecke von Stuttgarter Straße und Innerer Weidach (am Jugendhaus) werden Banner angebracht. Der barrierefreie Eingang wird zu den Öffnungszeiten auf sein, Radelnde können einfach, gebührenfrei und unkompliziert ihr Rad abstellen.
„Von 6 bis 21 Uhr wird zusätzlich eine Security-Person vor Ort sein“, teilt die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit im Waiblinger Rathaus auf Anfrage unserer Zeitung mit. Alternativ gibt es Fahrradbügel am Parkhaus, hinter dem Fahrradtower und am Eingang zur Unterführung auf Seite des Ameisenbühls. Andere ähnlich sichere Abstellmöglichkeiten sind begrenzt: Sowohl die Fahrradboxen als auch das Radhaus seien voll besetzt, teilt die Stadt mit.
37 Parkplätze in Waiblingen fallen weg
Überdies wird in Waiblingen die Stuttgarter Straße, die Hauptradverbindung in Richtung Fellbach, durch sogenannte Pop-up-Maßnahmen für den Radverkehr attraktiv umgestaltet: Es wird eigene, temporäre Radspuren geben. Der verkehrsberuhigte Teil der Stuttgarter Straße wird vorübergehend zur Fahrradstraße umfunktioniert, Hindernisse entfernt. Was sicher etliche Anwohner nicht begeistern wird: 37 öffentliche Parkplätze fallen dieser Aktion zum Opfer. Die Stadt verweist als Alternative auf das Park-and-Ride-Haus am Bahnhof.
In Fellbach sind nach Angaben der Mobilitätsbeauftragten Birgit Orner mehrere Schwerpunkte zur Verbesserung der Radstrecke vorgesehen. So wird die Fuß- und Radwegverbindung am Schwabenlandtower in Form eines baulich getrennten, durchgängigen 2,75 Meter breiten Geh- und Radwegs wiederhergestellt. Möglich wird dies, weil der an die Straße grenzende Bauzaun des Towers versetzt wird. Die Adler Group, der die zuletzt als Baustellenaufstellbereich genutzte Fläche gehört, hatte dem von Oberbürgermeisterin Gabriele Zull übermittelten Wunsch der Stadt ebenso kurzfristig zugestimmt wie die Betreiber des daneben liegenden McDonald’s-Schnellimbisses, wo es eine veränderte übersichtlichere Zu- und Abfahrt gibt. „Wir sind dankbar, dass dies so schnell möglich war“, erklärt Orner.
Neuer Asphalt für Fuß- und Radweg
Verkehrsteilnehmer konnten am Dienstag und Mittwoch beobachten, wie am dortigen Fellbacher Ortseingang am Fuße des Super-Hochhauses bereits die neue Asphaltdecke für die Fuß- und Radspur aufgebracht wurde. Die Neumarkierung soll an diesem Donnerstag ab 8 Uhr erfolgen, „sofern der Belag trocken genug dafür ist“. Die Freigabe dieser Spur werde „schnellstmöglich erfolgen“. Der Vorteil für Radler ist signifikant, bedeutet dies doch, dass für sie statt der bisherigen Umleitungen und mehrfachen Ampelüberquerungen nun der direkte Weg in Richtung Westen möglich ist.
Weitere Verbesserungen sind nahe der Friedrich-List-Straße vorgesehen. Hier gibt es eine kritische Stelle, an der zwei ungünstig stehende Laternen versetzt werden, außerdem wird ein Sicherheitsabstand zu den Parkplätzen markiert, um die Dooring-Gefahr, also Unfälle durch geöffnete Fahrzeugtüren, zu minimieren. Am Stuttgarter Platz gibt es eine Rotmarkierung der Furten. Und die Nebenfahrbahn zwischen der Höhenstraße und dem Ortsausgang Fellbach in Richtung Cannstatt wird als Fahrradstraße ausgewiesen. „Grundsätzlich sollen rote Schutzmarkierungen mehr Aufmerksamkeit und damit auch mehr Rücksichtnahme generieren“, heißt es vonseiten der Stadt.
Neue Fahrradabstellanlage beim F3-Bad
Auch in Fellbach wird eine neue, für die Dauer der Bahn-Sperrung bis Ende Juli geltende Fahrradabstellanlage errichtet, und zwar in Nähe des F3-Kombibads, also unweit der Stadtbahn-Haltestelle Schwabenlandhalle. Der Bereich wird von 6 bis 21 Uhr durch einen Ordnungsdienst überwacht.
Und schließlich erhalten Waiblingen wie Fellbach von der Bahn je 30 bis 40 neue Leihräder. In Fellbach konnten diese am Mittwoch nahe der Pedelecstation an der Bahnunterführung schon besichtigt werden.