Junge Migranten setzen oftmals eher aufs schnelle Geldverdienen statt – wie hier – auf die Suche nach einem Ausbildungsplatz. Foto: imago images/ /Monkey Business

In Baden-Württemberg haben fast 380 000 Erwachsene bis 34 Jahre keine Berufsausbildung. Gerade junge Menschen mit Migrationserfahrung suchen den Direkteinstieg in Arbeit. Regierung, Arbeitsagentur, Wirtschaft und Gewerkschaften wollen ihre Anstrengungen verstärken.

Viel Licht und Schatten offenbart sich nach dem Start des Ausbildungsjahres: „Der Ausbildungsmarkt hat sich erholt – das Niveau ist ungefähr auf dem Vorjahr geblieben“, sagte Wirtschaftsminister Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) nach einem Spitzengespräch zur Ausbildungssituation. Demnach stehen fast 80 000 gemeldeten Berufsausbildungsstellen noch knapp 52 000 Bewerber gegenüber.

Rund 57 000 Neuverträge wurden zum 30. September in Industrie, Handel und Handwerk abgeschlossen. Dies sei eine erfreulicher Anstieg. „Der Bedarf der Wirtschaft an Fachkräftenachwuchs ist immer noch groß – trotz der wachsenden Zahl von Neuverträgen ist er nicht gestillt“, sagte Hoffmeister-Kraut.

„Bedauerlicher Höchststand“ bei unbesetzten Ausbildungsstellen

Dass zugleich 12 900 bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldete Ausbildungsstellen noch unbesetzt seien, nennt sie einen „bedauerlichen Höchststand“. Laut Susanne Koch, der amtierenden Chefin der Bundesagentur für Arbeit im Land, handelt es sich „nach wie vor um einen starken Bewerbermarkt“ – wer einen Ausbildungsplatz suche, habe sehr gute Chancen. Andersherum nähmen die Besetzungsprobleme der Betriebe weiter zu – besonders schwer täten sich Reinigungsberufe, Lebensmittel- und Gastgewerbe sowie Bau- und Ausbauberufe.

Einen besonders großen Schatten wirft auch die wachsende Zahl von Ungelernten: 379 000 von gut 2,1 Millionen jungen Erwachsene im Alter zwischen 20 und 34 Jahre (17,7 Prozent) hatten 2022 keinen Berufsabschluss – weder dual noch schulisch oder akademisch. Grund ist die große Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes auch für ungelernte Kräfte. „Jeder fehlende Abschluss ist eine verpasste Chance für die jungen Menschen und angesichts des Fachkräftemangels auch für die Betriebe“, sagte die Ministerin.

Ungelernte sind schneller arbeitslos

Immerhin waren die Ungelernten im vorigen Jahr zu rund 79 Prozent bei den Männern und 56 Prozent bei den Frauen erwerbstätig. Allerdings tragen sie auch ein erhebliches Risiko, arbeitslos zu werden. Die Arbeitslosenquote unter Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung lag im 2022 bei 12,4 Prozent und damit um ein Vielfaches höher als unter Personen mit einer Ausbildung.

Ferner verdienen Ungelernte im Schnitt deutlich weniger Geld als Menschen mit einem Berufsabschluss: Bundesweit lag das durchschnittliche Bruttolebensentgelt von Menschen ohne Berufsabschluss zuletzt bei 1,45 Millionen Euro. Menschen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung beziehungsweise einem Fortbildungsabschluss erzielten hingegen im Schnitt ein durchschnittliches Entgelt von 1,69 bzw. 2,23 Millionen Euro.

Übergang von der Schule in die Ausbildung wird erneuert

Die Partner des Ausbildungsbündnisses Baden-Württemberg wollen daher ihre Anstrengungen verstärken. Für die Jahre 2023 bis 2027 haben sie sich vorgenommen, allen Interessierten einen Pfad in die berufliche Ausbildung zu eröffnen. Dazu wurde eine Erklärung verabschiedet, wonach jungen Erwachsenen, die die Schule schon länger verlassen haben und ohne Abschluss geblieben sind, mehr Wege dahin ermöglicht werden soll. Zudem soll kommenden Schulabgängern verstärkt der direkte Übergang von der Schule in die Ausbildung geebnet werden. Jugendliche mit Förderbedarf sollen bestmöglich unterstützt werden. 32 der 44 Stadt- und Landkreise beteiligen sich schon an der Neugestaltung des Übergangs.

Gerade für Zugewanderte, die das duale Ausbildungssystem nicht gut kennen, erscheint der Direkteinstieg in Arbeit oft attraktiver zu sein – bei diesem Personenkreis ist die Ausbildungsneigung besonders gering. Immerhin 199 000 der 379 000 Ungelernten von 20 bis 35 Jahren haben eine eigene Migrationserfahrung – rund 58 000 von ihnen kamen aus den neun sogenannten Hauptherkunftsländern der Asylsuchenden.

Kümmerer sollen Ausbildungssystem bekannter machen

Immerhin: Junge Männer aus diesen Ländern arbeiteten praktisch genauso häufig wie Männer, die in Deutschland geboren wurden. Anders die Frauen: Von den ungelernten Frauen aus den Hauptherkunftsländern der Geflüchteten arbeitete nur gut jede zehnte, während hier geborene Frauen zu mehr als einem Drittel erwerbstätig waren.

Damit die sogenannten Kümmerer im dualen Ausbildungssystem die Vielfalt der Berufe unter den Zugewanderten bekannter machen und sie in Praktika, Einstiegsqualifizierung sowie in Ausbildung vermitteln, wird das Programm aufgestockt: 2024 sollen zusätzlich 400 000 Euro bereitgestellt werden. „Damit beläuft sich die Fördersumme im nächsten Jahr auf mehr als zwei Millionen Euro“, sagte die Wirtschaftsministerin.

Die Kümmerer hätten bereits mehr als 8800 Zugewanderte begleitet und 4100 Zugewanderte in Ausbildung vermittelt. Dies sei ein großer Erfolg, vor allem weil davon insbesondere kleine und mittlere Unternehmen und das Handwerk profitierten: Fast 85 Prozent hätten eine Ausbildung in Betrieben mit bis zu 250 Beschäftigten aufgenommen, 37 Prozent eine Ausbildung im Handwerk.