Den Reiseplan strikt durchziehen, alles immer zusammen machen wollen oder an Teenagern herummäkeln: Wie sich Eltern den Familienurlaub verderben und was sie stattdessen besser machen sollten, erklären eine Familienexpertin und eine Reisebloggerin.
Ein Urlaub mit Kindern ist anders: Er kann anstrengender sein, vieles dauert länger, und manche Unternehmungen sind mit Kindern schlicht nicht möglich. Dafür lernen Eltern die Welt durch Kinderaugen neu kennen. Die Stuttgarter Erziehungsexpertin Birgit Ertl und die Reisebloggerin Susanne Glas aus Tiefenbronn sind mit ihren Familien schon in den Schwarzwald oder bis nach Kanada gereist – und haben dabei gelernt, welche Fehler Familien im Urlaub nicht machen sollten.
1. Dem Urlaub von früher hinterhertrauern
Im Urlaub mit kleinen Kindern ticken die Uhren langsamer. Jede Ameise wird auf dem Boden betrachtet, man bastelt Papierschiffchen oder verbringt Stunden im Streichelzoo oder auf dem Waldspielplatz. Dem kinderfreien Urlaub hinterhergetrauert haben die Reisebloggerin Susanne Glas und ihr Mann aber noch nie. „Wir haben mit unseren Kindern mehr oder weniger dasselbe in abgewandelter Form gemacht“, erzählt Glas, deren Kinder heute 18 und 21 Jahre alt sind. Statt auf einem Campingplatz in der Bretagne zu zelten, hat die Familie eine Mietunterkunft auf demselben Campingplatz gebucht – mit mehr Platz und Komfort für alle. Und Rundreisen im Nordamerika-Urlaub verliefen im Slow-Travel-Modus. Das heißt: mehrere Nächte an einem Ort verbringen, kürzere Distanzen fahren und mehr Pausen machen. „Reisen mit Kindern ist anders, aber reicher. Durch Kinderaugen entdeckt man vieles komplett neu und nimmt Kleinigkeiten am Wegesrand wahr. Und man schafft gemeinsame Erinnerungen, die verbinden“, betont Susanne Glas, die seit 2018 den Reiseblog „Travelsanne“ führt.
Was man sich in einem Familienurlaub bewahren müsse, sei eine gewisse Flexibilität. Denn ein Urlaub mit Kindern verlaufe nie nach Plan, lacht Glas: „Es kommt sowieso immer anders.“ In einer Liste notiert die Reisebloggerin mögliche Ausflüge und Sehenswürdigkeiten für den Urlaubsort und bei verschiedenen Wetterlagen. „Was wir an welchem Tag genau machen, entscheiden wir aber spontan.“
2. Alltagsprobleme lösen wollen
Nur weil man am Strand liegt oder eine spannende Rundreise macht, verschwinden Konflikte aus dem Alltag nicht automatisch. „Die Menschen sind ja dieselben, also nimmt man auch die Konflikte mit in den Urlaub“, weiß die Beziehungs- und Erziehungsexpertin Birgit Ertl. Den Anspruch, die Probleme in der stressfreieren Ferienzeit lösen zu wollen, sollte man allerdings nicht haben, findet sie. Ergebe sich im Urlaub jedoch eine gute Gelegenheit, um sich ohne Zeitdruck zusammenzusetzen, dann dürften die Themen gerne angesprochen werden.
Wozu Ertl noch rät: Nicht die Erwartung zu haben, all die Zeit mit dem Kind im Urlaub nachholen zu müssen, die man im Alltag nicht gemeinsam verbringen konnte. „Es kann auch passieren, dass das Kind gute Freundinnen oder Freunde findet und mit denen viel lieber spielen möchte als mit den Eltern. Und das ist dann völlig okay“, sagt die Pädagogin, die zwei erwachsene Kinder hat. Die Ferienzeit für Beziehungspflege zu nutzen, hält sie aber für sinnvoll: Wie geht es meinem Partner und den Kindern? Was brauchen sie, und was brauche ich selbst, um wieder aufzutanken und bei mir ankommen zu können? Fragen, die man sich immer mal wieder stellen sollte, findet Ertl. Und für deren genauere Betrachtung in den Ferien mehr Zeit sein könnte als während des Schuljahres. Über ein „Juhuu, endlich wieder zu Hause“, sobald man in die heimische Einfahrt einbiegt, sollten sich Eltern übrigens nicht ärgern. „Oft lieben Kinder die gewohnte Umgebung. Es sind eher die Erwachsenen, die einen Tapetenwechsel brauchen.“
3. Ein Gourmetrestaurant wählen
Von einem Drei-Gänge-Menü und weißen Tischdecken haben kleine Kinder wenig. „Auch im Restaurant müssen sie sich bewegen und auch mal laut sein dürfen“, sagt Ertl. Es gebe zwar auch Kinder, die das Essengehen mit ihren Eltern spannend finden, „aber erwarten sollte man das nicht“.
Wovon die Erziehungsexpertin noch abrät: Essen gehen, wenn die Kinder schon übermüdet sind. „Das ist weder für die Kinder noch für die Eltern entspannend.“ Weiß man, dass es in Restaurants vor 20 Uhr eher kein Abendessen gibt – tendenziell in südeuropäischen Ländern –, sollte man eine Unterkunft mit Kochgelegenheit buchen. Das schont auch das Reisebudget. In ausgewiesene Familienhotels müssten Familien nicht zwingend fahren. „Aber man sollte darauf achten, dass Kinder am Urlaubsort und in der Unterkunft ausdrücklich erwünscht sind“, rät Ertl. Denn wer nicht pausenlos darauf achten muss, dass Kinder und Jugendliche ruhig sind, kann selbst besser abschalten. Gibt es Beschäftigungsangebote und in etwa gleichaltrige Spielgefährten, könnten sich Kinder besser selbst beschäftigen. „Das schafft Eltern Freiräume“, sagt Ertl.
4. Alles zusammen machen wollen
Susanne Glas’ Mann und ihr Sohn wollten in Ostkanada Stand-up-Paddling machen, ihre Tochter und Glas stand eher der Kopf nach einem entspannten Strandtag. „Das ist vollkommen okay. Man muss nicht das ganze Programm zusammen durchziehen“, sagt Glas, die in dieser Hinsicht zu einer gewissen Lässigkeit rät. Die meisten Erlebnisse sollten man zwar gemeinsam machen. Habe ein Familienmitglied allerdings gar keine Freude oder etwa Angst vor einer abenteuerlichen Aktivität wie Wildwasser-Rafting, dürfe man sich auch trennen. „So kommt jeder auf seine Kosten und muss nicht zwingend auf seine Wunschaktivität verzichten“, sagt Susanne Glas.
Auch für eine kurze persönliche Auszeit für jedes Elternteil kann im Familienurlaub Zeit sein, wenn man sich abstimmt – zumindest gelang das der Familie Glas. „Auf unseren Familienreisen nach Frankreich oder in die Niederlande war ich mal allein beim Stadtbummel oder Wandern, mal machte mein Mann eine Radtour oder ging joggen“, erinnert sich die Reisebloggerin. Verreist man als Familie gemeinsam mit Freunden oder den Großeltern, könne auch mal ein Abend als Paar gelingen.
5. Die Teenager bevormunden
Während einige Teenager mit 15 oder 16 Jahren dem Familienurlaub abschwören, fahren die Kinder von Susanne Glas auch im jungen Erwachsenenalter noch mit. „Andere Eltern fragen uns immer, wie wir sie überzeugen“, lacht Glas. Einer ihrer Tipps: Statt direkt aufzugeben und für Jugendliche Jugendfreizeiten oder Erlebnisreisen von externen Anbietern zu buchen, rät sie, die Kinder aktiv in die Urlaubsplanung einzubeziehen und gemeinsam nach Zielen zu suchen, die jeden begeistern könnten. Zudem plant die Familie Glas außergewöhnliche Aktivitäten ein: Kajak-Fahren auf einem kanadischen See, Stand-up-Paddling im Sonnenuntergang oder andere Naturabenteuer. „Aber das ist natürlich auch immer eine Frage des Budgets“, sagt Susanne Glas, die auf ihrem Reiseblog viele Spartipps für Reisen mit Kindern und Teenagern gibt. Zudem findet es die Reisebloggerin wichtig, im Urlaub auch mal aus der gewohnten Elternrolle rauszugehen: „Im Urlaub kann man die Leine auch mal länger lassen.“