Eve Mohamad ist in der Flüchtlingshilfe aktiv und tritt in der Öffentlichkeit auf, um über ihre Erfahrung zu sprechen. Foto: privat

Sie werden in Flüchtlingsunterkünften in Deutschland diskriminiert und erfahren Gewalt. Warum sich Eve Mohamad aus Syrien für queere Geflüchtete in Baden-Württemberg einsetzt und was die Landesregierung tun will.

Viele Jahre mussten vergehen, bis Eve Mohamad nicht mehr Angst um ihre Sicherheit haben musste und, um sich vor ihrer Familie als Transfrau zu outen. Vor ihrer Flucht im Jahr 2012 aus Syrien hätte sie damit ihr Leben riskiert. In ihrer neuen Heimat Heidelberg verfolgt sie zwar nicht der Staat wegen ihrer geschlechtlichen Identität, dennoch ist ihr Leben nicht unbeschwert. Nach ihrer Ankunft in Deutschland im Jahr 2013 war sie zunächst viel in Gemeinschaft mit Menschen aus arabischen Nationen, in denen etwa Homosexuelle verfolgt werden. Auch ihre Familie war ihr nach Deutschland nachgekommen. Dem gesellschaftlichen Druck, den sie in Syrien ausgesetzt war, fühlte sie sich auch hier ausgesetzt. Heute kann sie zwar offen als Frau leben, aber Anfeindungen seien an der Tagesordnung, sobald sie ihre Wohnung verlässt: „Ich werde angespuckt, komisch angesehen und beleidigt.“

Warum Eve auch nach ihrer Flucht nach Deutschland so lange gebraucht hat, um sich zu outen, hatte aber auch noch andere Gründe. Ihr Fall macht auf ein Problem aufmerksam, das auch in der Landespolitik diskutiert wird: Queere Menschen, die eine Fluchterfahrung machen, werden häufig Opfer körperlicher Übergriffe, wenn sie auf der Flucht oder auch in den Unterkünften in Deutschland ihre sexuelle Orientierung oder ihre geschlechtliche Identität preisgeben. Das Personal in den Unterkünften ist manchmal nicht ausreichend geschult, um queere Menschen zu erkennen und sie auf ihre Rechte aufmerksam zu machen.

Antrag der SPD

Dabei hat sich die grün-schwarze Regierung im Koalitionsvertrag darauf festgelegt, besonders schutzbedürftigen Menschen, beispielsweise aus der LSBTTIQ-Gemeinschaft auch einen besonderen Schutzstatus einzuräumen. Diese seien gefährdet, Opfer von Diskriminierung und Gewalt zu werden, heißt es in dem Text. Im Mai hat unter anderem die SPD im Landtag eine Anfrage gestellt, um daran zu erinnern. Besondere Schutzbedarfe werden laut der Antwort des Landtags im Land bereits erfasst und Schutzmaßnahmen ergriffen.

Auch wenn nicht statistisch erfasst wird, wie viele Flüchtlinge in Baden-Württemberg wirklich queer sind, könne laut Experten davon ausgegangen werden, dass das etwa auf fünf Prozent der Menschen weltweit zutreffe und diese Quote daher auch unter Flüchtlingen realistisch sei. Lucia Braß ist erste Vorsitzende des Flüchtlingsrat. Sie findet, dass noch nicht genug unternommen wird, um queere Flüchtlinge zu schützen. Sie arbeitet seit den 90er Jahren mit Flüchtlingen zusammen und ist mit deren Belangen gut vertraut. „Für queere Geflüchtete ist es fast schon Alltag, in den Unterkünften von homophoben Sicherheitskräften und Mitbewohnern mit Worten gehetzt zu werden, oder sie erfahren wiederholt erhebliche Gewalt“, sagt sie.

Über intime Erfahrungen sprechen

Dass queere Flüchtlinge sich in Gefahr bringen, wenn sie ihre geschlechtlichen Identität oder sexuelle Orientierung nach außen tragen, ist auch deshalb problematisch, weil ihre Identität von asylrechtlicher Relevanz sein kann. Wenn das der Fall ist, sorge das laut Lucia Braß für weitere Probleme. „Die betroffene Person muss im Rahmen des Asylverfahrens über sehr intime Erfahrungen sprechen“, sagt sie. Dies kann schon die Würde des Betroffenen verletzten. Hinzu komme, dass in den Muttersprachen der Personen oft nur diskriminierendes Vokabular zur Beschreibung der geschlechtlichen Identität oder sexuellen Orientierung existiere. „Es ist sicherlich für viele Menschen nicht gerade einfach, vor fremden Menschen und in einem formalen Kontext über die eigene Sexualität zu sprechen“, sagt Braß. Darum sei es wichtig, dass bei der Anhörung zum Asylantrag besonders geschultes Personal anwesend sei.

Oft werden Flüchtlinge nicht genug darüber aufgeklärt, dass sie einen besonderen Schutzstatus haben, wenn sie queer sind. Entsprechende Orte, an denen man beraten werden kann, liegen oft weit entfernt. „Viele queere Geflüchtete haben außerdem Angst, zwangsgeoutet zu werden“, sagt Braß. Das kann zur Folge haben, dass die Personen von ihren Familien ausgegrenzt werden. Eine Möglichkeit, um den Menschen einen Schutz zu gewähren, sei die Unterbringung in speziellen Unterkünften. In den Landeserstaufnahmestellen soll ihnen die Möglichkeit geboten werden, einen Schlüssel für ihre Zimmer zu erhalten, um nicht in Angst vor Angriffen leben zu müssen.

Eve Mohamad lebt inzwischen ein Leben, in dem sie lernt, sich zu entfalten. Sie studiert Psychologie und engagiert sich für Menschen, die dieselben Erfahrungen wie sie machen. Ihre Familie hat den Kontakt zu ihr abgebrochen. Doch es kommen täglich neue Menschen in Deutschland an, für die es vielleicht einen Unterschied macht, ob sie von einer Person wie Eve hören, sodass sie keine Angst vor den Folgen haben müssen, wenn sie ihre wahre Identität ausleben.