50 Tonnen Sand haben die Künstler allein für ihre Skulptur der versunkenen Stadt verwendet. Foto: Jürgen Bach

Bei der Sandkunst-Ausstellung im Ludwigsburger Blüba dreht sich alles um das versunkene Inselreich. Dabei macht der künstlerische Leiter Jeroen van de Vlag seine Tochter besonders stolz.

Angefangen hat alles ganz zufällig. Denn ursprünglich hatte Jeroen van de Vlag gar nicht vor, Künstler zu werden. Studiert hat der Niederländer Ernährungswissenschaften, in diesem Berufsfeld hat er dann allerdings nie gearbeitet. Vor über 30 Jahren entstand am Strand von Scheveningen, einem Stadtteil von Den Haag, eine riesige Sandskulptur, van de Vlags Bruder fragte ihn, ob er helfen wolle. „So kam die Sache ins Rollen“, erinnert er sich. 1991 trat er mit einigen anderen im ZDF-Fernsehgarten auf, plötzlich war der Niederländer Künstler. Und leitet heute unter anderem die Sandkunst-Ausstellung im Blühenden Barock.

Die Entwürfe entstehen am Computer

In dieser Funktion entwirft er mittels Computerprogramm die einzelnen Skulpturen, bestellt und verteilt den Sand – in diesem Jahr sind es 220 Tonnen – und unterstützt seine drei Kollegen bei ihren Arbeiten. Mit dem Ausstellungsthema „Atlantis“ ist er sehr zufrieden: „Vergangenes Jahr ging es um Europa, da haben wir beispielsweise den Eiffelturm einfach nachgebaut. In diesem Jahr haben wir mehr Freiheiten, können fantasievoller arbeiten.“

13 Skulpturen umfasst die Ausstellung, der Höhepunkt ist aus Sicht van de Vlags ganz klar die Stadt Atlantis selbst, die in den Hang auf der Nordseite unterhalb des Residenzschlosses gearbeitet ist. Geschaffen hat er sie gemeinsam mit dem Amerikaner Kevin Crawford, 50 Tonnen Sand haben sie allein für diese Skulptur verwendet. „Sie ist sehr groß, aber auch spielerisch. Jeder kann kleine Details entdecken.“ Um Abwechslung zu schaffen und ihre Stile zu mischen, haben die beiden Künstler immer wieder die Positionen getauscht. Bevölkert wurde die Stadt auch schon: Eine Ameisenkolonie hat sich eingenistet. „Die kriegen wir da nicht mehr raus, wir haben alles versucht.“

Die besondere Herausforderung bei der Sandkunst liegt darin, die richtige Statik zu finden. Zwar sei die Arbeit mit Eis körperlich anspruchsvoller, schließlich werde dort auch mal die Kettensäge benutzt. Doch beim Sand müsse man mehr mit Stützen arbeiten, erklärt der Profi. So hat die Meerjungfrau auf der Wasserschildkröte ihr langes Haar um den Hals geschlungen, wodurch der Kopf gestützt wird. Doch wie hält der Sand überhaupt zusammen?

„Sandkunst ist kontrollierte Zerstörung“

Das funktioniert, weil es kein gewöhnlicher Strandsand ist. Das Material wird in Frankreich aus 50 Metern Tiefe geholt, die Körner sind eckig und scharfkantig. Schicht für Schicht wird er verdichtet, zwei Tonnen Sand werden so auf einen Kubikmeter komprimiert. Dann arbeiten die Künstler sich von oben nach unten durch den Block. Dabei spachteln sie nicht, sie schneiden die Sandmassen filigran aus den Blöcken. „Im Prinzip ist Sandkunst kontrollierte Zerstörung“, formuliert es van de Vlag.

Damit die Kunstwerke wetterfest sind, besprühen viele Künstler sie ganz zum Schluss mit einer eiweißhaltigen Flüssigkeit. Zudem sind die Skulpturen auf einen Sockelberg aus lockerem Sand gebaut, der als eine Art Schwamm fungiert und etwaiges Regenwasser aufnimmt. Wenn die Ausstellung vorbei ist, werden die Skulpturen abgerissen und die Stadtwerke verwenden den Sand weiter.

Besucher können Delfine entdecken

Die Besucher der Ausstellung können in diesem Jahr nicht nur die Werke bewundern, sie sind auch selbst gefordert: Auf jeder Skulptur sind kleine Delfine, etwa 15 bis 20 Zentimeter groß, versteckt. Wer alle findet, gewinnt einen kleinen Preis. „Manchmal schauen sich die Leute nur die Vorderseite an und gehen dann weiter“, sagt van de Vlag. „Aber wir bearbeiten die Skulpturen von allen Seiten.“

Emmanuel Macron kommt vorbei – und die Tigerente

Ganz kurzfristig hat sich ergeben, dass ein prominenter Gast die Ausstellung besuchen könnte. Der französische Präsident Emmanuel Macron ist Anfang Juli in Ludwigsburg zu Gast. Zu Ehren der deutsch-französischen Freundschaft wird deshalb im Südgarten des Schlosses eine zusätzliche Skulptur geschnitzt. Die üblichen Werke finden sich in diesem Jahr zentriert bei den Platanen im Nordgarten sowie im Gastro-Bereich.

Macron ist bereits der zweite Prominente, der die Ausstellung besucht. Unter der Woche hatte van de Vlag die Tigerente zu Gast, Kinderreporter Janne half ihm bei seiner Poseidon-Skulptur. Am Samstag (10.45 Uhr im KiKa) ist van de Vlag dann selbst im Tigerenten Club zu sehen und gibt Profitipps fürs Sandburgenbauen.

Klar, der Künstler freut sich schon sehr auf seinen Auftritt. Noch stolzer ist aber seine Tochter. „Sie ist 16 und hat den Tigerenten Club als Kind immer geschaut“, sagt Jeroen van de Vlag. „Als ich ihr erzählt habe, dass ich da zu Gast bin, war sie schwer begeistert.“

Sandkunst 2023 im Blühenden Barock

Öffnungszeiten
Vom 24. Juni bis zum 20. August ist die Ausstellung täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Direkt am Eröffnungswochenende findet der Speed-Carving-Wettbewerb statt. Vier Künstlerinnen und Künstler nehmen teil und haben 24 Stunden Zeit, eine Figur zum Thema „Atlantis“ zu schnitzen. Der Gewinner wird am Sonntag um 16.30 Uhr bekannt gegeben.

Aktionen
Jedes Wochenende von 11 bis 16 Uhr gibt es für Kinder die Möglichkeit, in der „kunterbunten Sandwelt“ gegen eine Gebühr eigene Sandbilder schnitzen. Zudem kreieren an den ersten drei Wochenenden im Juli lokale Künstlerinnen und Künstler weitere Figuren, die Besucher können bei der Entstehung also live dabei sein.