Besonders heimtückisch ist Stress, wenn man Krebs (auf dem Bild sind Krebszellen in 3D-Darstellung abgebildet) hat. Denn die Stresshormone können die Wachstumsprozesse in Tumorzellen aktivieren und so die Metastasierung begünstigen. Foto: Imago/Panthermedia

Stress gehört zum modernen Leben untrennbar dazu. Doch ausgerechnet dieser Stress, vor allem wenn er chronisch ist, kann das Wachstum von Krebszellen und ihre Metastasierung fördern. Das haben Forscher in einer neuen Studie bestätigt. Sie fanden auch heraus, welches bei Krebs häufig eingesetztes Medikament oft mehr schadet als nützt.

Dass Stress die Bildung von Krebs und Metastasen verursachen und fördern kann, ist seit längerem bekannt. Wie sich Stress dabei konkret auswirkt, ist dagegen sehr viel weniger erforscht. Wissenschaftler aus den USA haben diese komplexen Prozesse jetzt genauer untersucht. Stress, zumal wenn er chronisch ist, verändert demnach bestimmte Immunzellen und Körpergewebe, sodass sich Tumorzellen leichter ansiedeln und ausbreiten können.

Wenn Stress mehr schadet als nützt

Wer bei einem ganz normalen Arztbesuch mit der Diagnose Krebs konfrontiert wird, ist schockiert. Warum gerade ich? Habe ich zu viel geraucht, mich ungesund ernährt, zu wenig bewegt, zu viel Stress gehabt? Foto: Imago/Pond5 Images

Stress kann förderlich sein, indem er in bestimmten (Ausnahme-)Situationen verborgene Energien freisetzt. Zu viel Stress, vor allem wenn er chronifiziert ist, schadet hingegen nachweislich der Gesundheit. Er steigert das Risiko für eine Herzerkrankung, für einen Schlaganfall oder für Übergewicht.

Besonders heimtückisch ist Stress, wenn man Krebs hat. Denn die Stresshormone können die Wachstumsprozesse in Tumorzellen aktivieren und so die Metastasierung – das heißt die Vermehrung und Ausbreitung der Tochtergeschwulste maligner (bösartiger) Tumoren im Organismus – begünstigen. Das wiederum macht es Tumorzellen leichter, sich im Körper auszubreiten und Metastasen zu bilden.

Was passiert im Körper von Krebspatienten?

Ein Forscherteam um Xue-Yan He vom Cold Spring Harbor Laboratory (CSHL) in New York ist der Frage nachgegangen, wie Stress auf zellulärer Ebene zur Bildung von Metastasen führt – und ob und wie sich dies verhindern lassen kann.

Ihre Studie haben sie im aktuellen Fachjournal „Cancer Cell“ veröffentlicht.

Die „Versuchskaninchen“ waren an Brustkrebs oder Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankte Mäuse, deren Tumore bereits in die Lunge beziehungsweise die Milz gestreut hatten.

Der Primärtumor wurde in einer Operation entfernt. Anschließend wurden die Nager chronischem Stress ausgesetzt, um festzustellen, ob sich aus den im Blut oder in Geweben verbliebenen Krebszellen weitere Metastasen bildeten.

Zahl der Metastasen explodiert förmlich

„Stress bereitet das Gewebe in gewisser Weise darauf vor, an Krebs zu erkranken.“ Foto: Imago/Panthermedia

Das Ergebnis war eindeutig: Die gestressten Nager bildeten übermäßig viele Metastasen in Lunge und Milz im Vergleich zu jenen Mäusen, die im Experiment keinem Stress ausgesetzt waren. „Es kam zu einem bis zu vierfachen Anstieg der Metastasierung“, berichtet die Autorin Mikala Egeblad vom CSHL.

Außerdem stellten die Forscher fest, dass die gestressten Mäuse vermehrt Stresshormone aus der Klasse der sogenannten Glucocorticoide produzierten – also Präparate, die entzündungshemmende Wirkung haben. Säugetiere schütten bei Stress das in der Nebennierenrinde produzierte Hormon Cortisol (auch Hydrocortison genannt) aus. Es aktiviert die Stoffwechselvorgänge und drosselt das Immunsystem drosselt.

Cortison-Präparate in der Krebstherapie

Cortison-Präparate wirken entzündungshemmend und immunsuppressiv (Symbolbild). Foto: Imago/Lobeca

Glucocorticoid-Arzneien mit Cortisol-Wirkung werden auch als Cortison bezeichnet. Cortison-Präparate wie Dexamethason – einem der wichtigsten Arzneistoffe überhaupt, das entzündungshemmend und immunsuppressiv wirkt– sind Schlüsselmedikamente in der modernen Medizin. Sie werden verwendet, um das Immunsystem zu unterdrücken sowie allergische und entzündliche Prozesse zu stoppen.

Auch in der Krebstherapie werden sie häufig eingesetzt, um etwa unerwünschte Nebenwirkungen der Chemo- oder Strahlentherapie wie Haarausfall, Übelkeit und Erbrechen abzumildern. Glucocorticoide wirken sich zudem positiv auf das Allgemeinbefinden der Patienten während einer Tumortherapie aus.

Stress bereitet Krebs den Weg

Metastasierende Krebszellen in einer 3D-Darstellung. Foto: Imago/Panthermedia

In einem weiteren Experiment untersuchten die Forscher gestresste Mäuse ohne Krebserkrankung. Dabei stellten sie fest, dass chronischer Stress auch bei gesunden Tieren zu Gewebeveränderungen etwa in der Lunge führt. „Stress bereitet das Gewebe in gewisser Weise darauf vor, an Krebs zu erkranken“, erklärt Mikala Egeblad.

Damit bestätigen die Utersuchungsergebnisse frühere Studien wie etwa die des Biomediziners Milan Obradovic und Onkologen Mohamed Bentires-Alj vom Department of Biomedicine (DBM) des Universitätshospitals Basel von 2019 (veröffentlicht im Fachjournal „Nature“).

Weniger Stress kann Metastasierung stoppen

Das Fazit der New Yorker Studie: Die Bedeutung von Stressmanagement für Gesunde und Kranke kann gar nicht hoch genug angesetzt werden. Stress zu reduzieren, kann demzufolge sowohl helfen die Metastasierung auszubremsen oder gar zu stoppen, als auch einer Krebserkrankung vorzubeugen.

Darüber hinaus legt die Studie nahe, dass Cortison-Präparate bei der Bekämpfung von Tumoren eher kontraproduktiv für die Genesung sein können und – zumindest bei bestimmten Tumorarten wie Brustkrebs – nur mit Vorsicht einzusetzen sind.

Vor allem, wenn schon Metastasen vorhanden sind, könnte ihr Einsatz das Wachstum maligner Zellen verstärken und den Krebs noch aggressiver machen. Und so die Wirkung der Chemotherapie zunichte machen.

Info: Brustkrebs

Mammakarzinom
Brustkrebs ist bei Frauen die häufigste Krebserkrankung mit Todesfolge. Mehr als 70 000 Mal im Jahr stellen Ärzte allein in Deutschland die Diagnose „Mammakarzinom“, rund 17 000 Frauen sterben jährlich daran. Wegen seiner Aggressivität und dem Risiko der Metastasierung ist vor allem der dreifach negative Brustkrebs – der sogenannte „Triple-negative breast cancer“ (TNBC) – gefürchtet. Er macht rund 15 Prozent aller Brustkrebsfälle aus.

Rezidive
Charakteristisch gerade für Brustkrebs ist, dass Rezidive – also ein erneutes Auftreten der Krebszellen nach einer Operation und Therapie – häufiger auftreten als bei anderen Krebsarten. Patientinnen haben deshalb im Vergleich zu anderen Krebskranken eine eher schlechtere Prognose. Das macht die Behandlung dieser aggressiven Tumorart sehr schwierig.