Ein Cannabis zu Hause oder gemeinschaftlich in speziellen Clubs anbauen oder ganz legal einen Joint rauchen - das soll mit dem Gesetz zur Cannabis-Legalisierung möglich werden. Foto: Hannes P Albert/dpa

Lange haben Befürworter gewartet, nun hat der Bundestag eine Cannabis-Teillegalisierung beschlossen. Doch in der Branche ist die Stimmung geteilt. Viele setzen lieber auf Cannabis als Medikament.

Frankfurt/Main - Die Erwartungen an die Legalisierung waren riesig. Einer der größten Märkte für den Freizeitkonsum weltweit könnte entstehen, schwärmten Cannabis-Firmen. Fachgeschäfte in deutschen Fußgängerzonen statt Verbotspolitik, legaler Verkauf statt Dealer, Kiffen raus der Schmuddelecke.

In der Hoffnung auf lukrative Geschäfte drängten Start-ups in den Markt, Prominente wie Mario Götze, Moritz Bleibtreu und der US-Rapper Snoop Dogg investieren in Cannabis-Firmen. Die Legalisierung schien das nächste große Ding und Deutschland, als großer Markt auch aus ausländischer Sicht verheißungsvoll. Längst liefen sich Anbieter aus der Schweiz, Kanada und den USA warm.

Doch mit dem Beschluss des Deutschen Bundestags ist endgültig klar, was sich schon seit Monaten abzeichnete: Die Teil-Legalisierung von Cannabis für den Freizeitkonsum geht lange nicht so weit, wie im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung angepeilt. Zwar soll Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz herausgenommen werden, wo es bisher neben anderen Drogen als verbotene Substanz geführt und mit Strafvorschriften belegt ist.

Besitz und Eigenanbau begrenzter Mengen sollen für Volljährige vom 1. April an erlaubt sein. Und in Vereinen ("Cannabis-Clubs") sollen Mitglieder die Droge gemeinsam anbauen und gegenseitig abgeben dürfen. Der einstige Plan aber, Cannabis in Fachgeschäften an Erwachsene zu verkaufen, wurde vertagt. Das soll in Deutschland zunächst in Modellprojekten erprobt werden - Ausgang ungewiss.

Teil-Legalisierung dämpft Euphorie

Das bringt manche Cannabis-Firmen in Bedrängnis, beobachten Branchenexperten. Längst ist die Goldgräberstimmung Ernüchterung in dem umkämpften Markt gewichen. Um neue Cannabis-Geschäftsideen von Schauspielern oder Fußballern ist es ruhig geworden. Und Firmen wie das Berliner Start-up Cantourage, das im Herbst 2022 an die Börse ging, haben Anlegern wenig Freude bereitet. Mit der Aktie ging es seither unterm Strich kräftig bergab.

Klar ist: Einen Freizeitmarkt mit Cannabis-Shops wie in den Niederlanden und einigen US-Bundesstaaten wird es in Deutschland vorerst nicht geben. "Dass der Eigenanbau nun begrenzt erlaubt wird, hilft der Branche nicht", sagt Alessandro Rossoni, Gründer der Medizin-Cannabisfirma Nimbus Health. Das gleiche gelte für Cannabis-Clubs. Einige Cannabis-Firmen seien in Schwierigkeiten geraten, andere verschwunden oder aufgekauft worden. So rutschten laut Fachmedien mehrere Cannabis-Reimporteure in die Pleite. Körperpflegeprodukte auf Cannabis-Basis - es ist ein bunter Markt um Cannabis-Produkte entstanden.

Der Branchenverband Cannabiswirtschaft sieht trotzdem Aufwind für die Firmen. "Eigenanbau und Anbauclubs als Möglichkeiten zur Selbstversorgung sind zwar an sich nicht kommerziell, sie benötigen jedoch Infrastruktur, Ausstattung und Dienstleistungen", sagt Lisa Haag vom Fachbereich Technik, Handel & Dienstleistungen.

Angesichts des Hypes um die Freigabe ist zudem ein bunter Markt um allerlei (legale) Cannabis-Produkte entstanden - von Hanf-Duschgels über Hanf-Tee bis Cremes. Jüngst eröffnete in München ein "Hanf-Megastore", der auf 800 Quadratmetern rund 1000 Produkte rund um Cannabis anbietet. Manches davon wie Hanf-Liköre oder -Nudeln fällt aber eher in die Spaß-Abteilung.

"Die Meinungen, ob die Teillegalisierung der Branche überhaupt noch hilft, gehen weit auseinander", sagt Rossoni, dessen Firma Teil des börsennotierten Arzneiherstellers Dr. Reddy's ist und sich auf Cannabis-Fertigarzneien konzentriert. Jedenfalls sei die Wachstumsstory rund um eine Volllegalisierung vieler Start-ups zusammengebrochen.

Höhere Zinsen und knauserige Investoren

"Wir sehen keine nennenswerten Neueintritte von Firmen mehr in den Markt", beobachtet auch Jakob Sons, Mitgründer von Cansativa aus dem hessischen Mörfelden-Walldorf. Das Unternehmen handelt mit Medizinal-Cannabis, Jahresumsatz rund 17 Millionen Euro. Erschwerend dazu kommen gestiegene Zinsen und vorsichtige Investoren - das Umfeld für Start-ups ist generell rauer geworden. "Einigen Firmen geht die Puste aus", sagte Sons. "Wir beobachten erste Insolvenzen im Markt. Die Konsolidierung schreitet voran."

Sons sieht in der Teillegalisierung dennoch Vorteile. "Es ist kein großer Wurf, aber ein wichtiger Schritt im globalen Trend zur Entstigmatisierung von Cannabis." Zudem herrsche nun etwas mehr regulatorische Klarheit. Da Cannabis ab April aus dem Betäubungsmittelgesetz genommen werden solle, könnten Ärzte medizinisches Cannabis leichter verschreiben. Die Vorbehalte von Medizinern sind nach wie vor groß. "Mit der Teillegalisierung rechnen wir mit deutlich mehr Cannabis-Patienten in Deutschland", meint sein Bruder und Gründungspartner Benedikt Sons. Daher habe man sich bei Investitionen auf den Medizin-Bereich konzentriert. Auch die enormen Vorgaben für Apotheken sänken mit der Teillegalisierung merklich.

Rückenwind für medizinisches Cannabis auf Rezept

Cannabis als Arznei hat schon seit der Liberalisierung 2017 einen Boom erlebt. Kranke können sich den Stoff vom Arzt verschreiben lassen, etwa gegen Spastiken bei Multipler Sklerose oder chronische Schmerzen sowie bei Übelkeit und Erbrechen nach Krebs-Chemotherapien. Laut dem Marktforscher Insight Health bekamen 2023 rund 77.000 Cannabis-Patienten in Deutschland mindestens ein Rezept, dazu kommen private Selbstzahler. Doch die Dokumentationspflichten für Ärzte sind bisher groß. In der Medizin werde die Teillegalisierung der Branche helfen, erwartet auch Rossoni von Nimbus-Health, der neue Cannabis-Produkte plant. "Die Akzeptanz bei Ärzten dürfte steigen."

Cannabisblüten zur medizinischen Behandlung. Ab April könnten Ärzte medizinisches Cannabis leichter verschreiben.

Schon seit der Freigabe von Cannabis auf Rezept gab es Spekulationen über die Freigabe für den Freizeitkonsum. Die Zweifel an der geplanten Umsetzung aber sind groß. Kiffen im öffentlichen Raum etwa soll unter anderem in Schulen, Sportstätten und in Sichtweite davon verboten werden - konkret in 100 Metern Luftlinie um den Eingangsbereich. Und die Cannabis-Clubs sind laut der Pläne als nicht kommerzielle Vereine zu organisieren und brauchen eine Erlaubnis, die befristet gilt. Das Anbaugebäude darf keine Wohnung sein und keine auffälligen Schilder haben. Werbung ist tabu, auch Cannabis-Konsum direkt vor Ort. Geregelt sind überdies Dokumentationspflichten. Rossoni ist skeptisch. "Ob sich das alles als praxistauglich erweist, muss sich noch zeigen."