Blackpink: Rosé, Jennie, Lisa und Jisoo (von links) beim Konzert am Dienstag in der Berliner Mercedes-Benz-Arena Foto: Yonaphnews

Von wegen Kreischalarm! Die koreanische Girlgroup Blackpink begeistert an zwei Abenden in Folge in der Mercedes-Benz-Arena in Berlin 30 000 Fans und führt vor, wie die Zukunft des Pop klingen könnte.

Die Zerrissenheit der Popkultur und der Abgrund, der sich musikalisch zwischen den Generationen auftut, lässt sich leicht anhand eines Songs namens „Money“ erklären. Die eine Hälfte der Welt denkt bei dem Titel an einen Song der Band Pink Floyd aus dem Jahr 1973, der davon erzählt, wie die Gier nach Geld und Reichtum Menschen in den Wahnsinn treiben können. Die andere an einen Song, den die thailändische Rapperin Lisa vor einem Jahr aufgenommen hat und der schrill und laut eine Hip-Hop-Lobeshymne auf das Geldeinnehmen und Geldausgeben ist.

Weil Lisa Mitglied der südkoreanischen Girlgroup Blackpink ist, hat sie bei deren Auftritt am Dienstagabend in der Berliner Mercedes-Benz-Arena natürlich auch diesen Song im Repertoire. Hier der knurrige Klassiker der Babyboomer also, dort der Youtube-Milliarden-Hit der Generation Z – und dazwischen liegen Welten. Es ist davon auszugehen, dass all jene, die den einen Song lieben, den anderen gar nicht kennen – und umgekehrt.

Die erfolgreichste Frauencombo der Welt

Am Montag und Dienstag ist Berlin fest in der Hand derjenigen, die Pink lieber mit dem Wort Black als mit dem Wort Floyd kombinieren. Als Jennie zum Beispiel am Dienstag um die Mittagszeit beim Essen in einer Berliner Nudelbar gesichtet wird und jemand ein Foto auf Instagram teilt, spielt das Internet wieder einmal verrückt. Wie eigentlich immer, wenn der Hashtag Blackpink vorkommt.

Und für alle die bisher lieber mit Pink Floyd auf der dunklen Seite des Mondes gelebt haben: Jennie ist eine der berühmtesten Frauen auf diesem Planeten – genauso wie Lisa, Rosé und Jisoo. Die vier sind Blackpink: K-Pop-Superstars, die erfolgreichste Frauencombo der Welt, ein perfekt gecastetes Multimedia-Popprodukt aus vier sehr schönen, sehr begabten, sehr dünnen Sängerinnen.

Die Kulisse hat sich als Zaubergarten verkleidet

Ihr Konzert eröffnen sie gemeinsam mit dem störrisch-trotzigen Song „How you like that“ in einer Kulisse, die sich als Zaubergarten verkleidet hat. Sie werden zwischen den jeweils 23 Songs bei den beiden ausverkauften Konzerten in Berlin mehrmals die Kostüme wechseln und sich an den Mikrofonen immer wieder virtuos gegenseitig ins Wort fallen. Und sie werden – begleitet von einer funky-furios spielenden Band und einem enthusiastischen Tanzensemble – im dritten Akt dieses zweistündigen Show-Fünfakters alle ihre eigenen Soloauftritte bekommen.

Jisoo (27) , die auch als Schauspielerin („Snowdrop“) überaus erfolgreich ist, bringt mit ihrer Interpretation von Camila Cabellos Song „Liar“ einen Latin-Twist ins Repertoire ein. Jennie (26) singt die bisher unveröffentlichte Ballade „You and me“, Rosé (25) steuert die sich in den 1980ern austobende Powerballade „Hard to love“ bei, und Lisa (25) rappt sich nicht nur durch „Money“, sondern auch durch „Lalisa“.

Das exklusive Soundcheck-Erlebnis für 600 Fans

Die Blinks, wie sich die Blackpink-Fans nennen, teilen sich erwartungsgemäß in vier Lager auf: Team Jisoo, Team Jennie, Team Rosé und Team Lisa. Und natürlich hat für viele Blinks das Ereignis lange vor dem eigentlichen Konzertbeginn um kurz nach 20 Uhr angefangen. Zum Beispiel als Besitzer eines VIP Plus Packages um 12 Uhr in der Schlange für die Registrierung zum Soundcheck, der am späten Nachmittag stattfindet: Drei Lieder interpretieren da Blackpink exklusiv für rund 600 Fans. Jisoo, Jennie und Co. stehen da noch in ihren Alltagsklamotten auf der Bühne, wirken viel entspannter und lebensnaher als später am Abend bei der eigentlichen Show.

Diese bietet dann einen quirligen Mix aus großartigen Lichteffekten, spektakulären Choreografien und eingängigen Songs – und bedient sich mit einem unverschämten Eifer bei sämtlichen Einflüsse, die die Popmusik aus der ganzen Welt zu bieten hat. Blackpink agieren dabei wie die Spice Girls auf LSD, wie vier hyperaktive Britney Spears’, die erst in die Zukunft gereist sind und dann zurück ins Jahr 2022.

Schaut zu, wie die Dollarscheine auf mich fallen!

Die Show ist schrill, der Kreischfaktor hoch, der Erfolg von Blackpink kühl kalkuliert. Trotzdem ist die Musik dieser K-Pop-Superstars viel zu gut, um mit ihr nur Kinderzimmer zu beschallen. Es ist einmalig, wie hier virtuos R’n’B, Pop, Rock, Elektro, Hip-Hop, Latin und asiatische Einflüsse zu einer Art neuer Weltmusik zusammenfinden, wie hier Songs wie „Shutdown“, „Kill this Love“ oder „Pink Venom“ zu fies synkopierenden Abzählreimen werden, wie hier die Produzenten und Songwriter rhythmisch und melodisch raffiniert dramatisieren.

Und obwohl die Songs und deren Inszenierungen in Berlin voller sexueller Anspielungen sind, hat das koreanische Unternehmen YG Entertainment, das Blackpink 2016 erfand, sichergestellt, dass alles stets unverbindlich genug bleibt, um die vielen Kinder im Publikum nicht zu verstören. Und natürlich schwenken sie alle diese rosa blinkenden, doch etwas obszön aussehenden Herzhammer, die es beim YG-Merchandising-Stand für 75 Euro gibt. „Dollar bills, dollar bills / Watch it falling for me“, singt Lisa dazu in „Money“: Schaut zu, wie die Dollarscheine auf mich zufliegen!

K-Pop: Blackpink, BTS und Co.

Genre
 Bereits in den 1990er Jahren entstand der Begriff K-Pop, der sich als Gegenstück zu dem damals international erfolgreichen J-Pop (Pop aus Japan) verstand. Genau genommen handelt es sich allerdings um gar kein Genre, weil eines der Merkmale von K-Pop ist, dass hier verschiedene Genres (Pop, Rock, Elektro, Hip-Hop, R'n'B) immer neu gemischt werden. Die in Korea selbst übliche Bezeichnung für K-Pop lautet gayo.

Casting
Alle international erfolgreichen K-Pop-Gruppen sind das Ergebnis eines Castingprozesses. Bei diesem geht es um Gesangs- und Tanzfähigkeiten und darum, einem klar definierten Rollenprofil innerhalb der Combo zu entsprechen.

Gruppen
Die weltweit erfolgreichste K-Pop-Formation ist die siebenköpfige Boygroup BTS, die 2010 von Big Hit Entertainment gegründet wurde. Die Girlgroup Blackpink hat YG Entertainment im Jahr 2016 ins Leben gerufen.