Eine Studie zur Muslimfeindlichkeit im Auftrag von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sorgt für Wirbel. Foto: dpa/Michael Kappeler

Für die erste unabhängige Untersuchung der Diskriminierung von Muslimen wurden auch Islamisten befragt. Die Forscher verteidigen sich.

Zum ersten Mal hat die Bundesregierung einen unabhängigen wissenschaftlichen Expertenrat damit beauftragt, die Muslimfeindlichkeit in Deutschland systematisch und umfassend zu untersuchen. Neben der Bestandsaufnahme der Diskriminierung von Muslimen sollten – so die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im Vorwort der 400 Seiten starken Studie „Muslimfeindlichkeit – Eine deutsche Bilanz“ – auch Handlungsempfehlungen gegeben werden, wie Hass auf Muslime besser bekämpft werden könnte.

Trotz aller hehren Ziele weist die Erhebung gravierende Mängel auf, die unter Kennern der Materie für Kopfschütteln sorgen. So haben die Experten um den Erlanger Juristen und Islamwissenschaftler Mathias Rohe auch mit Islamisten wie der Islamischen Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschland (IGS) Interviews geführt. Laut Bundesamt für Verfassungsschutz steht die IGS unter der Kontrolle des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH). Laut Hamburger Verfassungsschützern arbeitet das IZH „am Export der islamischen Revolution“. Mit Blick „auf die wichtige Betroffenenperspektive“ habe man sich „primär an diejenigen gehalten, von denen wir vermuten durften, dass sie zu diesem Thema etwas beitragen können und die zum Teil auch schon Vorarbeiten geleistet haben“, verteidigt der Jurist Rohe die Auswahl von Gesprächspartnern und Mitwirkenden.

Wie zum Beispiel den Verein Fair International mit Sitz in Köln, der die „Fallstudie: Auswirkungen von Moscheeangriffen auf Gemeindemitglieder“ beigesteuert hat. Nordrhein-Westfalens Landesregierung rechnet den Verein der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) zu. Die IGMG wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz seit Jahren als „legalistisch islamistisch“ eingestuft. Sie propagiere die Einführung einer „gerechten Ordnung“, die an die Stelle der westlichen Zivilisation treten müsse. Zu Fair International sagt Rohe, man habe beim Thema Angriffe auf Moscheen auf deren Vorarbeiten zurückgegriffen. „Die wissenschaftliche Eruierung von Fakten bedeute keine inhaltliche Solidarisierung.“

Islamisten instrumentalisieren Muslimfeindlichkeit

Dennoch erstaunt die Zusammenarbeit mit diesen Islamisten wie auch die Befragung unter anderen des Koordinationsrats der Muslime (KRM), dem neben dem türkischen Islamverband Ditib und dem umstrittenen Zentralrat der Muslime (ZMD) auch der Islamrat angehört, sowie zahlreicher anderer Organisationen aus dem Geflecht der Muslimbrüder wie Claim oder Juma e.V.

Dabei warnt der Unabhängige Expertenkreis selbst, dass „insbesondere islamistische Akteur*innen... – als vorgebliche Verteidigung des Islams – den Vorwurf der Muslimfeindlichkeit instrumentalisieren können“. Der „westlichen Welt“ werde pauschal Muslimfeindlichkeit unterstellt. Kurzum: Um von eigenen Problemen abzulenken oder um Anhängerschaft zu generieren, werde öffentlich über Diskriminierung geklagt.

Innenministerium: auffällige Organisationen nicht beteiligen

Laut Auskunft aus dem Bundesinnenministerium (BMI), das die Studie aus Mitteln der Deutschen Islam Konferenz finanziert, sollte der „in jeder Hinsicht unabhängige Expertenkreis“ generell dafür sorgen, „dass an Maßnahmen keine Organisationen oder Personen beteiligt sind, die in Bereichen des Staats- und Verfassungsschutzes auffällig geworden sind“, so ein Sprecher des Innenministeriums. Und fügt hinzu: Sollte festgestellt werden, „dass derartige Organisationen oder Personen an einer Projektförderung des BMI beteiligt wurden, wäre dies ein Verstoß gegen Förderauflagen des BMI“. Der Jurist Rohe meint: „Selbstverständlich haben wir uns nicht über die Vorgaben des BMI hinweggesetzt.“ Zum möglichen Imageschaden für die ganze Studie schweigt das Ministerium.

Experten aus den Sicherheitskreisen, die eine verbreitete Ablehnung von Muslimen und Islam nicht in Abrede stellen, bemängeln, dass in dem Bericht nahezu jede kritische Äußerung als muslimfeindlich angesehen wird. „Da wurden Begriffe wie ,antimuslimischer Rassismus’ und ,Islamfeindschaft so ausgeweitet, dass jegliche Kritik an politischen Bestrebungen, die irgendwie mit ,Islam’ begründet wird, zum Schweigen gebracht werden soll“, meint ein früherer Mitarbeiter der deutschen Sicherheitsbehörden. Auf die Frage einer Reporterin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, ob es neben dem Vorurteil, muslimische Mädchen seien unterdrückte Opfer, nicht auch ganz konkret Musliminnen gebe, die das Kopftuch als Symbol der Unterdrückung betrachteten, antwortet die BMI-Staatssekretärin Juliane Seifert nur ausweichend hölzern: „Ziel des Berichts ist es, Muslimfeindlichkeit sichtbar zu machen.“

Zustimmung von Islamisten

Ein anderer Experte, der es ebenfalls vorzieht, nicht namentlich genannt zu werden, resümiert, die Autoren der Studie hätten sich „nicht die Mühe gemacht, sich mit ihren Kritikern auseinanderzusetzen“. Unterdessen gibt es viel Zustimmung für die Untersuchung seitens der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs: „Es gibt viele unerledigte Hausaufgaben für die Legislative, Exekutive und Judikative – und weit darüber hinaus“, meint der IGMG-Generalsekretär Ali Mete.