Die Gesichter sprechen für sich: Die Hebammen im Kreis Böblingen und darüber hinaus sind nicht begeistert über die Pläne zur Schließung der Geburtshilfen. Foto: Simone Müller-Roth

Seit letzter Woche steht der Vorschlag im Raum, die Geburtshilfen in Herrenberg und Leonberg im Kreis Böblingen zu schließen. Die Hebammen im Kreis sind entsetzt und haben kurzfristig eine Kreisversammlung anberaumt.

Die Kliniklandschaft im Kreis Böblingen steht vor großen Veränderungen – wenn man dem Gutachten der Beratungsfirma Lohfert & Lohfert folgt. In der vergangenen Woche veröffentlichte sie einen Vorschlag, wie sich die Kliniken des Klinikverbunds Südwest in Zukunft aufstellen könnten. Vor allem die etwaigen Schließungen der Geburtshilfen in Herrenberg und Leonberg und damit auch der hebammengeführten Kreißsäle werden seither heiß diskutiert. Die Hebammen im Kreis Böblingen seien entsetzt über den Vorschlag, sagt die Sprecherin der Hebammen im Kreis Böblingen, Simone Müller-Roth. Deshalb fanden sich die Geburtshelferinnen Mitte der Woche zu einer außerordentlichen Kreisversammlung ein.

50 Hebammen aus dem Kreis Böblingen und darüber haben zu der Veranstaltung, erzählt Simone Müller-Roth. Sonst würde sich die Zahl bei solchen Treffen auf 20 belaufen – ein klares Zeichen dafür, wie der Vorschlag von Lohfert & Lohfert bei den Hebammen im Kreis angekommen ist. „Wir machen uns Sorgen um die Versorgungsqualität der Frauen“, sagt die Hebammensprecherin.

In Herrenberg stemmen Hebammen rund 1000 Geburten im Jahr

Laut dem Gutachten der Beratungsfirma wird das Krankenhaus in Herrenberg seinen 24-Stunden-Betrieb verlieren. Dies würde das Aus für die Geburtshilfe mit hebammengeführtem Kreißsaal bedeuten. Rund 1000 Geburten stemmen die Hebammen in Herrenberg pro Jahr. „Die hebammengeleitete Geburtshilfe ist ein bundesweites Vorzeigeprojekt der familienfreundlichen Geburtshilfe“, sagt Simone Müller-Roth. In Leonberg sollen laut dem Gutachten ebenfalls die Gynäkologie und damit auch dort der hebammengeführte Kreißsaal geschlossen werden. Aus dem Klinikbereich war zu hören, dass sich der Kreißsaal wirtschaftlich nicht lohne, da zu viel Personal für zu wenig Geburten vorgehalten werden müsste. Doch laut der Hebammensprecherin ist der Kreißsaal auch erst ein Jahr alt und die Geburtenzahlen sind seit der Eröffnung stetig angestiegen.

Mit den neuen Plänen blieben laut den Hebammen 1000 Geburten unversorgt

In Zukunft soll es nur noch im neuen Flugfeldklinikum und in Nagold Geburtsstationen geben. Ein Vorschlag, der laut Simone Müller-Roth nicht ausreicht: Mit rund 5300 Geburten im Jahr wären die beiden Zentren in Böblingen und Nagold „heillos überfordert“. Nach Rechnungen der Hebammen blieben dann rund 1000 werdende Mütter unversorgt.

Ob zu den Geburtsstationen auch hebammengeführte Kreißsäle angedacht sind oder nicht – darüber gibt das Gutachten keine konkrete Auskunft. Der Klinikverbund meldet auf Nachfrage unserer Zeitung, dass es noch zu früh im Prozess sei, um solche Detailaussagen treffen zu können. Zum Unterschied: Im Gegensatz zu herkömmlichen Kreißsälen haben Frauen in Herrenberg und Leonberg die Möglichkeit, nur von Hebammen betreut zu werden. Ziel ist es, dass die Geburt möglichst ohne medizinische Eingriffe abläuft. Nur bei Komplikationen wird eine Ärztin oder ein Arzt hinzugerufen. Und der Ansatz zeigt sich erfolgreich: In Herrenberg konnte mit diesem Konzept die Zahl der Kaiserschnitte gesenkt werden, berichtet Simone Müller-Roth, die bereits seit dem Jahr 1986 als Hebamme im Einsatz ist.

Besorgt seien die Hebammen natürlich auch um ihre Arbeitsplätze, doch Simone Müller-Roth sagt: „Wir lassen uns nicht entmutigen und suchen weiter nach Lösungen.“ In den nächsten Tagen und Wochen wollen die Geburtshelferinnen eine Arbeitsgruppe bilden, in der besprochen werden soll, wie sie weiter vorgehen. Für die Erstellung des Gutachtens zur Zukunft der Kliniken seien die Hebammen nicht befragt worden, sagt Simone Müller-Roth.