Machtbewusst: Fifa-Boss Gianni Infantino Foto: dpa/Tom Weller

Der Fifa-Präsident Gianni Infantino wird wie erwartet per Applaus für weitere vier Jahre in seinem Amt bestätigt – und lobt sich selbst.

Niemand hatte etwas anderes erwartet, als dass sich Gianni Infantino mal wieder selbst auf die Brust klopfte. Vielleicht nicht ganz so kräftig wie vor vier Jahren in Paris, aber ansonsten wirkte der 73. Fifa-Kongress in Kigali wie eine Blaupause zur Proklamation des Präsidenten in dessen erster Amtszeit. Als der zum treuen Infantino-Vasall umgepolte Salman bin Ibrahim Al Chalifa aus Bahrain vorschlug, den ranghöchsten Fußballfunktionär in Ermangelung an Gegenkandidaten doch einfach erneut per Applaus zu bestätigen, standen die Gefolgsleute am Donnerstag im Kongresssaal der Hauptstadt von Ruanda stramm. In Windeseile war die Akklamation vollzogen.

Der Schweizer zog es diesmal vor, bei seiner Danksagung sitzen zu bleiben, um mit Pathos zu konstatieren: „Alle, die mich lieben, ich weiß, das sind viele, und alle die mich hassen, ich weiß, es gibt da ein paar – ich liebe euch alle!“ Dass der Deutsche Fußball-Bund (DFB) als größter Einzelsportverband am Vortag seine Unterstützung verweigert hatte und damit eine Mini-Opposition aus Europa anführte, verpuffte bei der perfekt inszenierten Personality-Show, bei der auch Fifa-Generalsekretärin Fatma Samoura („Wir lieben Sie, Präsident“) sich nur noch als Staffage hergab. Infantino konnte also locker ausrufen: „Die überwältigende Mehrheit hat das Gefühl, dass ich einen guten Job mache – auch in Europa.“

Nicht mal bei der Verabschiedung des gigantischen Haushalts für die Jahre 2023 bis 2026 mit einem Volumen von weit mehr als elf Milliarden Euro gab es bei der elektronischen Abstimmung keine Gegenstimme. Auch DFB-Präsident Neuendorf drückte also den Ja-Knopf, zumal Infantino dem Auditorium ja versprochen hatte: „Das Geld der Fifa ist euer Geld.“ Was der 52-Jährige nicht sagte: dass er sich mit immer höheren Zuwendungen – bald werden allein 2,25 Milliarden Euro nur über das Entwicklungsprogramm „Fast Forward“ ausgeschüttet – die Zustimmung der Konföderationen und mehr als 200 Verbände erkauft.

Aufgeblähte WM

Ein weiteres wichtiges Stilmittel erklärte der Impresario so: „Wir wollen mehr und nicht weniger Wettbewerbe, um den Fußball wachsen zu lassen.“ So müssten unbedingt mehr Teams aus anderen Erdteilen, insbesondere Afrika, bei den Fifa-Turnieren mitspielen, das sei seine „Pflicht und Verpflichtung“. Das passiert ja bald bei der auf 48 Mannschaften aufgeblähten und wenig nachhaltigen WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko, die alleine die Fifa eine Summe von 3,8 Milliarden Euro kosten wird. Doch wohl das Doppelte fließt an Einnahmen wieder zurück.

Die Fifa hat 2022 durch die umstrittene WM in Katar knapp 5,8 Milliarden Euro verbucht, im letzten Berichtszeitraum (2019 bis 2022) mehr als eine Milliarde Gewinn gemacht. Der Weltverband sitzt inzwischen wie einst Dagobert Duck in seinem Geldspeicher auf riesigen Reserven. Fast vier Milliarden Euro betragen die Rücklagen.

Dass Infantino seit seiner Amtsübernahme eine dermaßen lukrative Ära orchestriert, findet er selbst äußerst lobenswert: „Wenn ein Unternehmer ankündigen würde, dass die Dividenden um das Siebenfache erhöht werden, würde man ihn auf ewig behalten, dann ginge es nicht nur um ein Vierjahresmandat.“ Darin klang unverhohlen die Absicht durch, 2027 noch einmal für vier weitere Jahre zu bleiben.

Der in jeder Art von Schauspiel überaus geübte Netzwerker bemühte einen Strauß an mehrsprachig vorgetragenen Argumentationen, um seinen positiven Einfluss auf den Fußball zu skizzieren: Er wäre doch jüngst nicht zum G20-Gipfel nach Indonesien eingeladen worden, wenn Politiker, Organisationen und Institutionen der Fifa nicht Rückendeckung geben würden: „Diese Leute würden sich nicht mit einer Fifa zusammensetzen, der sie nicht trauen.“ Und Medienanstalten und Sponsoren stehen unverändert parat, um bislang fast jeden Expansionsplan mitzutragen, weil eben auch Länder wie Katar von der Beliebtheit dieses Sports profitieren wollen.

Doppelmoral unterstellt

Nur an einem Punkt hatte es Infantino übertrieben. Die Tourismusbehörde aus Saudi-Arabien („Visit Saudi“) als Partner der Frauen-WM in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August) installieren zu wollen, ist laut Infantino an einem „Sturm im Wasserglas“ gescheitert: Die Gastgeber aus Ozeanien wollten keinen Partner aus einem Land, das es mit Menschen- und Frauenrechten nicht so genau nimmt. Die Verträge werden nicht unterschrieben, versicherte der Fifa-Chef in der Pressekonferenz – und unterstellte Australien sogleich mal eine Doppelmoral, denn schließlich würden milliardenschwere Geschäfte mit Saudi-Arabien abgewickelt.

Weiteres Wachstunspotenzial

Ansonsten spielte der Frauenfußball eine ziemlich große Rolle in seiner Schlussansprache; wohl auch, weil Infantino hier weiteres Wachstumspotenzial und damit Erlösquellen vermutet. So soll bei Fifa-Weltmeisterschaften das Prinzip von Equal Pay umgesetzt werden, um da mit „Taten statt leerer Worte“ voranzugehen: „Unser Ziel ist es, in der Lage zu sein, bei der WM der Männer 2026 und der Frauen-WM 2027 gleiche Bezahlung zu erreichen.“ 150 Millionen Euro Preisgeld – und damit zehnmal so viel wie bei der WM 2015 in Kanada – kämen durch die Fifa bereits jetzt in Australien und Neuseeland zur Ausschüttung.

Für die Gleichberechtigung wären nun vor allem die Fernsehanstalten gefordert, erklärte Infantino, der eine feine Spitze gegen Deutschland in sein letztes Statement verpackte. Dem Vernehmen nach stocken die Verhandlungen zwischen ARD und ZDF um die Rechte der Frauen-WM 2023, weil es völlig unterschiedliche Vorstellungen über den Wert des Turniers gibt, das in Europa in der Nacht und in den frühen Morgenstunden läuft. „Es kann nicht sein, dass TV-Sender 100 Millionen für eine WM der Männer bieten und nur eine Million für die Frauen“, kritisierte Gianni Infantino bei seinem großen Auftritt in Kigali.