Vor der Wiederwahl: Gianni Infantino Foto: dpa/Alessandra Tarantino

Fifa-Präsident Gianni Infantino hat ein System des Gebens und Nehmens installiert. Vor seiner anstehenden Wiederwahl hat sich der Deutsche Fußball-Bund nun erstmals deutlich positioniert.

Natürlich ist der Fußball-Weltverband nicht ohne Geschenke gekommen. Noch bevor die obersten Repräsentanten zum 73. Fifa-Kongress in der Hauptstadt von Ruanda landeten, hatte sich der Geldkoffer geöffnet. 4,7 Millionen Dollar sind aus dem Fifa-Forward-Programm bewilligt worden, um dem Fußballverband von Ruanda ein neues Unterkunftszentrum zu spendieren. Hier sollen nun alle Nationalteams beherbergt und verpflegt werden. So etwas kommt in einem der ärmsten Länder Afrikas gut an. Fast alle Konföderationen stehen geschlossen hinter dem spendablen Mann, der dieses System hoffähig gemacht hat: Gianni Infantino.

Infantino ist der Strippenzieher des Weltfußballs, seine Wiederwahl auf der Vollversammlung der 211 Fifa-Mitgliedsverbände am Donnerstag gilt als Formsache. Ruanda hat die Bühne für die nächste PR-Show des Schweizer Impresarios bereitet, der sich für nichts zu schade ist, um Zustimmung zu erhaschen. Unvergessen, wie er sich einen Tag vor dem Eröffnungsspiel der umstrittenen WM in Katar als wandlungsfähig wie kein Mensch vor ihm beschrieb. „Heute fühle ich mich als Katarer, heute fühle ich mich als Araber, heute fühle ich mich afrikanisch. Heute fühle ich mich homosexuell“, rief der 52-Jährige aus. „Heute fühle ich mich behindert, heute fühle ich mich als Arbeitsmigrant.“ Dass er sich nicht noch als Frau fühle, entschuldigte er tatsächlich damit, dass er mit seiner aus dem Libanon stammenden Frau vier Töchter habe.

Millionen versickern

Dieser Schauspieler wird vermutlich erneut per Akklamation, also einem zustimmenden Applaus, für weitere vier Jahre in seinem Amt bestätigt, um vornehmlich Funktionäre in Staaten mit begrenzter Population an Kickern glücklich zu machen. Ganz genau prüft die Fifa nicht mehr, ob die Zuwendungen wirklich in Entwicklungsprojekte fließen oder vielleicht doch in Verbandskreisen versickern. Bald sollen es 2,3 Millionen Euro sein, die jeder Verband einfach mal ohne Zutun, ohne Turnierteilnahme, von der Fifa bekommt.

Infantino als gerissen zu bezeichnen wäre vermutlich noch höflich untertrieben. Demokratische Prinzipien kickt er gerne mal beiseite wie einen achtlos herumliegenden Ball. Seine letzten Kritiker kommen aus Europa, er attackiert sie wie in Doha mit solchen Argumenten: „Was wir in den letzten 3000 Jahren gemacht haben, da sollten wir uns 3000 Jahre entschuldigen, bevor wir anfangen, moralische Ratschläge an andere zu verteilen.“ Argumente, die nur dem Fußballgott einfallen.

Auch bei der Fifa selbst sind nicht alle zufrieden

Inzwischen arbeiten unter seiner Ägide rund 1000 Mitarbeiter in dem gläsernen Palast auf dem Zürichberg, der sich Home of Fifa nennt. Selbst die oberste Managementebene beklagt dort intransparente Entscheidungswege.

Mit seiner Dichte an Affären und Intrigen hat Infantino seinen Vorgänger und Landsmann Sepp Blatter mal locker übertroffen: vom Kaltstellen der verbandseigenen Ethikkommission bis hin zu Geheimplänen, fast alle Fifa-Rechte in ein von Saudi-Arabien aus gelenktes Konsortium auszulagern. Unter dem obskuren Fifa-Chef ist der Fußball nicht nur globaler, sondern auch gieriger geworden.

Vater Vincenzo arbeitete als Zeitungsbote

Angesichts seiner Vita verblüfft die Skrupellosigkeit. In Brig im Kanton Wallis als Sohn italienischer Eltern geboren, schlugen sich Infantinos Eltern bald in der Schweiz durch: Sein Vater Vincenzo arbeitete als Zeitungsbote, seine Mutter Maria am Kiosk. Weggefährten beschrieben deren Sohn als intelligenten jungen Mann, der schnell Zusammenhänge verstand. Er studierte Rechtswissenschaften, kam als Berater für verschiedene Fußballorganisationen unter und trat 2000 in den Dienst der Uefa.

Inzwischen thront er an der Spitze der Fifa. In vielen Gesprächen über den heiklen Umgang mit dem schier unantastbaren Infantino fand der Deutsche Fußball-Bund (DFB) nach langem Ringen erstmals eine deutliche Antwort. „Der DFB wird die Wiederwahl von Fifa-Präsident Gianni Infantino in Kigali nicht unterstützen“, teilte DFB-Präsident Bernd Neuendorf mit – im Wissen, dass die Wiederwahl des Schweizers beim Wahlkongress dennoch nur Formsache bleibt.