Auf reges Interesse stieß die Informationsveranstaltung in der Aula des Rutesheimer Schulzentrums. Foto: Jürgen Bach

Rutesheim, Weissach, Heimsheim und Mönsheim planen einen „Windpark Heckengäu“. Etwa 300 Interessierte sind zur Informationsveranstaltung nach Rutesheim in die Aula des Schulzentrums gekommen.

Das Thema bewegt die Bürgerinnen und Bürger im Heckengäu. Und es sorgt mitunter für emotionale Wortbeiträge und Diskussionen. Vor allem bei den Windkraft-Kritikern, die sich nicht nur um Natur und Landschaftsbild sorgen, sondern auch um ihre Gesundheit oder gar den Wertverlust ihrer Immobilen. Etwa 300 Interessierte waren am Dienstagabend zur Informationsveranstaltung zu dem geplanten Projekt „Interkommunaler Windpark Heckengäu“ in die Aula des Rutesheimer Schulzentrums gekommen. Vier Kommunen im Heckengäu haben sich zusammengetan, um über einen gemeinsamen Windpark nachzudenken. Die Rutesheimer Bürgermeisterin Susanne Widmaier und der Erste Beigeordnete Martin Killinger hatten ihre Kollegen Jürgen Troll (Heimsheim), Jens Millow (Weissach) und Michael Maurer (Mönsheim) mit an den gemeinsamen Tisch in der Aula eingeladen – und damit Geschlossenheit demonstriert. Wobei sich erst einmal nur Heimsheim und Rutesheim definitiv einig sind, die iTerra Energy GmbH mit Sitz in Gießen als Projektträger mit ins Boot zu holen. Die anderen beiden Kommunen befinden sich hier noch in einem Entscheidungsprozess.

Susanne Widmaier hielt gleich zu Beginn ein Plädoyer für die Windenergie. „Spätestens seit der Ukraine-Krise hat sich die Einstellung und die Akzeptanz der Menschen gegenüber der Windenergie verändert. Politisch betrachtet hat sich der Wind gedreht. Egal ob wir das Zeitenwende nennen oder Klimaschutz, Realität oder pure Not. Wir sind auf der Suche nach grüner Energie.“ Wenn die Menschheit künftig alles elektrifiziere, benötige sie viel mehr Strom als bisher.

Der momentane jährliche Stromverbrauch der beteiligten Kommunen: Heimsheim 22 Millionen Kilowattstunden, Mönsheim 12 Millionen (ohne Berücksichtigung von Porsche), Rutesheim 29 Millionen, Weissach 75 Millionen (50 davon gehen auf das Konto von Porsche). „Ohne die Windkraft ist der zukünftige Stromverbrauch gar nicht realisierbar“, sagte Susanne Widmaier. Sie erinnerte auch an eine andere technische Innovation früherer Jahre: „Bitte bedenken Sie, dass die Freileitungen, die im Strohgäu häufig zu sehen sind, auch erst seit etwa 100 Jahren zum Landschaftsbild gehören. Vielleicht ist es unsere Aufgabe, uns an den Anblick von heute Notwendigem zu gewöhnen“, sagte die Bürgermeisterin. Notwendig nicht nur, um klimaneutral und energieunabhängig – beispielsweise von russischen Gaslieferungen – zu werden. Die Kommunen kämen gar nicht drum herum, sich dem Thema zu stellen, denn der Ausbau von Windkraft wird inzwischen auch von Bund und Ländern vorangetrieben. So sollen 1,8 Prozent der Landesfläche für Windenergie ausgewiesen werden. Die Länder sind laut dem Wind-an-Land-Gesetz, das der Bund 2022 verabschiedet hat, verpflichtet, entsprechende Flächen bis 2032 auszuweisen. Im Raum Stuttgart wurde diese Aufgabe dem Verband Region Stuttgart angetragen.

Es könnten auch weniger Windkraftanlagen werden l

Die beiden iTerra-Projektleiter Lukas Cislaghi und Isabel Erbe erläuterten, wie das Projekt Heckengäu realisiert werden könnte. „Wir planen mit zwölf Windenergieanlagen, was eine Idealvorstellung ist, es könnten nach der Berücksichtigung aller Gutachten, am Ende auch weniger werden.“ Neun sollen, verteilt auf die Kommunen Weissach, Heimsheim und Mönsheim, im Wald errichtet werden, drei auf Rutesheimer Gemarkung auf dem offenen Feld. Die Anlagen werden eine Nabenhöhe von 199 Meter und eine Gesamthöhe bis zur Rotorspitze von etwa 285 Metern haben.

Das Landschaftsbild werden sie verändern, sie werden von exponierten Stellen aus zu sehen sein. Nicht nur daran stoßen sich die Kritiker. „Windkraft als grüne Energie? Das ist doch Blödsinn und eine CO2-Lüge. Wie viel Sand muss ich importieren, wie viel Stahlbeton wird verbaut? Außerdem zerstört eine Windkraftanlage das Mikroklima“, meinte eine verärgerte Bürgerin, die auch die Sorge vor dem gesundheitsschädlichen Infraschall äußerte. Ein Weissacher Windkraftgegner schwärmte von seinem Eigenheim inklusive der 30 000 Euro teuren Photovoltaikanlage („die könnte sich doch jeder aufs Dach montieren und so etwas für den Klimaschutz tun“) , die 90 Prozent der Energie für seinen Whirlpool und die Sauna liefere. Ein weiterer Bürger wurde emotional, als er kritisierte: „Wir denken, wir könnten hier in Deutschland das Klima retten, währenddessen geht die Wirtschaft den Bach runter.“

Wer fragt bei den Autobahnen nach Emissionen oder Lärm?

Eine Heimsheimerin, die das Thema Windenergie sehr sachlich sieht, merkte an: „Wer fragt denn bei den Autobahnen nach Emissionen oder Lärm?“ Und eine Befürworterin der Windkraftanlagen aus Rutesheim sieht die Gemeinden auf dem richtigen Weg: „Wir müssen das Problem lösen und laut der Bundesgesetzgebung einen gewissen Flächenanteil für erneuerbare Energie zur Verfügung stellen. Und es geht doch darum, dass wir unseren wachsenden Stromverbrauch decken müssen, daher müssen wir auch in angemessener Form über dieses Thema reden.“ Bedauerlich fand sie, dass so wenig junge Leute den Weg zur Informationsveranstaltung fanden. „Die würden viel offener mit dem Thema umgehen.“