Propalästinensische Aktivisten haben einen Hof der Freien Universität in Berlin besetzt. Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Der Konflikt im Nahen Osten ist auch an deutschen Hochschulen angekommen. Für einige Stunden besetzen Aktivisten einen Hof der Freien Universität Berlin.

Berlin - Rund 150 propalästinensische Aktivisten haben zeitweise einen Hof der Freien Universität in Berlin besetzt. Die Hochschule stellte ihren Lehrbetrieb vorübergehend ein, die Polizei räumte am Nachmittag das Gelände. "Diese Form des Protests ist nicht auf Dialog ausgerichtet. Eine Besetzung ist auf dem Gelände der FU Berlin nicht akzeptabel", sagte Universitätspräsident Günter Ziegler in einer Mitteilung. "Wir stehen für einen wissenschaftlichen Dialog zur Verfügung – aber nicht auf diese Weise".

Der Zentralrat der Juden kritisierte die Leitung der Hochschule deutlich. In Leipzig räumte die Polizei ebenfalls nach einer Besetzung einen Hörsaal der Universität.

Die Besetzer des Theaterhofes forderten Solidarität mit den Menschen in Gaza. Dafür bauten sie auch Zelte auf dem Gelände der Hochschule im Stadtteil Dahlem auf. "Wir besetzen die Freie Universität Berlin", hieß es in einer Ansprache, dies geschehe in Solidarität mit dem palästinensischen Volk. Kritisiert wurde das Vorgehen der israelischen Armee in Gaza. Die als "Student Coalition Berlin" auftretende Gruppe forderte die Besetzung deutscher Universitäten und studentischen Widerstand in Solidarität mit Gaza.

Parolen wie "Viva, viva, Palästina!" waren zu hören. Auf Plakaten wurde zum Streik als Form des Widerstands aufgerufen. Fahnen mit den palästinensischen Farben waren zu sehen. Polizeisprecher Michael Gassen sagte, es seien auch verbotene Parolen gerufen worden. Das werde von der Polizei dokumentiert, die Personen ermittelt und Verfahren angeleitet. Nach Polizeiangaben wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet unter anderem wegen Hausfriedensbruchs, Widerstands und des Verdachts der Volksverhetzung sowie Verfahren wegen Teilnahme an einer nicht angezeigten Versammlung.

Nach Angaben der Hochschule hatten Aktivisten auch versucht, Räume und Hörsäle der Universität zu besetzen. Die Gruppe habe weitere Studierende und Professoren zur Teilnahme aufgefordert. Es sei zu Sachbeschädigungen gekommen. Die Universität habe Strafanzeigen erstattet. Der Lehrbetrieb in den Gebäuden Rost-, Silber- und Holzlaube sei eingestellt worden. Die Bibliotheken in diesen Gebäuden und die Mensa wurden geschlossen. Zuvor hatte die Universität ein rasches Vorgehen angekündigt. "Die FU hat die Räumung angeordnet und die Polizei gerufen", so eine Sprecherin.

Zentralrat der Juden kritisiert Uni nach Besetzung

Der Zentralrat der Juden in Deutschland kritisierte, die Besetzung zeige "eindeutig den fanatischen Charakter der daran beteiligten Gruppierungen", sagte Zentralratspräsident Josef Schuster am Dienstag in einer Mitteilung. "Der Israel-Hass und der antizionistische sowie antisemitische Hintergrund der Aktion ist offensichtlich und gehört zur DNA dieser Leute", so Schuster. "Dass die Universitätsleitung erneut in einem Statement kein Wort über diesen ideologischen Unterbau verwendet, ist für mich mehr als irritierend. Ross und Reiter müssen klar benannt werden." Er habe eine klare Positionierung erwartet. "Leider scheinen die Ereignisse der vergangenen Wochen und Monate in der FU-Leitung keine ausreichende Entwicklung hervorgerufen zu haben."

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner verurteilte die Besetzung. "Wir dürfen auch an den Hochschulen nicht wegschauen, wenn antisemitische Parolen und Judenhass an den Universitäten verbreitet werden", sagte der CDU-Politiker. "Wir werden alles tun als Berliner Senat, damit jüdische Studierende keine Angst haben, die Hochschulen zu betreten." 

Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) teilte der Deutschen Presse-Agentur mit: "Grundsätzlich ist es legitim, gegen Krieg zu demonstrieren, aber nicht in Form solcher Protestaktionen wie vor drei Tagen an der HU und heute an der FU, die auf Konfrontation und nicht auf Dialog ausgerichtet sind." Sie betonte: "Die Berliner Universitäten sind sicher. Die Hochschulen positionieren sich klar gegen Antisemitismus und gehen auch dagegen vor."

Polizei räumt Camp

Das Gelände war von der Polizei zunächst abgesperrt und beobachtet worden, weitere Aktivisten wurden nicht durchgelassen. Am frühen Nachmittag wurden einzelne Gruppen demonstrierender Menschen vom Gelände begleitet. Schließlich wurde auch das Camp selbst geräumt. Nach mehrfachen Aufforderungen, das Gelände zu verlassen, begannen die Einsatzkräfte damit, einzelne Teilnehmerinnen und Teilnehmer abzuführen. Am Rande kam es zu einzelnen Rangeleien zwischen Polizeikräften und Menschen aus benachbarten Uni-Gebäuden. 

Auch an anderen Universitäten wird protestiert

In Leipzig war die Polizei ebenfalls wegen einer Besetzung auf dem Gelände der Universität im Einsatz. Es seien derzeit 13 Tatverdächtige ermittelt, teilte ein Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur mit. Vor der Räumung seien die Unterstützer, die die Türen des Audimax blockiert hatten, aufgefordert worden, die Eingänge zum Hörsaal freizugeben. Einige hätten jedoch weggetragen werden müssen, hieß es.

Am Freitag hatten Aktivisten an der Berliner Humboldt-Universität protestiert. Rund 150 Menschen waren zu einer nicht angemeldeten Kundgebung zusammengekommen. Die Protestierenden forderten einen Hörsaal als Kundgebungsort, dem die Universitätsleitung nicht stattgab. In der Folge leitete die Polizei 37 Ermittlungsverfahren ein wegen möglicher Fälle von Volksverhetzung sowie Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.

In den USA gibt es seit mehr als zwei Wochen an zahlreichen Universitäten Proteste gegen das Vorgehen Israels im Gaza-Krieg und für eine Solidarität mit den Palästinensern. Hintergrund ist das beispiellose Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Angesichts der hohen Zahl ziviler Opfer und der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen steht Israel international in der Kritik.