Wie steht es um die Bildung im Südwesten? Foto: dpa/Marijan Murat

Dass in den Grundschulen viele Schüler nicht mehr die Mindeststandards erreichen, ist schon länger bekannt. Jetzt gehen auch die erfolgreichen Abschlüsse an den Berufsschulen zurück.

Digitalisierungsschub an den Schulen, weiter große Probleme mit Basiskompetenzen an den Grundschulen und neue Einbrüche bei Berufsabschlüssen: Der Bildungsbericht für Baden-Württemberg listet Mängel aber auch positive Entwicklungen im Bildungssystem auf. Am Donnerstag wurde das rund 250 Seiten starke Papier in Stuttgart vorgestellt. Erarbeitet wurde es vom Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW) gemeinsam mit dem Statistischen Landesamt. Die wichtigsten Befunde der Wissenschaftler im Überblick:

Nicht neu, aber sehr zentral, seien Sprachprobleme zum Beginn der Grundschule, sagte Fabian Schefcik vom IBBW. „Rund ein Drittel der Kinder, die unsere Grundschulen besuchen, bekommen einen Sprachförderbedarf diagnostiziert“, sagte er. Dieser Anteil sei in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen - und habe auch große Auswirkungen auf den späteren Bildungserfolg. „Frühe Sprachkenntnisse stellen die Voraussetzung für das Erlernen weiterer Fähigkeiten dar“, sagte Schefcik.

Immer mehr Azubis verlassen die Berufsschulen

Eine große Rolle sowohl beim Sprachförderbedarf als auch beim Erreichen der Mindeststandards in der Grundschule spielt dem Bericht zufolge die Herkunft der Schülerinnen und Schüler. Kinder aus Familien, in denen nicht vorwiegend Deutsch gesprochen wird, haben demnach zu mehr als 70 Prozent zu Beginn der Grundschule einen Sprachförderbedarf. Zudem erreicht rund die Hälfte der Kinder aus diesen Familien in der dritten Klasse nicht die Mindeststandards bei Lesen, Schreiben und Rechnen.

Man habe auf die Mängel bereits mit einem Maßnahmenbündel reagiert, teilte das Kultusministerium mit. „Wir sind also auf dem richtigen Weg. Jetzt müssen wir auch akzeptieren, dass es dauert, bis sich die positiven Effekte zeigen“, sagte ein Sprecher. Das oberste Ziel sei mehr Bildungsgerechtigkeit. „Bildungserfolg von der sozialen Herkunft zu entkoppeln, ist dabei eine enorme Aufgabe, die wir sehr ernst nehmen“, so der Sprecher.

Immer mehr Auszubildende verlassen die beruflichen Schulen in Baden-Württemberg ohne einen Berufsabschluss. Dem Bericht zufolge lag der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die eine berufliche Schule mit einem Abschluss verließen, im Jahr 2022 mit 78 Prozent auf einem historischen Tief. Im Jahr 2012 habe die Quote noch bei 85 Prozent gelegen. „Sollte sich dieser Trend weiter fortsetzen, wird sich der Fachkräftemangel weiter verschärfen“, sagte Jan Spieker vom IBBW. Besonders stark ist der Rückgang der Quote erfolgreicher Abschlüsse dem Bericht zufolge an Schulen für Berufe des Gesundheitswesens und an Fachschulen.

Zahl der Referendare als guter Frühwarnindikator

Kultusministerin Theresa Schopper nannte als Ursache für den Rückgang die Corona-Pandemie. „In der Hotellerie beispielsweise sind viele Ausbildungsverhältnisse nicht zu Ende geführt worden“, sagte die Grünen-Politikerin. Zudem seien in der Statistik inzwischen auch Schülerinnen und Schüler erfasst, die in der Fluchtbewegung 2015/2016 nach Deutschland gekommen waren. Diese seien oft im praktischen Teil der Ausbildung sehr erfolgreich, hätten aber teils Probleme beim theoretischen Teil, so Schopper.

Die Experten gehen davon aus, dass sich die Zahl der Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg künftig wieder erhöhen wird. Bis zum Schuljahr 2032/2033 sei mit einem Anstieg von rund 10 Prozent auf dann 1,206 Millionen Schüler zu rechnen. Besonders stark dürfte der Zuwachs an den Grundschulen ausfallen. In den vergangenen zehn Jahren war die Zahl der Schülerinnen und Schüler gesunken. Ein genaue Vorausberechnung sei aber derzeit sehr schwierig. „Durch Wanderungsbewegungen können sich die Bevölkerungszahlen sehr schnell verändern“, sagte Rainer Wolf vom Statistischen Landesamt.

An den allgemeinbildenden Schulen in Baden-Württemberg unterrichteten im vergangenen Schuljahr gut 96 000 Lehrkräfte, was den Experten zufolge gut 72 000 Vollzeitstellen entspricht. Weil die Schülerzahlen in den vergangenen Jahren zurückgingen, verbesserte sich auch das Betreuungsverhältnis - auf einen Lehrer kamen also weniger Schüler. Das dürfte sich laut Bildungsbericht bald wieder ändern. Dafür sei die Zahl der Referendare ein guter Frühwarnindikator, sagte Jan Spieker vom IBBW. „Vor dem Hintergrund steigender Schülerzahlen stünden allen Schularten mehr Lehramtsanwärter gut zu Gesicht, um das gegenwärtige Verhältnis von Schülern pro Vollzeitstelle beizubehalten.“

Große Unterschiede zwischen den Geschlechtern

Große Unterschiede gibt es dem Bericht zufolge weiter zwischen den Geschlechtern. So machen Mädchen etwa häufiger Abitur, Jungen sind beim Hauptschulabschluss deutlich überrepräsentiert. Auch bei den inhaltlichen Präferenzen, etwa im Studium, gibt es weiter große Unterschiede. So studierten etwa 45 Prozent aller männlichen Studierenden Ingenieurwissenschaften, bei den Frauen liegt der Anteil gerade einmal bei 14 Prozent.

Der Bericht listet aber auch positive Entwicklungen im Land auf. So hat sich aus Sicht der Experten der Stand der Digitalisierung an den Schulen während der Corona-Pandemie deutlich verbessert - sowohl was die Ausstattung mit digitalen Geräten als auch deren Einsatz angeht. Dass Lehrerinnen und Lehrer während der Pandemie mehr digitale Kompetenzen erwarben und sich gleichzeitig die Ausstattung verbesserte, habe zu weniger Vorbehalten und Ängsten und mehr Akzeptanz geführt, schreiben die Experten in ihrem Bericht.