Beeindruckte Besucher an eindrucksvollem Ort (von links): Bürgermeister Gäufeldens Benjamin Schmid, Muhterem Aras, Anna Pajdakovic, Benjamin Merkt, Walter Kinkelin, Harald Roth, Andreas Kroll. Foto: Landtag BW/Max Kovalenko

Landtagspräsidentin Muhterem Aras besucht die KZ-Gedenkstätte Hailfingen/Tailfingen

Im Zeichen der Erinnerung an die Opfer der NS-Diktatur und an den Widerstand gegen den Terror stand die diesjährige Gedenkstättenreise von Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne). Dabei besuchte verschiedene Gedenkorte in den Landkreisen Tübingen, Böblingen und Freudenstadt, um an den Beginn der Zerstörung der Demokratie vor 90 Jahren zu erinnern.

601 jüdische Zwangsarbeiter

Zu einer ihrer Stationen gehörte die KZ-Gedenkstätte Hailfingen-Tailfingen, die an die 601 jüdischen Häftlinge erinnert, die 1944/45 im KZ-Außenlager Hailfingen/Tailfingen Zwangsarbeit leisten mussten, um den damaligen Nachtjägerflugplatz auszubauen und instandzuhalten.

Sowohl der Vorsitzende des Gedenkstättenvereins Walter Kinkelin als auch der Gäufeldener Bürgermeister Benjamin Schmid betonten in ihren Begrüßungen die große Bedeutung dieses Besuchs für die Gedenkstätte und die Erinnerungsarbeit vor Ort. In den Wintermonaten 1944/45 kamen nachweislich 189 jüdische KZ-Häftlinge beim Ausbau des von den Nazis errichteten Militärflugplatzes ums Leben.

Ausgemergelt von jahrelangem Hunger, körperlicher Misshandlungen und schwerer Arbeit kamen im November 1944 601 Männer im Alter von 15 bis 60 Jahren mit einem Transport aus dem KZ- Stutthof in Nebringen an. Veranschaulicht durch ein Nummernbuch, in dem alle 601 KZ-Häftlinge mit ihren Häftlingsnummern und ihren Namen von den Nazis dokumentiert wurden, gab Harald Roth vom Verein, der die Gedenkstätte betreibt, Muhterem Aras einen Einblick in die bittere Vergangenheit, welche sich direkt vor unserer Haustüre abspielte.

Im Schatten des Mahnmals, welches seit 2010 am westlichen Ende der ehemaligen Start- und Landebahn an die jüdischen KZ-Häftlinge erinnert und ihre Namen festhält, sprach der letzte noch aktive Überlebende des Lagers über eine Audioaufnahme von seinen Erlebnissen. „In dem Flugzeughangar schliefen wir auf Stroh und darin gab es so viele Läuse, diese Läuse haben uns aufgegessen“, erinnert sich der 99-jährige Mordechai Ciechanower an die bittere Zeit in Hailfingen/Tailfingen.

Eindrückliche Erinnerungen

Neben dem im April eigens für ihn gepflanzten Apfelbaum kommt Mordechai Ciechanower erneut zu Wort und berichtet eindrücklich: „Als wir ankamen lagen Äpfel am Wegesrand, diese waren bereits verfault, aber verfaulte Äpfel sind auch gut, wenn man Hunger hat“.

Auf der Landebahn unter den inzwischen über Jahrzehnten wieder hochgewachsenen Bäumen resümierte Muhterem Aras ihren Besuch im Gäu: „Es berührt mich sehr, wie würdevoll von der Leidensgeschichte und dem Widerstand der ehemaligen Häftlinge erzählt wird und wie der Verein und die beteiligten Städte sich damit auch gegen das Vergessen und für die Förderung der Demokratie heute einsetzen. Es stimmt mich hoffnungsfroh, dass junge Menschen eine aktive Rolle dabei einnehmen“, so Aras im Gespräch mit einem Jugendguide, der die Landtagspräsidentin über das Gelände führte und von einem Besuch in Israel die Audiobotschaft von Mordechai Ciechanower mitgebracht hatte.

Aras besuchte außer dem Dokumentationszentrum in Gäufelden-Tailfingen, das der 2010 für die Betreuung und Entwicklung der Gedenkstätte gegründete Verein „KZ Gedenkstätte Hailfingen Tailfingen e. V.” als Lernort für die regionale NS-Geschichte betreibt auch das Mahnmal der KZ-Gedenkstätte Hailfingen/Tailfingen in Rottenburg am Neckar-Hailfingen. Das Mahnmal am westlichen Ende der ehemaligen Startbahn des Nachtjägerflughafens Hailfingen erinnert seit Juni 2010 an die 601 KZ-Häftlinge und hält ihre Namen fest.

Plädoyer für Zivilcourage

Es wurde von dem Ellwanger Künstler Rudolf Kurz aus Aluminium, dem Material des Flugzeugbaus, und aus Beton geschaffen und von der Stadt Rottenburg finanziert. Ein Gedenkpfad führt entlang dieser Spuren, vorbei an zwölf Stationen mit Infotafeln und einem Audioguide. Auf dem Tailfinger Friedhof liegen 75 Häftlinge des KZ-Außenlagers begraben, ihre Namen konnten ihnen wiedergegeben werden.

„Unsere Demokratie hat nur eine Zukunft, wenn das Erinnern eine Zukunft hat“, sagte Aras. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit könne dabei helfen zu verstehen, wie fragil Demokratie ist, wenn Menschen sich nicht aktiv dafür einsetzen. „Gesetzestexte allein können unsere Werte nicht garantieren. Dazu braucht es Zivilcourage. Es braucht Menschen, die aufstehen, wenn diese Werte angegriffen werden.“ Darin, so Aras, „besteht unsere Pflicht als mündige Bürgerinnen und Bürger, als Demokratinnen und Demokraten“.