Der Eingang des Marktes wird streng bewacht. Foto: Julian Rettig

Darsteller und historische Handwerker machen am Wochenende die Antike begreifbar. Sie demonstrieren: Die alten Römer waren viel moderner als viele Menschen glauben.

Legionäre, Reiterkastelle, rauschende Orgien und politische Ränkespiele: Das alte Rom ist schon lange Geschichte, das weströmische Reich zerbrach im 5. Jahrhundert. Dennoch ist die Faszination, die diese Epoche auf viele Menschen ausübt, bis heute ungebrochen. Das zeigte sich auch an diesem Wochenende in Welzheim: Im örtlichen Museum ließen Marktstände und Darsteller das Alte Rom für einen antiken Martinusmarkt wieder aufleben. Kunsthandwerk, Gebäck und Glühwein nach Rezepten aus der Antike und natürlich jede Menge authentisch gerüstete Legionäre und Hilfstruppen ließen die Besucher eintauchen in die Zeit vor rund 2000 Jahren.

Auch Marcus Schaaf, Mitglied der Darstellergruppe Numerus Brittonum vom Historischen Verein Welzheim, ist im Bann der Römerzeit. Er war als Offizier in der Paradeuniform des 3. Jahrhunderts unterwegs – besonders die Lokalgeschichte zieht in schon lange in ihren Bann: „Ich komme aus Welzheim, dort haben wir mit den Römerkastellen 1800 Jahre alte Ruinen vor Ort. Schon als Jugendlicher habe ich mich nach dem Wie und Warum gefragt“, erzählt er.

Die Römer waren erstaunlich modern

Das Kettenhemd ist keine römische Erfindung. Foto: Julian Rettig

Aber auch das Staatswesen der antiken Römer fasziniert die Menschen bis heute. „Schon wenn man bedenkt dass allein der Niedergang des Römischen Reiches länger dauerte als andere Reiche insgesamt existiert haben“, sagt Schaaf. „Und das ohne Mails, Telefone oder andere Mittel der Moderne.“ Immer wieder habe Rom es geschafft, angesichts von Krisen Flexibilität zu beweisen und sich wieder aufzurappeln.

Martin von Tours wirft viele aktuelle Fragen auf

Überhaupt sei die römische Gesellschaft bei vielen Dingen überraschend modern gewesen. „Etwa, was das Rechtswesen angeht, den Verkehr, aber auch den Umgang mit Migration und die Toleranz gegenüber anderen Religionen.“ Was sich auch am heimlichen Star des Wochenendes zeigt: Dem Reitersoldaten Martinus, hierzulande bekannt als Sankt Martin. Zwar liegen rund 50 Jahre zwischen der Aufgabe des Grenzwalls Limes und dem Leben des historischen Martin von Tours – doch was sind schon 50 Jahre angesichts der zweitausendjährigen römischen Geschichte.

„Anhand seiner Person kann man viele Facetten aufgreifen“, findet Schaaf. So habe Martinus als Christ in der römischen Armee gedient – ein Zwiespalt zwischen dem Ideal der Nächstenliebe auf der einen, dem Kriegshandwerk und der Wehrfähigkeit auf der anderen Seite. „Und auch die Frage des Materialismus. Auch in der heutigen Gesellschaft gibt es doch viele Menschen, die wie Martin auch mit der Hälfte ihres Besitzes noch gut zurechtkommen würden.“

Die Römer waren gut darin, Erkenntnisse anderer Völker zu adaptieren und zu verbessern. Das erklärt auch Jan Vogel, der einen keltischen Salzsieder mimt. Vor ihm köchelt eine Tonschale mit Solewasser, nach und nach setzt sich das „weiße Gold der Kelten“ ab. „Die Römer haben dafür dann später Bottiche aus Blei verwendet“, erklärt er. Einige Meter weiter flickt Daniel Rücker Kettenhemden. „Die wurden eigentlich von den Kelten erfunden“, sagt er, während er Ring um Ring zurechtbiegt. Doch die Römer vernieteten die einzelnen, nun flachen Ringe, was die Panzerung nicht nur stabiler, sondern auch bequemer macht.

Das Salz war das weiße Gold der Kelten

Hier wird Salz gesiedet. Foto: Julian Rettig

Im Keller des Museums wartet ein Tempel des geheimen Mithraskults, den Soldaten aus Persien bis an den Limas brachten. „Er war damals ähnlich weit verbreitet wie das Christentum“, erklärt Schaaf. Die beiden Religionen verbreiteten im Kampf um Gefolgschaft damals Schauergeschichten übereinander – auch Fake-News gab es damals offensichtlich schon.