Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) haben das Rentenpaket II gemeinsam vorgestellt. Jetzt gibt es dennoch Streit. Foto: dpa/Michael Kappeler

Finanzminister Christian Lindner hat das Rentenpaket II vorerst gestoppt, aus der FDP kommen immer neue Forderungen. Was ist der Kern des Streits? Und wie geht es jetzt weiter? Ein Überblick.

Worum geht es beim neuesten Streit um die Rente überhaupt? „Kurz gesagt verstehen wir den Streit um das Rentenpaket nicht wirklich“, sagt selbst Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne). Denn es gebe ja eine Einigung – und den gemeinsamen Willen, das Rentenniveau bei 48 Prozent zu stabilisieren. Doch die FDP hat im Rentenstreit nachgelegt und Änderungen bei der Rente für besonders langfristig Versicherte gefordert. Das Wichtigste in Fragen und Antworten.

Was ist der zentrale Streitpunkt? Das Bundeskabinett sollte eigentlich in der vergangenen Woche das Rentenpaket II beschließen. Der zentrale Punkt darin ist, dass das Rentenniveau für lange Zeit gesetzlich bei mindestens 48 Prozent festgeschrieben werden soll – wirksam bis zum Jahr 2039. Mit Hilfe eines Generationenkapitals soll zudem der Anstieg der Rentenbeiträge in Zukunft zumindest gedämpft werden. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat die Reform selbst mit Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) verhandelt, sie dann aber im letzten Moment vorerst gestoppt.

Was ist das Rentenniveau? Das Rentenniveau ist – anders als oft angenommen – nicht der Prozentsatz, den jemand von seinem letzten Lohn als Rente bekommt. Es ist ein statistischer Wert, der das Verhältnis der Rente eines Durchschnittsverdieners nach 45 Beitragsjahren zum mittleren Lohn beschreibt. Die Regierung will – vor allem auf Druck der SPD –, dass das aktuelle Rentenniveau von 48 Prozent auch in den kommenden Jahren nicht unterschritten werden darf. Wenn die Löhne steigen, sollen die Renten in einem vergleichbaren Maß steigen.

Klingt vernünftig. Wo liegt das Problem? Die Rentenversicherung wird in den kommenden Jahren zunehmend durch den demografischen Wandel unter Druck geraten. Die Zahl der Menschen in Rente wird größer – es gibt im Vergleich nicht so viele Beitragszahler. Die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer-Generation werden nach und nach in Rente gehen. Das bedeutet, dass die Rentenbeiträge und auch der ohnehin gewaltige Steuerzuschuss zur Rentenversicherung stark ansteigen müssen. Dieser Effekt wird durch die langfristige gesetzliche Haltelinie beim Rentenniveau noch verstärkt.

Kann das nicht durch das Generationenkapital ausgeglichen werden? Das Generationenkapital wird nur einen überschaubaren Beitrag leisten können. Es funktioniert, grob ausgedrückt, so: Der Staat leiht sich Geld, legt es am Kapitalmarkt an und will aus den Erträgen die Rentenkasse stützen. Das hat mit der Aktienrente, die von der FDP ursprünglich einmal angestrebt worden war, nichts zu tun. Dafür wäre ein Teil der Rentenbeiträge direkt in Aktien investiert worden. Dieses Konzept wird aber nicht Realität. Viele in der FDP – insbesondere jüngere Abgeordnete – sind der Meinung, dass ihre Partei bei den Koalitionsverhandlungen und auch später bei den konkreten Verhandlungen über das Rentenpaket II zu wenig herausgeholt hat. Jetzt machen sie Druck auf FDP-Chef Christian Lindner, Änderungen zu erzielen.

Was hat die Debatte über die so genannte Rente mit 63 damit zu tun? Eines vorweg: Der Begriff Rente mit 63 trifft die Sache nicht mehr. Es geht um Menschen, die nach 45 Versicherungsjahren abschlagsfrei in Rente gehen können. Für diejenigen, die vor 1953 geboren sind, ging dies noch mit 63 Jahren. Da das allgemeine Rentenalter schrittweise angehoben wird, gilt dies auch für die Rente für besonders langjährig Versicherte. Derzeit können sie mit 45 Versicherungsjahren im Alter von 64 Jahren und vier Monaten ohne Abschläge in Rente gehen. Wer 1964 oder später geboren ist, kann dies mit 65 Jahren tun. Die FDP verweist darauf, dass es in Zeiten des Fachkräftemangels unsinnig sei, Menschen den vorzeitigen Weg in die Rente zu ebnen. Dies sei nicht generationengerecht.

Wer nutzt die Rente für besonders langfristig Versicherte? SPD-Politiker verweisen stets auf die Krankenschwester oder den Dachdecker. Die FDP erklärt, auch hoch bezahlte Facharbeiter könnten die Möglichkeit nutzen. Im Jahr 2022 haben rund 262 000 Menschen die Möglichkeit genutzt, abschlagsfrei nach 45 Versicherungsjahren in Rente zu gehen. Der durchschnittliche Rentenzahlbetrag lag bei knapp 1487 Euro.

Ist damit zu rechnen, dass die FDP sich hier durchsetzt? Nein. Die SPD sieht in allen Rentenfragen ein wichtiges Wahlthema. Auch die Gewerkschaften zählen hier auf die Sozialdemokraten. „Es gibt keine Rente mit 63, sondern nur die abschlagsfreie Rente für langjährig Versicherte mit mehr als 45 Beitragsjahren“, sagt Verdi-Chef Frank Werneke. „Das abschaffen zu wollen, ist ein Angriff auf die Lebensleistung hart arbeitender Menschen und ein Ausdruck von Respektlosigkeit.“

Wie geht es also weiter? Das Rentenpaket II soll im Mai im Kabinett beschlossen werden. Dann beginnt das Ringen im parlamentarischen Verfahren – vor allem zwischen SPD und FDP. Parallel wird über den Haushalt 2025 verhandelt. Das eine hat zwar mit dem anderen nichts zu tun. Doch die eine Einigung dürfte nicht ohne die andere kommen.