Björn Höcke tritt im Herbst bei den Landtagswahlen in Thüringen an. Der Landesverband gilt als gesichert rechtsextrem. Foto: dpa/Martin Schutt

Die Alternative für Deutschland spaltet das Land: Die Partei schneidet in Umfragen gut ab, andererseits mehren sich Demonstrationen gegen die AfD, die in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Aber was bedeutet das? Fragen und Antworten.

Die Berichte über ein Treffen mit Rechtsextremisten zur Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland befeuern die Debatte über die AfD. Die Stimmen aus der Politik reichen von Forderungen eines Parteiverbots bis hin zu Bekenntnissen, die „AfD politisch einzudämmen“, wie es beispielsweise Finanzminister Christian Lindner (FDP) oder der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) formulierten.

Vizekanzler Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) warnte eindringlich vor der rechten Partei. „Es geht den Rechtsautoritären um einen Angriff auf das Wesen der Republik“, sagte der Politiker dem Magazin „Stern“. „Sie wollen aus Deutschland einen Staat wie Russland machen.“ Darauf bereiteten sie sich systematisch vor.

Der Verfassungsschutz beobachtet die AfD seit einiger Zeit. Drei Landesverbände gelten dabei als „gesichert rechtsextremistisch“.

Was bedeute gesichert rechtsextremistisch?

Der Verfassungsschutz unterteilt die Fälle mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen in drei Kategorien:

  • Prüffall: In einem ersten Schritt darf der Verfassungsschutz sich lediglich aus öffentlich zugänglichen Quellen Informationen beschaffen. Dazu gehören neben Medienberichten beispielsweise Beiträge in sozialen Medien oder bei anderen Internetauftritten. Auch öffentliche Auftritte, Reden, Satzungen oder Parteiprogramme gehören dazu. Vereinfacht gesagt eruiert der Verfassungsschutz in diesem Stadium, ob es genügend Anhaltspunkte gibt, um die Organisation, Partei oder Einzelperson genau zu beobachten. Die Öffentlichkeit darf über einen Prüffall nicht informiert werden.
  • Verdachtsfall: Haben die Verfassungsschutzmitarbeiter genügend Erkenntnisse darüber, dass es tatsächlich verfassungsfeindliche Bestrebung gibt, dann wird der Prüffall zum Verdachtsfall hochgestuft. Das wird in der Regel auch öffentlich gemacht. Das „Beobachtungsobjekt“ darf auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln durchleuchtet werden. Der Verfassungsschutz kann dazu beispielsweise auch sogenannte V-Männer (Informanten) rekrutieren, Personen observieren oder deren Kommunikation überwachen.
  • Gesichert Extremistisch: Den Umweg „Verdachtsfall“ muss der Verfassungsschutz nicht unbedingt gehen. In der letzten Stufe herrscht gewissermaßen Gewissheit, der Verdacht hat sich erhärtet, dass es innerhalb der Gruppierung extremistische Bestrebungen gibt.

Im übrigen erstreckt sich die Sammlung und Prüfung der Daten nicht nur auf das rechtsextreme Spektrum. Der Verfassungsschutz beobachtet genauso Linksextremisten oder islamistische Gefährder – im Grunde alle „Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind“.

Wo ist der Unterschied zwischen Verdachtsfall und gesichertem Extremismus?

Eine Überwachung ist ein starker Eingriff in die Grundrechte, der immer begründet sein muss. Beim Verdachtsfall muss der Verfassungsschutz noch stärker abwägen, ob eine Maßnahme es wert ist, um eine bestimmte Information zu generieren. Ihr Nutzen muss größer sein als der Schaden, den sie möglicherweise auch verursacht – es geht immer um die Frage der Verhältnismäßigkeit.

Welche Landesverbände der AfD sind gesichert rechtsextremistisch?

Seit Dezember 2023 gilt der Landesverband aus Sachsen als gesichert rechtsextremistisch. Der sächsische Verfassungsschutz hatte die AfD in Sachsen zuvor jahrelang beobachtet – seit Anfang 2021 war er als „Verdachtsfall“ eingestuft. Die Partei vertrete „typische völkisch-nationalistische Positionen“, hieß es. Der AfD-Landesverband bediene sich zudem gängiger antisemitischer, zumeist verschwörungsideologischer Positionen, die regelmäßig auch von Rechtsextremisten und Reichsbürgern verwendet werden.

Der Landesverband in Thüringen unter Führung von Björn Höcke, der auch bei den Landtagswahlen im Herbst als Spitzenkandidat antritt, wurde bereits im März 2021 als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Höcke selbst darf nach einem Gerichtsurteil als „Faschist“ bezeichnet werden.

Der dritte Landesverband, der vom Verfassungsschutz in die höchste Kategorie einsortiert wird, ist der aus Sachsen-Anhalt. Er gilt seit November 2023 als gesichert rechtsextremistisch.

Was ist mit der Jugendorganisation der AfD?

Der Verfassungsschutz hatte den Bundesverband der Jungen Alternative (JA) zeitweise als gesichert rechtsextreme Bestrebung eingestuft. Im Juni nahm die Behörde diese Einstufung aufgrund eines Eilantrags der Partei jedoch vorläufig zurück, sie führt die JA seitdem wieder als Verdachtsfall.

Für einzelne Landesverbände gilt das aber nicht. Als gesichert extremistisch stufen die Verfassungsschützer die Jugendorganisationen in Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern ein. In vier weiteren Bundesländern – darunter auch Baden-Württemberg – gilt die Jugendorganisation als Verdachtsfall.

Wie wird die Bundespartei eingestuft?

Die Bundespartei gilt als Verdachtsfall, genauso wie sechs weitere Landesverbände (Baden-Württemberg, Niedersachsen, Brandenburg, Bremen, Hessen, Bayern). Im aktuellen Bericht heißt es dazu: „In Verlautbarungen der Partei und einer Reihe von Funktionsträgern kommen ein ethnisch-kulturell geprägtes Volksverständnis sowie fremden- und minderheitenfeindliche und muslim- und islamfeindliche Positionen zum Ausdruck, welches im Widerspruch zur Offenheit des Volksbegriffs des Grundgesetzes steht.“

Außerdem würde die AfD politische Gegner sowie Repräsentanten des Staates diffamieren und verunglimpfen, und habe „nicht eine Auseinandersetzung in der Sache, sondern eine generelle Herabwürdigung und Verächtlichmachung des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland zum Ziel“.

Der Bericht schränkt jedoch – vor allem in Anbetracht der rund 30.000 Mitglieder bundesweit – ein: „Angesichts der weiterhin bestehenden inhaltlichen Heterogenität innerhalb der Partei können allerdings nicht alle Parteimitglieder als Anhänger der extremistischen Strömungen betrachtet werden.“

Geht die AfD gegen die Einstufungen vor?

Ja, sie wehrt sich vor Gericht. Weil die Beobachtungen durch den Verfassungsschutz ein Eingriff in die Grundrechte sind, ist das auch möglich – und in einem Rechtsstaat sogar unabdingbar. Bislang ist das aber nicht von Erfolg gekrönt. Im März 2022 wies beispielsweise das Verwaltungsgericht in Köln eine Klage der Bundes-AfD auf Unterlassung zurück.