Das Wohnprojekt auf der Hangweide in Kernen steht in den Startlöchern. Im August machte ein Abrissbagger den Weg frei. Foto: Gottfried / Stoppel

Nach Boomjahren auf dem Bau führen Preisentwicklung und Lieferengpässe zu einer Stornowelle. Dennoch will der Rems-Murr-Kreis weiter Wohnungen bauen, die sich auch Normalverdiener leisten können.

Unerreichbare Ziele hat sich der Rems-Murr-Kreis beim Wohnungsbau nicht gesteckt. Exakt 500 sozial geförderte und vor allem bezahlbare Appartements – das wurde vor fünf Jahren noch lange vor dem Ausbruch der Coronapandemie und des Ukraine-Kriegs beschlossen – sollen zwischen Großerlach und Plüderhausen im kommenden Jahrzehnt entstehen. Jetzt, nach der Hälfte der Zeit, hat der Landkreis trotz der Dauerkrise auch die Hälfte der seinerzeit selbst gesetzten Wegstrecke erreicht.

251 bezahlbare Wohnungen, teilweise mit innovativen Konzepten geplant und oft sogar flächenschonend gebaut, sind über die als Wohnbau-Tochter installierte Kreisbaugruppe an Rems und Murr in den letzten fünf Jahren schon entstanden. Und mit Blick auf die bereits in den Startlöchern stehenden Projekte, etwa auf der Hangweide in Kernen, aber auch in Waiblingen, Winterbach und in den Berglen, dürfen Kreispolitik und Bürgerschaft getrost davon ausgehen, dass es auch mit dem zweiten Teil der Wohnbauoffensive klappt.

Die Hälfte der geplanten 500 Wohnungen hat der Kreis bereits gebaut

Der Rems-Murr-Kreis kommt sogar so gut voran, dass er seine Strategie in diesem Jahr auf den Mietwohnungsmarkt erweitert hat. Neben dem bezahlbaren Eigentum und den per Wohnberechtigungsschein nutzbaren Objekten sollen speziell in Kernen und Waiblingen auch gut 250 Wohnungen entstehen, die im Bestand der Kreisbaugruppe bleiben sollen und zum Monatstarif nutzbar sind. „Es gibt schließlich auch viele Familien, die nicht als bedürftig gelten, aber dennoch auf eine bezahlbare Wohnung angewiesen sind“, sagt Landrat Richard Sigel. Er stuft die Frage nach dem Wohnen als brennendste soziale Frage der Zeit ein und spricht von einem „Megathema, für das der Landkreis mehr als 260 Millionen Euro in die Hand nimmt“.

Diese Zahl rieb Richard Sigel am Mittwoch beim Wohnbaugipfel in Backnang der Landespolitik unter die Nase. Im Vergleich mit dem Stellenwert, den der Landkreis dem Wohnungsbau einräume, komme manches Förderprogramm des Landes, etwa für die Unterbringung von geflüchteten Menschen, vergleichsweise überschaubar daher.

Eine Rekordförderung soll die Stornowelle auf dem Bau abmildern

Dabei hat das Land Baden-Württemberg für den sozialen Wohnungsbau eine Rekordförderung von 427 Millionen Euro ausgelobt. Mit dem Geld soll ein finanzieller Anreiz geschaffen werden, die nach Jahren des Booms durch Lieferengpässe und explodierende Rohstoffpreise jäh gestoppte Baubranche zu ermuntern, ihre fertig in der Schublade liegenden Projekte auch zu verwirklichen.

„Wir hoffen, dass wir die Stornowelle auch mit diesem Impuls verhindern können“, sagte die für Landesentwicklung und Wohnen zuständige Ministerin Nicole Razavi am Mittwoch im Bürgerhaus. Allerdings macht der geförderte Wohnbau laut der CDU-Politikerin gerade mal ein Prozent der Bauprojekte im Südwesten aus – und hängt aus ihrer Sicht von der Bodenpolitik der Kommunen ab. „Die Städte und Gemeinden sind unsere Beine auf dem Weg zu sozialem Wohnungsbau“, sagte sie zur Entwicklung von Baulücken und Gewerbebrachen.

Wird der wachsende Druck im Kessel für den Bürokratieabbau genutzt?

Einen Hoffnungsschimmer sieht Nicole Razavi gerade durch den Ukraine-Krieg und den Zwang, die nach Deutschland geflüchteten Menschen auch unterzubringen, für die von der Bauwirtschaft seit Jahren geforderte Streichung von Vorschriften: „Der Druck im Kessel wird jetzt so hoch, dass wir endlich den Bürokratieabbau schaffen müssen“, sagt sie. Andreas Schwarz, Fraktionschef der Landtagsgrünen, sieht die aktuelle Krise in der Baubranche ebenfalls als Chance für eine Veränderung hin zu mehr Nachhaltigkeit, ökologischem Bauen mit Holz und einem sparsamen Umgang mit Ressourcen.

„Die Stadt Freiburg hat mit ihrem Rathaus im Netto-Plus-Energiestandard ein Zeichen gesetzt. 800 Solarmodule auf dem Dach und an der Wand erzeugen mehr Energie, als in dem Gebäude verbraucht werden“, betonte er. Auch Recycling-Beton, kurze Transportwege und Wärmekonzepte seien ein Weg zu ebenso innovativem wie ökologischem Bauen: „Putin setzt Energie seit seinem Überfall auf die Ukraine als Waffe ein. Helfen Sie, ihm mit Fotovoltaik ein Schnippchen zu schlagen“, sagte er.