Am Montag muss Shakira vor einem Gericht in Barcelona erscheinen. Foto: AFP/DAI KUROKAWA

Die Kolumbianerin Shakira hat ein paar Jahre in Spanien gelebt, ohne dort Steuern zu zahlen. An diesem Montag beginnt in Barcelona der Prozess.

Anderthalb Jahre schon hatte die Untersuchungsrichterin versucht, alles über Shakira herauszufinden, dann lud sie sie vor. Das Protokoll der 80-minütigen Einvernahme am 6. Juni 2019 im Amtsgericht von Esplugues de Llobregat, einer Vorstadt von Barcelona, wurde vor ein paar Monaten der Zeitung „El País“ zugespielt, die daraus ausführlich zitierte. Das schönste Zitat ist dieses: „Ich erinnere mich an einen Flug von Marrakesch nach Kroatien. Wir flogen über Barcelona, und ich fragte den Piloten, ob er kurz landen könne, nur weil ich Gerard einen Kuss geben wollte. Das ist das Romantischste, was ich je in meinem Leben getan habe. Ich weiß nicht, ob das Finanzamt das als einen Tag in Spanien gewertet hat.“ Es sollte ein Scherz sein. Die Richterin fand es nicht ganz so komisch.

Acht Jahre Gefängnis?

Für diesen Montag ist in Barcelona der Auftakt eines Strafprozesses gegen den Weltstar Shakira angesetzt. Die Staatsanwaltschaft wirft der Kolumbianerin Steuerhinterziehung im großen Stil vor. Nach dem Willen der Kläger soll sie deswegen für acht Jahre und zwei Monate ins Gefängnis gehen. Das ist eine ungewöhnliche Vorstellung, aber keine abwegige. Vor einigen Jahren verurteilte ein anderes spanisches Gericht die Sängerin Isabel Pantoja, die in Spanien mindestens so berühmt ist wie Shakira, wegen Geldwäsche zu zwei Jahren Gefängnis, von denen sie gut ein Jahr absaß. Wenn Shakira der Haft entkommen will, muss sie entweder das Gericht in den kommenden Wochen von ihrer Unschuld überzeugen, oder sie lässt sich auf einen Deal ein: Schuldeingeständnis gegen Strafminderung auf ein Maß, das ihr den Gang ins Gefängnis erspart. Bisher wollte sie keine Schuld eingestehen.

Die Vorgeschichte dieses Prozesses ist eines John-Grisham-Romans (und dazugehöriger Verfilmung) würdig: Eine spanische Ermittlungsrichterin erfährt aus den Paradise Papers – dem Ende 2017 publik gewordenen Informationsleck einer Anwaltskanzlei –, dass Shakira ihren Steuerwohnsitz auf den Bahamas gemeldet hat, während sie aus der Zeitung weiß, dass die Kolumbianerin in Barcelona lebt. Die Sängerin hatte sich nämlich in einen jungen Fußballer vom FC Barcelona, Gerard Piqué verliebt, von dem sie 2013 einen Sohn und 2015 noch einen bekam; beide brachte sie in Barcelona zur Welt. Die Richterin machte es sich zur Lebensaufgabe, zu belegen, dass Shakira nicht bloß für einen gelegentlichen Kuss in der katalanischen Hafenstadt landete, sondern dort für einige Jahre ihren Lebensmittelpunkt hatte. Und Lebensmittelpunkt heißt: Sie hätte auf ihre weltweiten Einkünfte spanische Einkommen- und katalanische Vermögensteuer zahlen müssen.

Es geht um die Jahre 2012 bis 2014, und die Richterin hatte der Sängerin nachzuweisen, dass sie in jenen Jahren jeweils mindestens 183 Tage (also mehr als die Hälfte des Jahres) in Barcelona verbrachte, was Shakira bestreitet. Die Ermittlerin grub sich mit bemerkenswerter Hartnäckigkeit in das Leben des Weltstars, sie befragte Friseure, Kellner, Gynäkologen, Tanzlehrer, Visagisten, Hausmeister, Nachbarn. Sie wollte wissen, wo Shakira war. Unterwegs in aller Welt, sagt diese. Aber meistens doch daheim in Barcelona, glaubt die Untersuchungsrichterin. Die Staatsanwaltschaft hat sich deren Ermittlungsergebnisse zu eigen gemacht. Und sie will dafür die kommenden Wochen einen Zeugen nach dem anderen in Barcelona auftreten lassen, persönlich oder per Videoschalte. 117 sollen es insgesamt sein, Belastungs- und Entlastungszeugen. Selten dürfte das Leben eines Stars so präzise richterlich vermessen worden sein.