Die Veja-Sneaker werden aus Biobaumwolle und Naturkautschuk hergestellt und in Brasilien gefertigt. Foto: Imago/Ingimage

Rucksäcke von Fjällräven aus recyceltem Material, Regenjacken von Patagonia oder faire Sneakers von Veja – was sind die Erfolgsstrategien der Unternehmen, die sich Nachhaltigkeit auf die Fahne schreiben?

Marken wie Armed Angels, Patagonia, Vaude oder Fjällräven haben geschafft, wovon viele kleine nachhaltige Marken träumen: Sie sind in der Mitte der Modewelt angekommen. Wer ihre Produkte kauft, vertraut darauf, dass er klimafreundlicher konsumiert. Wie gelingt der Sprung in den Mainstream? Die Analyse offenbart, dass mindestens fünf Punkte wichtig sind.

Nachhaltigkeit nicht nur zum Schein

Ein Kleidungsstück, das das Weltklima retten kann? „Das gibt es nicht. Jedes Konsumprodukt hinterlässt einen Fußabdruck“, sagt Matthias Kimmerle, der als Professor an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen im Bereich Textilökologie und nachhaltige Herstellungsverfahren lehrt. Ehrliche Marken kommunizieren diese Zwickmühle. Patagonia etwa macht transparent, was an den verwendeten Materialien verbesserungswürdig ist. Veja informiert darüber, dass der Ursprung des Metalls ihrer Schnürlöcher nicht vollständig nachzuverfolgen ist oder dass sie zu konventionellen Färbemitteln greifen, weil natürliche Färbemittel nicht den benötigten Qualitätsstandards entsprechen. Und der Outdoor-Hersteller Vaude räumt ein, dass nicht alle verwendeten Materialien biobasiert und vollständig recyclebar sind.

Ehrlichkeit ist wichtig, weil sonst Skandale wegen Greenwashing drohen, sagt Jacob Hörisch, Professor für Nachhaltigkeitsökonomie an der Leuphana Universität Lüneburg. „Sich das Vertrauen zu erarbeiten, kostet Mühe und kann lange dauern. Um es zu verlieren, ist nur ein Skandal nötig.“ Er erinnert an den Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch, in der verschiedene europäische Modefirmen wie Primark, Mango, KiK oder C&A Kleidung für den Export produzieren ließen. „Solche Ereignisse prägen das Image von Firmen dauerhaft.“ Manche Modehersteller würden aus diesem Grund gar darauf verzichten, ihre Nachhaltigkeitsbemühungen in den Fokus zu rücken.

Nachhaltigkeit auf allen Ebenen

„Nachhaltigkeit muss in der DNA eines Unternehmens verankert sein, dann ist man auch glaubhafter gegenüber Konsumenten“, sagt Jacob Hörisch. Nachhaltigkeit beziehe sich nämlich nicht nur auf die verwendeten Materialien, sondern auf alle Prozesse. Das bedeutet: Firmengelder liegen bei grünen Banken, Zulieferer entlang der Lieferkette produzieren nachhaltig, und der Arbeitsschutz und die Gesundheit der Mitarbeiter werden gefördert. Grundlegend dafür seien klare Unternehmensvisionen – und volle Transparenz, findet Kimmerle. Veja zum Bespiel hat die Produktion der Sneaker in Brasilien und die Standorte der Baumwoll-Landwirte auf der eigenen Website visualisiert. Genäht werden die Schuhe in Fabriken, die Regeln der Internationalen Arbeitsorganisation ILO befolgen.

Nachhaltigkeit zur richtigen Zeit

Entscheidend sei der Zeitpunkt, zu dem ein Unternehmen mit einem nachhaltigeren Produkt in den Markt einsteigt, sagt Hörisch. Armed Angels etwa sei zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen. Im Jahr 2007, als modische Schnitte in der damaligen Öko-Modewelt eher ein Fremdwort waren, konnte Armed Angels mit den Kollektionen eine jüngere Zielgruppe ansprechen. Auf Instagram setzt das Unternehmen heute auf reichweitenstarke Influencer aus der Nachhaltigkeitsblase als Markenbotschafter für das Unternehmen. Wer ihnen folgt, kann regelmäßig Rabattcodes für den Online-Einkauf abstauben.

Apropos Geld. Konsumenten Preise von bis zu 600 Euro – so viel kann ein Wintermantel von Fjällräven oder Vaude kosten – schmackhaft zu machen, das gelingt Herstellern im Outdoor-Segment generell leichter, beobachtet Hörisch. „Bei Outdoor-Produkten zählt die Langlebigkeit. Kunden sind daher eher bereit, einen höheren Preis zu zahlen.“

Nachhaltigkeit im Kleinen

An Modegiganten wie Nike oder Adidas kommt keines der hier genannten Unternehmen größentechnisch heran. Und genau das ist laut Kimmerle ein entscheidender Vorteil für die „Kleinen“. Denn die Nachhaltigkeit zum Markenkern zu machen und hohe Standards für jedes einzelne Produkt anzulegen, sei für neugegründete Unternehmen deutlich einfacher als für Moderiesen. „Großen Unternehmen gelingt das nur, wenn die gesamte Produktionskette stringent kontrolliert wird“, sagt Kimmerle. Er kenne Produzenten, die mit Bio-Baumwelle werben, aber konventionelle untermischen oder die Zertifikate fälschen.

Nachhaltigkeit fürs gute Gewissen

„Trage weniger, erreiche mehr“ oder „Kaufe diese Jacke nicht. Außer du brauchst sie wirklich“ – mit solchen Sprüchen werben Vaude oder Patagonia für einen bewussten Modekonsum. Wortwörtlich heißt das: Überlege gut, ob du unsere Kleidung wirklich kaufen und uns dein Geld geben willst. Armed Angels rät den Kunden sogar zu maximal fünf neuen Kleidungsstücken pro Jahr, im Bundesdurchschnitt sind es 60. Und Patagonia hat sich selbst eine Wachstumsgrenze gesetzt. Kritiker argumentieren, dafür zu werben, nicht zu kaufen, sei letztlich auch Werbung. Eben für eine bestimmte Zielgruppe.

Nachhaltigkeit erkennen

Fair Wear Organisation
126 Unternehmen sind Mitglied der unabhängigen Organisation Fair Wear Foundation. Mitglieder müssen ihren Arbeiterinnen und Arbeitern etwa einen fairen Lohn zahlen sowie angemessene Arbeitszeiten und sichere Arbeitsstätten garantieren.

Blue Sign
Textilien mit diesem Standard berücksichtigen besonders Aspekte der Chemikaliensicherheit. Ausschließlich Produkte, welche zu mindestens 90 Prozent in von Bluesign zertifizierten Fabriken verarbeitet werden, dürfen das Siegel tragen. Beispiele sind Vaude, Jack Wolfskin, Mammut oder Patagonia.

Soziale Verantwortung
Unternehmen, die soziale Verantwortung am Arbeitsplatz garantieren, können die weltweit etablierte Zertifizierung SA8000 des TÜV erhalten. Diese legt Standards in neun zentralen Bereichen fest, etwa Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Gesundheitsschutz oder Arbeitszeit. suj