Ein gerade erst in den amerikanischen Kongress gewählter Republikaner muss einräumen, dass er Vieles in seinem Lebenslauf erfunden hat.
Er schien ein neuer Typ von Republikanern zu sein: 34 Jahre jung, charismatisch und weder weiß noch heterosexuell. Ein Trump-Anhänger zwar, aber ein offen schwuler brasilianisch-amerikanischer Migrant und jüdischer Nachfahre einer ukrainisch-stämmigen Großmutter, die vor dem Holocaust flüchten musste. Ein Selfmade-Mann mit erheblichem Vermögen, der unabhängig von Parteispenden ist und nebenbei ein Tierheim finanziert.
Bei den Wählern der New Yorker Stadtteile Long Island und Queens machte George Santos mächtig Eindruck: Mit acht Punkten Vorsprung gewann er im November den traditionell demokratischen Bezirk und konnte damit einen kritischen Sitz für die hauchdünne neue Kongress-Mehrheit der Republikaner sichern. Doch kurz vor der Konstituierung des Repräsentantenhauses am 3. Januar zeigt sich: Die Geschichte war zu schön, um wahr zu sein. Seine Herkunft, die berufliche Karriere, den Reichtum - alles hat Santos erlogen.
„Wir machen dumme Sachen im Leben.“
In der Woche vor Weihnachten hatte die New York Times eine erste Enthüllungsgeschichte gebracht, die zahlreiche Widersprüche in der Biografie aufdeckte. Die Zeitung wolle mit einer Verleumdungskampagne seinen „guten Namen“ beschmutzen, hatte Santos da gekontert und Winston Churchill zitiert: „Du hast Feinde? Gut. Das bedeutet, dass Du für etwas einstehst.“ Am Montag klang Santos etwas kleinlauter. In einem Interview mit der New York Post gestand er zwischen allerlei Ausflüchten, er habe seinen Lebenslauf ausgeschmückt: „Ich gestehe das ein. (...) Wir machen dumme Sachen im Leben.“
Tatsächlich ist das Ausmaß der Falschaussagen und Hochstapelei des frischgebackenen Abgeordneten atemberaubend. Angeblich hat er ein Diplom des prestigeträchtigen Baruch Colleges in New York – tatsächlich hat er weder hier noch sonstwo studiert. Im Wahlkampf protzte er mit einer Karriere als Fondsmanager bei den Investmentbanken Citigroup und Goldman Sachs - tatsächlich jobbte er zeitweise für einen Stundenlohn von 15 Dollar in einem Callcenter. Auch die 13 Häuser, die er in Brasilien, New York und auf der Millionärsinsel Nantucket besitzen will, sind erfunden. Tatsächlich wurden Santos und seine Mutter nach Recherchen der New York Times wegen Mietschulden mehrfach aus ihren Wohnungen geworfen.
Die republikanischen Parteifreunde schweigen
Santos ist auch nicht jüdischen Glaubens. „Ich bin klar Katholik“, sagte er der New York Post. Die jüdisch-amerikanischen Zeitschriften „The Forward“ und „Jewish Insider“ formulieren starke Zweifel an der angeblichen Verfolgungsgeschichte der Großmutter. Höchstwahrscheinlich sind die Großeltern in Brasilien und nicht in der Ukraine geboren. Selbst Santos’ Outing als Schwuler steht nun in Frage: Von 2012 bis 2019 war er jedenfalls laut behördlichen Unterlagen mit einer Frau verheiratet. Inzwischen soll er mit einem Mann zusammenleben.
„Ich bin kein Krimineller“, beharrt Santos, der nach Medienberichten in Brasilien wegen Scheckbetrugs verurteilt worden ist, gleichwohl. Der 34-Jährige ist entschlossen, sein Mandat anzutreten: „In meinem Wahlkampf ging es um die Sorgen der Menschen, nicht um meinen Lebenslauf.“ Als Abgeordneter werde er für seine politischen Versprechen im Parlament kämpfen.
Während aus dem demokratischen Lager Empörung und Rücktrittsforderungen laut werden, schweigen die Republikaner demonstrativ zu dem Vorgang. Mit einer Mehrheit von lediglich fünf Sitzen im neuen Repräsentantenhaus wollen sie offenkundig kein Mandat durch eine Neuwahl gefährden.