Die EU will den Einsatz von Pestiziden in Zukunft drastisch reduzieren. Dagegen stemmen sich aber nicht nur viele Bauern, sondern auch die konservativen Parteien im Europaparlament. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Die europäischen Christdemokraten fallen mit einem Positionspapier zum Umweltschutz der eigenen EU-Kommissionschefin in den Rücken.

Brüssel wundert sich wieder einmal über Deutschland. Am Freitag stimmten die europäischen Christdemokraten (EVP) in München für ein Positionspapier, das die Klima- und Umweltschutzgesetze der EU ausbremsen könnte. Konkret geht es um zwei Projekte, die vor allem der CDU/CSU ein Dorn im Auge sind. Zum einen ist von Brüssel geplant, den Verbrauch von Pestiziden bis 2030 zu halbieren. Zum anderen sollen beschädigte Naturlandschaften wieder hergestellt werden, etwa durch das wieder vernässen von trockengelegten Mooren.

Große Irritationen bei der EU-Kommission

Geradezu empört reagierte Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament, auf das Positionspapier. Was die EVP-Fraktion versucht, „ist komplett abstrus und stellt sich gegen alle Wissenschaft und Vernunft“. Auch in der EU-Kommission reagiert man irritiert. „Das gesamte Positionspapier ist nichts anderes als unverantwortliche Panikmache“, heißt es aus Kreisen der Brüsseler Behörde.

Es ist das zweite Mal innerhalb weniger Wochen, dass aus Deutschland Querschläge in Richtung EU kommen. Zuletzt hatte die Bundesregierung überraschend aus innenpolitischen Motiven die Einigung beim bereits ausgehandelten Aus für Verbrennermotoren im Jahr 2035 verhindert. Am Ende musste nachverhandelt werden, doch der dabei entstandene Schaden in Sachen Europapolitik wird in Brüssel als enorm eingestuft. Diese Blockade war damals von der CDU/CSU scharf kritisiert worden.

Die eigene Parteifreundin wird beschädigt

Die Überraschung über das Münchner Positionspapier zur Umweltpolitik ist auch deshalb groß, weil damit die konservative EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beschädigen wird. Die Behörde unter der CDU-Politikerin hatte vor knapp einem Jahr den sogenannten Green Deal, ein umfangreiches Paket zum Umbau Europas hin zu einem klimaneutralen Kontinent, vorgestellt. Doch schon damals hatte es kritische Stimmen aus den Reihen der CDU/CSU gegeben, die der Kommissionschefin eine bauernfeindliche Marschrichtung vorwarfen. So wurde etwa moniert, dass durch die Verringerung der Pestizide und die geforderte Stilllegung von Ackerflächen die Lebensmittelsicherheit in Europa gefährdet sein. Unterstützt wurden sie dabei von der in Deutschland einflussreichen Lobby der Bauernverbände.

Scharfe Kritik kommt von den Grünen

Die EU-Kommission hat stets der These widersprochen, dass Vorgaben für weniger Unkrautvernichter und Schädlingsbekämpfer auf Feldern die Ernährungssicherheit gefährdeten. „Es ist durchaus möglich, den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren, ohne die Ernteerträge oder die Qualität zu gefährden“, hatte die EU-Kommission schon vergangenes Jahr betont. Es gebe zahlreiche Beispiele und Studien, die zeigten, dass Landwirte den Einsatz von Pestiziden reduzieren und Geld sparen könnten, ohne dass dies Auswirkungen auf Menge oder Qualität der Ernte habe.

Die grüne Europaabgeordnete Anna Deparnay-Grunenberg erklärt, dass sich in der konservativen EVP offensichtlich die Hardliner durchgesetzt hätten. Deren Ziel es sei, Maßnahmen zum Umweltschutz zu blockieren, um teils stark subventionierte Wirtschaftsmodelle künstlich am Leben zu halten.