Sorgenvolle Blicke auf den heimischen Wald: Revierleiter Dieter Seitz und Forstamtsleiterin Dagmar Wulfes Foto: Gottfried Stoppel

Sturmschäden, Käferbefall und die jahrelange Trockenheit machen dem Gehölz und der Forstwirtschaft zu schaffen. Mit der Pflanzung neuer Baumarten und Fällaktionen versucht man zu retten, was zu retten ist. Unterwegs mit zwei Experten im Wald bei Murrhardt.

Die Tanne leide sehr lange, sagt Dieter Seitz mit sorgenvollem Blick auf die Baumkronen dreier nebeneinanderstehender Exemplare, die den Niedergang der Nadelbäume in seinem Forstrevier Murrhardt-Nord im Zuge des Klimawandels beispielhaft verdeutlichen. „Die in der Mitte ist noch ziemlich grün, an der links sind schon Misteln statt Nadeln dran und an jener rechts nur noch Misteln“, beschreibt er den Zustand. Dabei seien die Misteln ein Zeichen für die Trockenheit, unter der die Bäume leiden, weswegen sie sich gegen die Schmarotzerpflanze nicht wehren könnten. Ein schleichender Prozess sei das Sterben der Bäume. „Durch die Entnahmen vom Forst merkt man das meist gar nicht.“ Neben Tannen seien es vor allem Fichten, die vom Klimawandel „hingerafft“ würden.

Aufgabe: Aufforstung mit Hoffnungsträgern

Ein paar Hundert Meter weiter an einem Südhang ragen nur noch Baumstümpfe aus dem Waldboden. Trockenes Laub und Erdkrumen knirschen unter den Schuhsohlen. „Hier merkt man, wie trocken es jetzt schon wieder ist“, kommentiert Seitz, während die Sonne an diesem Tag bereits satt von einem wolkenlosen Himmel auf die kahle Fläche strahlt. Überwiegend mit Tannen, Fichten und Buchen, die nach und nach weggestorben seien, sei das Stück bewachsen gewesen, sagt der Revierleiter: „Jetzt muss aufgeforstet werden.“ Waldarbeiter sind damit beschäftigt, den Hang von Gestrüpp freizuräumen, um ihn für die geplante Neubepflanzung vorzubereiten.

Eichen und Elsbeeren sollen gesetzt werden. Zum einen, weil vereinzelt ein paar schon dort wachsen und offenbar mit den Bedingungen klarkommen. Zum anderen, weil die beiden Baumarten als Hoffnungsträger gelten neben Baumhasel, Kiefernarten, Edelkastanie, Nussbäumen, Feld- und Spitzahorn, Flatterulme sowie Douglasie und Atlaszeder. Von ihnen geht man in der Forstwirtschaft aktuell aus, dass sie trockenheitsresistenter sind und dadurch mit dem sich ändernden Klima besser fertig werden. Ob man damit richtigliegt, werden die kommenden Jahrzehnte zeigen. „Mein Vorgänger hat vor 40 Jahren mit Küstentannen experimentiert, weil es hieß, dass sie mehr Trockenheit vertragen“, berichtet Seitz. Doch auch sie seien inzwischen in den vergangenen Trockenjahren komplett abgestorben. Zudem habe sich ihr Holz, weil es etwas weicher als herkömmlicher Tannen ist, auf dem Markt als Ladenhüter erwiesen.

Hat die Neubepflanzung eine Chance?

Jetzt hofft Seitz, dass seine Neubepflanzung länger Bestand hat. Derweil geht nebenan das Sterben weiter. „Die Tannen dort sind jetzt erst 20 bis 30 Jahre alt. Aber sie haben eigentlich keine Chance“, sagt Seitz, „die dort zum Beispiel ist oben zwar noch grün, aber unten ist die Rinde schon abgefallen.“ Eigentlich könnten Tannen mehrere Hundert Jahre alt werden. Doch angesichts der sich abzeichnenden Schäden bleibe nur eines, meint Seitz: „Wir müssen schnell ernten – bevor Stürme oder Borkenkäfer noch größere Schäden anrichten.“ Man sehe Holz als einen wertvollen Rohstoff, ergänzt die Forstamtsleiterin im Kreis, Dagmar Wulfes. In der Bevölkerung würden Fällaktionen sehr emotional gesehen. „Da heißt es: Der Forst verwüstet den Wald. Dabei versuchen wir nur zu retten, was zu retten ist“, sagt Dagmar Wulfes.

So könne man optisch durch den Klimawandel im Wald bereits sehr starke Veränderungen beobachten, sagt Seitz. Zumal man dessen erste Auswirkungen bereits seit Anfang der 1990er Jahre zu spüren bekomme. Mit dem Orkan Wiebke, der in der Nacht zum 1. März 1990 über Deutschland fegte, habe es begonnen. „Seitdem spielen Sturm, Käfer und Trockenheit eine Rolle, und der Wald verändert sich so stark wie er es die vergangenen 100 Jahren nicht gemacht hat.“ 90 Prozent habe der Anteil an Nadelhölzern im Murrhardter Stadtwald vor 100 Jahren betragen. Jetzt seien es 65 Prozent. „Das geht vor allem zu Lasten der Fichte, die ganz extrem abgenommen hat von 60 auf 25 Prozent.“

Ein Blick auf die Zukunft des Waldes

Noch weiter vorangeschritten ist die Entwicklung in der Backnanger Bucht. In den Wäldern zwischen Backnang und Kirchberg beobachte man Schäden durch den Klimawandel schon länger, berichtet Wulfes. In den vergangenen 30 Jahren habe man dort bereits fast alle Fichten geerntet. „Noch 1,5 Grad mehr Klimaerwärmung und wir haben auch in Welzheim die Situation wie hier in Murrhardt und im Gemeindewald von Sulzbach“, wirft sie einen Blick in die Zukunft. Doch nicht nur die Anteile der Baumarten ändern sich. „Die Wälder werden nicht mehr so hoch, nicht mehr so dicht und nicht mehr so alt werden“, beschreibt Seitz deren künftiges Aussehen. Um nämlich bei Naturverjüngungen die Chancen einzelner Bäume angesichts zunehmender Trockenheit zu erhöhen, entnehme man mehr Bäume in deren Umfeld, die mit ihnen um Wasser konkurrieren. Das macht die Wälder lichter. „Sie sind nicht mehr so dicht geschlängelt wie Getreidefelder“, sagt Seitz. Dadurch würden die Bäume schneller in die Breite wachsen, aber letztlich nicht mehr so hoch. Das wiederum minimiere die Risiken bei Stürmen, fügt Wulfes hinzu. Das geringere Alter hängt derweil auch mit den sich ändernden Baumarten zusammen. Nussbäume etwa hätten nun einmal eine geringere Lebenserwartung. Zudem würden die Wälder vielfältiger, interessanter und naturnäher, fährt Seitz fort und Wulfes ergänzt: „Wir werden die Baumarten noch mehr und kleinflächiger mischen als früher.“ Dabei verliere man nicht den Mut, sondern experimentiere und räume auf.