Zsolt Löw arbeitete zuletzt mit Thomas Tuchel beim FC Chelsea (Archivbild). Foto: IMAGO/Picture Point LE/IMAGO/Roger Petzsche

Der VfB Stuttgart hat wohl einen Favoriten für die Nachfolge von Pellegrino Matarazzo als Cheftrainer. Doch durch ist die Sache noch lange nicht.

Auf dem Clubgelände an der Cannstatter Mercedesstraße beginnt demnächst das erste Training der Bundesligamannschaft des VfB Stuttgart nach der Freistellung von Pellegrino Matarazzo. Eine neue Zeitrechnung aber noch nicht. Denn zum Auftakt der Vorbereitung auf das Heimspiel am Samstag (15.30 Uhr) gegen den VfL Bochum wird Michael Wimmer die Trainingseinheit leiten. Der 42-Jährige war bisher Assistent von Matarazzo.

Das Warten auf den Nachfolger des am Montag entlassenen Italoamerikaners geht also noch ein bisschen weiter. Wobei die Verantwortlichen bei der Suche nach einem geeigneten Mann für die Mission Klassenverbleib wohl schon einen Schritt weiter gekommen sind. Ein Favorit auf das Amt des Cheftrainers hat sich bereits herauskristallisiert.

Der hat nicht nur einen in VfB-Kreisen wohlklingenden Nachnamen, Zsolt Löw ist auch kein unbekannter Inhalt von Diskussionen unter dem roten Dach. Der 43-Jährige galt schon vor rund drei Jahren als mögliche VfB-Lösung – damals entschieden sich Thomas Hitzlsperger (seinerzeit Vorstandsvorsitzender und Sportvorstand) und Sven Mislintat dann aber für Pellegrino Matarazzo. Fast drei Jahre war dieser dann Trainer des VfB.

Schon im Dezember 2019 ein Thema

Nach dem Sieglos-Start in die neue Saison ist das Zutrauen in eine Wende unter Matarazzo aber verloren gegangen – weshalb die Suche von Neuem begann und Zsolt Löw wieder ein Thema geworden ist. Der Name machte wohl schon am Sonntag im Stadion die Runde.

Zu Löws Trainerkarriere würde der Einstieg als Chef in der Bundesliga zum jetzigen Zeitpunkt passen. Schließlich hat er als Co-Trainer jede Menge Erfahrung gesammelt und drängt nun wohl in die erste Reihe. Geprägt hat den früheren Profi (Hansa Rostock, 1899 Hoffenheim, 1. FSV Mainz 05) die Trainerschule des RB-Kosmos. Diese wiederum baut viel auf dem Input von Ralf Rangnick auf.

Beim FC Liefering ging es los, dem Farmteam von Red Bull Salzburg. Dort wurde er 2014 Co-Trainer von Adi Hütter, ein Jahr später holte ihn Rangnick nach Leipzig, wo er auch Ralph Hasenhüttl assistierte. Der Österreicher beschrieb Löw einst als „fantastischen Coach und Menschen“. 2018 aber verließ Zsolt Löw die RB-Welt.

Mit Thomas Tuchel, der wiederum als Trainer früh von der Nachwuchsarbeit beim VfB geprägt wurde, ging Zsolt Löw zu Paris St-Germain, arbeitete mit Weltstars wie Kylian Mbappé oder Neymar zusammen und erreichte das Finale der Champions League. Das ging gegen den FC Bayern zwar verloren. Als Löw mit Tuchel das Team des FC Chelsea trainierte, gelang jedoch 2021 der Coup in der Königsklasse. Nach dem ersten Spieltag der Saison der Champions League in dieser Saison mussten Tuchel und Löw in London gehen.

VfB wäre erste Bundesligastation als Chefcoach

Die Vertragsmodalitäten sind nun wohl das eine, was schnell geklärt werden müsste, will man beim VfB bis Samstag Löw nach Stuttgart lotsen. Zudem braucht es Einigkeit, ob man genau jenen Kandidaten möchte. Zum einen ist der Ungar zwar, wie beschrieben, reich an Erfahrungen. Auch seine Prägung als Trainer dürfte den Stuttgarter Vorstellungen entsprechen. In der RB-Welt wird gerne offensiv gedacht und mit jungen Spielern gearbeitet, der eingeschlagene Stuttgarter Weg müsste also nicht verlassen werden. Aber: Die knifflige Aufgabe beim 17. der Bundesligatabelle wäre seine erste Station als Chefcoach in der Bundesliga.

Klar wäre auch: Zsolt Löw wäre ein Mann, der wohl in Sven Mislintat den größten Fürsprecher hat. Die Zukunft des Sportdirektors über Sommer 2023 hinaus ist aber nach wie vor nicht geklärt. Ob die Fraktion im Club, die Mislintat kritisch gegenüber steht, dann „seinen“ Trainer als Toplösung sieht? Die Zukunftsfrage bei Mislintat ist zudem auch für Löw (und andere Kandidaten) eine entscheidende. Ist der Sportdirektor, der die Verpflichtung tätigt, in wenigen Monaten überhaupt noch da? Dass der Vorstandsvorsitzende Alexander Wehrle und Sven Mislintat die Vertragsgespräche auf Mitte November vertagt haben, könnte nun hinderlich wirken.

So oder so: Die sportliche Führung des VfB muss all diese Hürden überwinden und drängende Fragen zügig und schlüssig beantworten. Denn die Mission nach Matarazzo duldet keinen Aufschub. Am Samstag muss der frische Impuls schon wirken, der erste Saisonsieg gegen den VfL Bochum fällt unter die Kategorie Pflicht. Schon vier Tage später steht das Pokalspiel gegen Arminia Bielefeld an. Und bis zur WM-Pause ab Mitte November will der VfB noch einige Ligapunkte sammeln.

„Mir ist nicht angst und bange“, sagt Thomas Hitzlsperger vor der nahenden Trainerentscheidung bei seinem ehemaligen Club. Vielleicht, weil er sich an die Gespräche über Zsolt Löw im Dezember 2019 erinnert.