Thomas Tuchel und der FC Bayern mussten sich Lazio Rom geschlagen geben. Foto: dpa/Alfredo Falcone

Thomas Tuchel droht der nächste Titel durch die Finger zu flutschen. Der Trainer steht beim FC Bayern immer mehr auf verlorenem Posten.

Nach seinem ganz persönlichen Inferno von Rom umwehte Thomas Tuchel ein Hauch von Endzeitstimmung. Die Fragen nach seiner Zukunft aber empfand der angeschlagene Trainer von Bayern München in der Stadt der Caesaren offenbar als Majestätsbeleidigung - doch sie stellen sich immer drängender.

„No“, wehrte Tuchel die Nachforschungen einer italienischen TV-Reporterin zu seiner Jobsicherheit ab, doch die Diskussion begleitete ihn wie ein dunkler Schatten durch die Nacht. Mache er sich nach dem 0:1 (0:0) im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League bei Außenseiter Lazio Rom nicht Sorgen um seinen Posten, wurde er bald erneut gefragt. „Nein“, sagte Tuchel schmallippig, außerdem würde er „gerne über das Spiel sprechen“. Aber muss er nicht zittern? Tuchel, lauter: „Ich habe mit Nein geantwortet.“ Punkt.

Aber nicht Ende. Nach Pokal-Aus und Ligagipfel-Desaster hätte Tuchel bei einem Scheitern in der ersten K.o.-Runde der Königsklasse keine Argumente mehr. Die Mannschaft, der er nie restlos vertraute, scheint ihm zu entgleiten. „Frustriert und sauer“ sei er über die Pleite, bekannte er, aber auch „ratlos“ ob des „krassen Leistungsabfalls“ in der zweiten Hälfte, in der Ciro Immobile ihn und die Bayern mit seinem Elfmeter (69.) nach der Roten Karte gegen Dayot Upamecano ins Herz getroffen hatte.

Tuchel wird längst infrage gestellt

In jenem Stadion, in dem Klub-Ikone Franz Beckenbauer einst nach dem WM-Triumph lustwandelte, setzte Tuchel nach dem Abpfiff nicht einen Fuß auf den Rasen. Ohne seine hilflose Elf auch nur eines Blickes zu würdigen, stieg er übellaunig und mit hängendem Kopf in die Katakomben hinab - ein Abgang? So weit ist es noch nicht.

Bosse wie Spieler beschworen entgegen aller Alarmsignale das Mia san mia. „Wir kämpfen uns da gemeinsam raus“, sagte Sportdirektor Christoph Freund. Es gebe zwar „nichts schönzureden“, bekannte Vorstandschef Jan-Christian Dreesen beim Bankett im noblen Waldorf Astoria auf dem höchsten der sieben Hügel Roms, doch im Rückspiel am 5. März sei noch alles drin. „Das ist die Botschaft, die wir mitnehmen müssen“, ergänzte Dreesen bei Kalbsschnitzel, Pizza und Rigatoni, „dass diese Mannschaft die Qualität und den Willen hat, weiterzukommen.“

Hat sie die? Das wird, wie Tuchel, längst infrage gestellt. „Das war schon fast Slapstick, wie wir uns von Fehler zu Fehler gerettet haben“, analysierte Ur-Bayer Thomas Müller, das Team sei „das Gegenteil von einer gefestigten Einheit“. Hat der Trainer diese Ansammlung von Weltmeistern und Champions-League-Siegern derart verunsichert? Oder können sie es nicht (mehr) besser? „Thomas kämpft auch mit der Situation, weil er die Mannschaft anders Fußball spielen lassen will“, sagte Freund. Anders formuliert: Da passt was nicht zusammen.

„Turnaround“ am Sonntag in Bochum?

Das belegt auch die Statistik: Tuchel gewann nur eines seiner sieben K.o.-Spiele als Bayern-Coach - im Pokal gegen den Drittligisten Münster. Im 43. Spiel kassierte er seine zehnte Niederlage - sein Vorgänger Julian Nagelsmann saß bis zu dieser Marke 84-mal auf der Bank.

Dennoch findet Müller die Trainerdebatte „ein Stück weit respektlos“. Es brauche niemand zu hoffen, „dass wir uns selbst zerfleischen“, sagte er. Vielmehr sei es „die Qualität des FC Bayern, bis zur letzten Sekunde zu kämpfen“.

Auch für Tuchel? Der muss am Sonntag in Bochum den von Freund eingeforderten „Turnaround“ schaffen. „Wir sind dran, der Schlüssel ist definitiv noch nicht gefunden“, sagte er über die Launen seiner divenhaften Elf. Und, ja: „Es ist selbstverständlich meine Verantwortung, die Mannschaft dahin zu bringen, das besser zu machen.“ Eines sei gewiss: „Wir werden nicht von unserem Weg abgehen.“ Lieber weiter durchs Inferno.