Vor allem Tomboli-Strände – wie hier Balos auf Kreta – , sind gefährdet. Das Meer könnte die Verbindung zwischen Insel und Festland bald kappen Foto: imago//xsinenkiyx

In Griechenland nagt der steigende Meeresspiegel an den Küsten der Inselparadiese. Eine Wissenschaftlerin schätzt, dass fast 300 Strände in den nächsten Jahrzehnten vom Meer überflutet werden.

Klein-Venedig, „Little Venice“, gehört zu den romantischsten Orten auf der griechischen Kykladeninsel Mykonos. Die weiß getünchten Häuser mit ihren bunten Fensterläden scheinen im Meer zu stehen. In den Bars und Cafés gleich am Wasser lässt man bei einem eisgekühlten Drink den Tag ausklingen und sieht zu, wie die Sonne im Meer versinkt. Aber aufgepasst: Wenn der Wind aus Westen weht und die Wellen auf die schmale Promenade klatschen, bekommt man schon mal einige Spritzer ab oder nasse Füße.

In einigen Jahrzehnten wird es diesen wunderbaren Ort vielleicht nicht mehr geben. Denn der steigende Meeresspiegel nagt an den Fundamenten und Mauern der Häuser von Klein-Venedig. Auch an den Stränden des Tourismus-Hotspots Mykonos, denen die geschäftstüchtigen Insulaner so vielversprechende Namen wie „Paradise“ und „Super Paradise“ gaben, wird sich der Anstieg des Meeres in Zukunft bemerkbar machen.

Niemand weiß, wie viele griechische Strände es gibt

Mit fast 15 000 Kilometern hat Griechenland die längste Küstenlinie aller Mittelmeerländer. Die Strände hat keiner gezählt. Zu den berühmtesten gehören Navagio auf Zakynthos, Elafonisi, Balos und Vai auf Kreta, Myrtos auf Kefalonia und Agios Prokopios auf Naxos. Aber wegen seiner langen Küstenlinie ist Griechenland dem Anstieg des Meeresspiegels als Folge der Erderwärmung besonders ausgesetzt. Viele Strände sind deshalb in Gefahr.

Niki Evelpidou, Professorin für Geografie und Klimawissenschaften an der Universität Athen, hat 293 griechische Strände identifiziert, die in den nächsten Jahren infolge des Klimawandels vermutlich verschwinden werden. Besonders gefährdet seien die sogenannten Tomboli-Strände, erläuterte die Wissenschaftlerin der Zeitung „Kathimerini“. Als Tomboli bezeichnet man Dünenstreifen oder Sandbänke, die eine Insel mit dem Festland oder zwei Inseln miteinander verbinden. Diese malerischen Strände entstehen durch Sandablagerungen an Flussmündungen oder durch Küstenströmungen. Berühmte Tomboli in Griechenland sind Balos auf Kreta, Prasonisi auf Rhodos, Oikonomou auf Paros, Kolona auf Kythnos und Panagia auf Naxos. Diese flachen Strände sind durch den Anstieg des Meeresspiegels dem Untergang geweiht.

Meeresspiegel steigt bis 2100 um einen Meter

Durch die vom Menschen verursachte Freisetzung von immer mehr Treibhausgasen erwärmt sich das Klima auf der Erde. Die Eismassen der Pole und der Gebirgsgletscher tauen ab. Als Folge ist der Meeresspiegel seit Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert bereits um 20 Zentimeter angestiegen. Der jährliche Anstieg hat sich von 1,4 Millimeter zu Anfang des 19. Jahrhunderts auf 3,7 Millimeter im vergangenen Jahrzehnt deutlich beschleunigt. Das erscheint wenig, bedeutet aber, wenn sich der Trend fortsetzt, bis zum Jahr 2100 einen Anstieg um rund 28 Zentimeter.

Und es gibt Hinweise darauf, dass sich der Anstieg weiter beschleunigt: „Jüngste Prognosen besagen, dass der Meeresspiegel im Mittelmeer bis 2100 um etwa einen Meter ansteigen könnte“, sagt Costas Synolakis, Professor für Umweltingenieurwissenschaften an der University of Southern California und Vorsitzender des nationalen griechischen Wissenschaftsrates zum Klimawandel. „Griechenland hat infolge menschlicher Eingriffe und mangelnder Planung der Küstenanlagen bereits jetzt ein erhebliches Problem mit der Küstenerosion“, so Synolakis.

Strandurlaub ist möglicherweise ein Auslaufmodell

Die von den Urlaubern bevorzugten Strände mit feinem Sand und sanftem Gefälle seien besonders gefährdet, sagt der Geowissenschaftler. Als Maßnahme zur Erhaltung der Strände empfiehlt Synolakis umweltfreundliche Strandaufspülungen statt harter Eingriffe wie den Bau von Buhnen oder Wellenbrechern. „Solche Anlagen können die Erosion sogar noch beschleunigen“, warnt Synolakis.

Die Bewirtschaftung vieler Strände, der Bau von Strandrestaurants und Beach-Bars, das Anlegen von Wegen und die Zerstörung von Wasserläufen verschärfen das Problem, weil dadurch das natürliche Hinterland der Strände mit Dünen, Gewächsen und Ablagerungen gestört wird. Maßnahmen wie Aufspülungen können die Erosion der Strände zwar verzögern, aber letztlich nicht verhindern.

Aber möglicherweise ist der Strandurlaub am Mittelmeer ohnehin ein Auslaufmodell. Eine Studie des australischen Reiseunternehmens Intrepid Travel in Zusammenarbeit mit der Denkfabrik Foresight Laboratory, die Zukunftstrends untersucht, kommt zu der Vorhersage, dass Ziele wie Griechenland und Mallorca infolge des Klimawandels während der Sommermonate zu heiß werden. Urlauber würden sich deshalb vermehrt kühleren Destinationen in Nordeuropa zuwenden, so die Untersuchung.