Sanierungsfall: Siemens Energy Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Der Energietechnikkonzern ist ein wichtiger Pfeiler der Energiewende. Jetzt braucht er aber selbst eine massive Stütze. Es geht um rund 15 Milliarden Euro. Die Zeit drängt.

Ein Sanierungsfall ist der Münchner Energietechnikkonzern Siemens Energy praktisch seit er vor drei Jahren an die Börse geworfen wurde. Bislang konnte man aber hoffen, dass die Siemens-Abspaltung ohne fremde Hilfe das rettende Ufer erreicht. Es ist anders gekommen.

Man stehe in „Vorgesprächen mit unterschiedlichen Parteien, darunter Partnerbanken sowie die Bundesregierung“, um Garantien für Großprojekte zu sichern, erklärt Europas führender Energietechnikkonzern in einer Pflichtmitteilung an die Börse. Um 15 Milliarden Euro Garantievolumen geht es, verrät ein Insider. Die Mitteilung schlug an der Börse wie eine Bombe ein. Um gut ein Drittel auf unter sieben Euro sank der Aktienkurs des im Dax gelisteten Konzerns, der schon länger auf Talfahrt ist.

„Das enorme Tempo der Energiewende sorgt für eine hohe Nachfrage nach unseren Technologien“, erklärt ein Sprecher von Siemens Energy. Das bedinge ein erhöhtes Ausmaß an Garantien für Kunden bei branchenüblichen Großprojekten. Es geht dabei vor allem um Garantien für gut laufende Geschäfte mit Gasturbinen und Stromnetze, die etwa 70 Prozent des 110 Milliarden Euro großen Auftragsbestands ausmachen. Das restliche knappe Drittel entfällt auf den Krisenbereich Windkraft.

Der Ex-Mutterkonzern winkt ab

Knapp acht Milliarden Euro an Garantien braucht Siemens Energy im Schnitt jährlich, um Großprojekte abzusichern. Das ist im Normalfall wenig mehr als eine Formalie, die Hausbanken schultern. Die haben aber angesichts der desolaten Lage im Konzern kalte Füße bekommen und wollen das Risiko nun nicht mehr alleine tragen. Die eigenen Bordmittel von Siemens Energy mit zuletzt gut neun Milliarden Euro an flüssigen Mitteln und offenen Kreditlinien reichen ebenfalls nicht aus. Zudem hat der Konzern gerade die restlichen Anteile seiner spanischen Windkrafttochter Siemens Gamesa für vier Milliarden Euro gekauft, um durchregieren und die dort konzentrierten Probleme endlich aus der Welt zu schaffen. Dieses Geld fehlt aktuell schmerzlich.

Zum großen Teil soll die Risiken für Großprojekte nun der Bund übernehmen. Die stehe der Anfrage positiv gegenüber, heißt es aus gut informierten Kreisen. Siemens Energy hat dem Vernehmen nach auch bei seiner Ex-Mutter Siemens nachgefragt, die noch ein Viertel der Anteile am Energietechnikkonzern hält. Bis zuletzt wollte Siemens von weiteren Hilfen nichts wissen und ist dem Vernehmen nach auch jetzt nicht dazu bereit.

Ohne Garantien kann Siemens Energy aber keine Großaufträge mehr abwickeln. Das Neugeschäft würde zum Erliegen kommen und ist es in Teilbereichen bereits. Denn für bestimmte Windturbinengenerationen an Land nehme man vorerst keine neuen Aufträge mehr an und auch für solche auf See nur noch selektiv, erklärt der Krisenkonzern. Bei Offshore-Turbinen sind die modernsten Anlagentypen 4X und 5X gemeint, auf die ein Großteil aller operativen Probleme entfällt. Hier wurden spät Mängel an Rotoren und Getrieben entdeckt. Die können im Betrieb zu Ausfällen führen, weshalb allein hier Reparaturarbeiten im Umfang von 1,6 Milliarden Euro anfallen.

Neue Defizite in Milliardenhöhe drohen

Zudem hat Siemens Energy in vergangenen Jahren Aufträge zu Fixpreisen angenommen, die nun in Zeiten hoher Inflation zum Verlustgeschäft werden. Insgesamt münden alle im soeben beendeten Geschäftsjahr 2022/23 (zum 30. September) in einem herben Verlust von 4,5 Milliarden Euro, hatte Siemens Energy-Chef Christian Bruch im August angekündigt.

Offiziell bilanziert ist 2022/23 zwar noch nicht. Man werde es aber voraussichtlich vollständig im Rahmen dieser Prognose abschließen, betont der Konzern heute. Das Anfang Oktober begonnene Geschäftsjahr 2023/24 werde hinsichtlich neuer Verlusten dagegen unter Markterwartungen liegen, warnen die Bayern vor. Neue Defizite in Milliardenhöhe drohen, heißt das. Zudem gibt es für das gerade angelaufene Geschäftsjahr noch keine Budgetentscheidung, räumt das Unternehmen ein. Es wird also gerade unter einigem Zeitdruck mit dem zuständigen Bundeswirtschaftsministerium und Banken verhandelt.

Dazu drohen von Siemens Energy bislang nicht angesprochene Personalfragen. Denn wenn im Windgeschäft praktisch keine Neuaufträge mehr angenommen werden, sorgt das absehbar für Auslastungsprobleme in den Fabriken. Von konzernweit 94.000 Beschäftigten arbeitet knapp ein Drittel im Windkraftbereich. Zumindest Kurzarbeit ist hier ein mögliches Szenario. Ohne Garantien für Großaufträge dürfte es damit allein zudem nicht mehr getan sein.