Russische Luftangriffe haben in der Ukraine großes Leid verursacht. Foto: dpa/ZUMA Press Wire/Daniel Ceng Shou-Yi

China schickt den Sondergesandten Li Hui nach Europa, um Frieden im Ukraine-Krieg zu vermitteln.

Nur wenige Stunden nachdem die ukrainische Hauptstadt Kiew von heftigen Explosionen erschüttert wurde, traf am Dienstag hoher Besuch aus Fernost ein: Li Hui, 70 Jahre alt, ist Chinas Mann für eine außerordentlich heikle Mission. Der Diplomat ist aus der Volksrepublik angereist, um „mit allen Parteien über die politische Lösung der Ukraine-Krise sprechen“, wie es vom Außenministerium heißt. Dies tut der Sondergesandte hinter vollständig verschlossenen Türen: Bis auf seinen Reiseplan, der Li von Kiew über Warschau bis nach Berlin und Paris führen wird, hat die chinesische Regierung keinerlei Informationen preisgegeben.

Doch seine Entsendung kann durchaus als Reaktion auf den Druck der Europäischen Union gewertet werden. Zuletzt hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen darauf gedrungen, dass sich Peking endlich aktiver für eine Friedenslösung in der Ukraine einbringt. Bisher hatte Staatschef Xi Jinping lediglich einen sogenannten 12-Punkte-Plan in die Waagschale geworfen. Doch das Positionspapier hat in Europa aufgrund der vagen und substanzlosen Inhalte auf ganzer Linie enttäuscht.

Führender Russland-Kenner der Volksrepublik

Nun also soll es der Sondergesandte Li Hui richten. Seine Personalwahl ergibt insofern Sinn, als dass er zu den führenden Russland-Kennern der Volksrepublik zählt. Fast seine gesamte diplomatische Karriere hat Li Hui in Moskau verbracht, anfangs noch zu Sowjetzeiten. Er gilt als begeisterter Leser von Tolstoi und Dostojewski, Russisch beherrscht er seit Jahrzehnten fließend. 2019 zeichnete ihn Wladimir Putin mit der renommierten Freundschaftsmedaille aus.

Die Beziehungen zwischen Moskau und Peking waren in der Vergangenheit stets kompliziert bis teilweise feindlich, unter Staatsgründer Mao Tse-tung stand man sogar einmal kurz vor einem handfesten Krieg. Doch seit Xi Jinping an der Macht ist, gipfelten die bilateralen Beziehungen in einem historischen Rekordhoch: Nur wenige Tage vor Beginn der russischen Invasion feierten Xi und Putin in Peking eine „grenzenlose Freundschaft“.

In Europa löste die Loyalität der Chinesen gegenüber Putin einen regelrechten Schock aus: Peking übernahm seit Beginn des Angriffskriegs die Propaganda russischer Staatsmedien und forcierte den gemeinsamen Handel. Bis heute hat Xi Jinping Russland mit keiner einzigen Silbe öffentlich kritisiert, ja nicht einmal als Aggressor benannt. Stattdessen hagelt es aus Peking im Wochentakt Schuldzuweisungen in Richtung Vereinigte Staaten, die nicht nur den Konflikt provoziert hätten, sondern auch mit ihren Waffenlieferungen „Feuer ins Öl gießen“ würden.

China hat klar verteilte strategische Interessen

Experten beschreiben die chinesische Haltung als „prorussische Neutralität“: Peking mischt sich zwar nicht direkt mit Waffenlieferungen in den Krieg ein, aber hat dennoch klar verteilte strategische Interessen. Rein machtpolitisch sind diese leicht zu erklären: China und Russland sind in ihrem Hass gegenüber der westlichen Weltordnung unter Führung der USA geeint, zudem haben beide Staaten eine über 4000 Kilometer lange Landesgrenze.

Seit Beginn des Krieges hat sich die Abhängigkeit Russlands zum Reich der Mitte deutlich gesteigert, was sich Peking vor allem in günstige Öllieferungen auszahlen lässt. Gleichzeitig möchte Staatschef Xi Jinping auf jeden Fall verhindern, dass Russland allzu geschwächt aus dem Ukraine-Krieg hervorgeht. Denn das schlimmstmögliche Szenario wäre für die Chinesen, wenn Putin stürzen könnte und potenziell ein prowestlicher Präsident in den Kreml Einzug hielte.

Angesichts der realpolitischen Gegebenheiten ist die Wahrscheinlichkeit also sehr gering, dass Sondergesandter Li Hui nun in den nächsten Tagen einen diplomatischen Durchbruch erzielen kann. Aus chinesischer Sicht geht es vor allem darum, einen Reputationsgewinn zu erzielen und sich auf der internationalen Bühne als „Friedensmacht“ zu präsentieren.