Mitglieder verschiedener Organisationen übergeben am Mittwoch eine Petition mit 15.000 Unterschriften an Vertreter der Ampelkoalition. Foto: innn.it/Sebastian Schütz

Wer künftig seinen Geschlechtseintrag ändern lässt, dessen Daten sollen pauschal bei den deutschen Sicherheitsdiensten landen. So sieht es der Entwurf des Selbstbestimmungsgesetzes vor. Eine Juristin erklärt, warum das problematisch ist.

Das geplante Selbstbestimmungsgesetz soll dafür sorgen, dass man einen Geschlechtseintrag und den Vornamen einfacher am Standesamt ändern kann. Um medizinische Geschlechtsanpassungen geht es dabei nicht, die bleiben weiterhin genau geregelt. Trotzdem sorgt das Gesetz immer wieder für heftige Diskussionen, zuletzt am Mittwoch bei der ersten Debatte dazu im Bundestag. Aber auch Verbände, die das Gesetz prinzipiell begrüßen, kritisieren einige Detailregelungen. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), ein gemeinnütziger Verein, der sich für Grundrechte einsetzt, stört sich etwa daran, dass bei einer Änderung des Geschlechtseintrags am Standesamt die Daten automatisch an Sicherheitsbehörden übermittelt werden. Dieser Punkt wurde erst im Sommer auf Wunsch des Bundesinnenministeriums hinzugefügt, weil man befürchtete, kriminelle Organisationen könnten die Namensänderung gezielt ausnutzen. Soraia Da Costa Batista von der GFF erklärt, warum sie das für rechtlich problematisch hält.

Frau Da Costa Batista, was ist das Problem an einer automatisierten Datenübermittlung?

Nach einer Änderung des Geschlechtseintrags und Vornamens wird eine Liste von Daten an Sicherheitsbehörden übermittelt, darunter sind der abgelegte und jetzige Vorname, der abgelegte und korrigierte Geschlechtseintrag, die Anschrift und weitere Informationen. Die Daten werden pauschal übermittelt, also auch, wenn die Person noch nie mit den Sicherheitsbehörden in Berührung gekommen ist.

An wen gehen die Informationen?

Das geht an eine Reihe von Sicherheitsbehörden, darunter sind etwa das Bundeskriminalamt, die Generalzolldirektion oder das Bundesamt für Verfassungsschutz, insgesamt elf Behörden. Dadurch wird die geschlechtliche Identität einer Person gegenüber einem breiten Personenkreis in den Sicherheitsbehörden offenbart. Das schreckt zurecht viele Betroffene ab. Zum Vergleich: Wenn eine Person heiratet und dabei ihren Nachnamen ändert, findet keine automatisierte Übermittlung statt. Auch nicht, wenn man über das Namensänderungsgesetz den Vor- oder Nachnamen ändert.

Behörden haben auch so Zugang zu vielen persönlichen Daten. Warum ist das in diesem Fall problematisch?

Das Grundgesetz schützt die informationelle Selbstbestimmung, also das Recht jeder Person grundsätzlich selbst zu bestimmen, welche Daten sie preisgibt und wie diese verwendet werden. Durch die automatische Datenübermittlung wird in dieses Recht eingegriffen. Für eine automatisierte Datenübermittlung müssten hohe Rechtfertigungsanforderungen erfüllt sein, was nicht der Fall ist. Denn die Behörden haben auch so schon durch verschiedene Gesetze Auskunftsansprüche. Zum Beispiel kann die Polizei nach dem Bundesmeldegesetz zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben bei der Meldebehörde ein Auskunftsansuchen stellen und bekommt die Daten dann. Ich habe deswegen große Zweifel, ob diese Regelung verfassungskonform ist.

Wer am Standesamt seinen Geschlechtseintrag ändern will, muss erst eine dreimonatige Frist abwarten, danach darf man das ein Jahr lang nicht mehr ändern. Sie kritisieren auch diese Fristen. Warum?

Es geht an der Realität der Personen vorbei und legt nahe, dass Personen diese Fristen bräuchten, um keine übereilte Entscheidung zu treffen. Betroffene setzen sich in der Regel jedoch sehr lange mit ihrer Geschlechtsidentität auseinander, bevor sie zu einer Entscheidung kommen. Vor allem aber haben wir eine Vielzahl an Regelungen im Gesetzesentwurf, die vor Missbrauch und Übereilung schützen sollen, etwa eine Versicherungserklärung, die man mit dem Änderungsantrag abgeben muss. Das macht die Fristen unverhältnismäßig.

Eine der letzten Änderungen des Gesetzes war, dass man den Verweis auf das Hausrecht einbaut. Hintergrund war die Debatte, ob sich sonst Männer per geändertem Geschlechtseintrag Zutritt etwa zu Frauensaunen verschaffen könnten. Aber gilt das Hausrecht nicht ohnehin?

Genau, das ändert am Hausrecht nichts, deswegen kann der Verweis auch gestrichen werden. Das Gesetz regelt die Korrektur des Geschlechtseintrags und des Vornamens, aber nicht den Zugang zu geschlechtsgetrennten Räumen. Wenn man anführt, dass das Hausrecht unberührt bleibt, müsste man auch anmerken, dass das grundgesetzliche Diskriminierungsverbot und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz unberührt bleiben. Das ist aber nicht der Fall. So wird fälschlicherweise suggeriert, queere Menschen dürften aus bestimmten Bereichen des öffentlichen Lebens ausgeschlossen werden.

Die Juristin

Werdegang
Soraia Da Costa Batista arbeitet seit 2021 bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte und koordiniert Verfahren im Schwerpunkt gleiche Rechte und Antidiskriminierung. Sie studierte Jura in Freiburg und Berlin.

Verein
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Berlin. Man nutzt nach Eigenangaben etwa Gerichtsverfahren, um Überwachung zu begrenzen und soziale Teilhabe durchzusetzen. (fga)