Das Falschfarbenbild des „James Webb“-Weltraumteleskops zeigt die Galaxie Jades-GS-Z7-01-QU (im Quadrat markiert als schwach leuchtender Punkt). Foto: Jaddes Collaboration/dpa

Astronomen sind bei Beobachtungen mit dem „James-Webb“-Weltraumteleskop auf die früheste inaktive Galaxie namens Jades-GS-Z7-01-QU gestoßen. Es ist die zweite verblüffende Entdeckung einer inaktiven Galaxie nach 2019. Damals hatten Forscher mit XMM-2599 die bisher größte „tote“ Galaxie aufgespürt.

Bereits 700 Millionen Jahre nach dem Urknall vor rund 13,8 Milliarden Jahren kam die Entstehung neuer Sterne in einer kleinen Galaxie plötzlich wieder zum Erliegen. Das zeigen Beobachtungen eines internationalen Forschungsteams mit dem Weltraumteleskop „James Webb“.

Früheste, je entdeckte ruhende Galaxie

Die unter der Bezeichnung Jades-GS-Z7-01-QU katalogisierte Galaxie ist damit die bislang früheste entdeckte ruhige oder inaktive Galaxie – auch "tote" Galaxie genannt – im Kosmos. Der vorherige Rekord lag bei etwa 1,2 Milliarden Jahren nach dem Urknall vor rund 14 bis 13,8 Milliarden Jahren.

Der Urknall- oder Big-Bang-Theorie zufolge entstand der Kosmos in einem einzigen Moment aus einem extrem heißen und dichten Zustand. Der Samen des Universums war dabei viel kleiner als ein Atom und enthielt alle Materie und Energie, die sich heute über viele Milliarden Lichtjahre verteilen. Aus diesem Stoff ist alles entstanden: Sonne und Sterne, Materie und Strahlung – und das Leben.

Warum die Sternentstehung von Jades-GS-Z7-01-QU abrupt erloschen ist, wissen die Astronomen nicht. So früh im jungen Kosmos hatten sie keine solche "tote" Galaxie erwartet. Es sei jedoch denkbar, dass dort die Entstehung neuer Sterne in einer späteren Epoche der kosmischen Entwicklung wieder in Schwung gekommen ist, so die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Nature“ („A recently quenched galaxy 700 million years after the Big Bang“).

Ruhige Galaxien ohne Sternentstehung

In unserer Milchstraße gibt es viele Regionen, in denen durch die Verdichtung von Gaswolken ständig viele neue Sterne entstehen. Doch das ist nicht in allen Galaxien so. Es gibt auch ruhige Galaxien ohne nennenswerte Sternentstehung. Warum es diesen Unterschied gibt – und seit wann in der kosmischen Geschichte – wissen die Astrophysiker bislang nicht.

„Eine direkte Beobachtung ruhiger Galaxien im jungen Universum ist also von immenser Bedeutung für unser Verständnis der Entstehung und Entwicklung von Galaxien“, erläutern Tobias Looser von der Universität Cambridge in Großbritannien und seine Kollegen.

Blick zurück in die kosmische Vergangenheit

Deshalb hat das Team mit dem „James Webb Space Telescope“ Ausschau nach Galaxien in gigantischer Entfernung gehalten. Denn in der Astronomie ist ein Blick in weite Ferne zugleich ein Blick zurück in die kosmische Vergangenheit.

Benötigt das Licht einer Galaxie zehn Milliarden Jahre zur Erde, so sehen die Forscher dieses Sternsystem so, wie es vor zehn Milliarden Jahren ausgesehen hat.

Entwicklungsstadien des Universums seit dem Urknall vor rund 14 bis 13,8 Milliarden Jahren. Foto: Nasa/WMAP

13,1 Milliarden Jahre entfernt: Galaxie Jades-GS-Z7-01-QU

Das Licht der jetzt von dem Team aufgespürten Galaxie Jades-GS-Z7-01-QU braucht sogar 13,1 Milliarden Jahre bis zur Erde. Die Forscher blicken hier also in eine Epoche, in der das Universum gerade einmal rund 700 bis 800 Millionen Jahre alt war.

Wie Tobias Looser und seine Kollegen berichten, sendet die Galaxie Strahlung aus, die auf eine kurze Phase heftiger Sternentstehung hindeutet. Vielleicht habe die Sternentstehung das verfügbare Gas in der Galaxie schneller verbraucht als es von außen nachströmen konnte, spekulieren Looser und seine Kollegen.

Oder die Sternentstehung verlief so explosiv, dass die energiereiche Strahlung der heißen jungen Sterne das Gas aus der Galaxie herausgeblasen hat. Vielleicht gab es aber auch einen Strahlungsausbruch bei einem großen Schwarzen Loch im Zentrum des Systems, der die Sternentstehung förmlich ausgeblasen hat.

Kleine Galaxie aus der Anfangsphase des Weltalls

Verblüffend für die Astronomen ist auch die geringe Gesamtmasse von Jades-GS-Z7-01-QU. Mit etwa 500 Millionen Sonnenmassen ähnelt sie von der Größe her der Kleinen Magellanschen Wolke, einer Satellitengalaxie der Milchstraße.

Alle bislang im jungen Kosmos bekannten ruhigen Galaxien sind mit über zehn Milliarden Sonnenmassen wesentlich größer. Möglicherweise mache die geringe Masse die Galaxie besonders empfindlich für Rückkopplungseffekte, die die Sternentstehung zum Erliegen bringen können, betonen die Forscher.

Junges Universum war ein kosmischer Hexenkessel

„Im jungen Kosmos scheint alles schneller und dramatischer abgelaufen zu sein“, sagt Tobias Looser. „Vielleicht haben Galaxien damals auch schneller zwischen Phasen der Sternentstehung und ruhigen Phasen gewechselt.“

Die Existenz einer solch massenreichen Galaxie zu einem so frühen Zeitpunkt sei für die Modelle von Astronomen eine ziemliche Herausforderung, ergänzt Gillian Wilson von der University of California in Riverside.

XMM-2599: Frühreife „tote“ Monster-Galaxie

Künstlerische Darstellug der im Jahr 2019 entdeckten „toten“ Galaxie XMM-2599. Foto: NRAO/AUI/NSF, B. Saxton

Astronomen ebenfalls der University of California in Riverside hatten im Jahr 2019 einen ähnlich verblüffenden Fund gemacht, der ebenfalls eine "tote" Galaxie betraf. Ein Team von Astronomen um Benjamin Forrest entdeckte die bislang massereichste tote Galaxie im Kosmos, der sie die Bezeichung XMM-2599 gaben.

Es handelt sich um eine gigantische Sternenansammlung ohne jede aktive Bildung von Sternen. Die Studie wurde im Februar 2020 in „The Astrophysical Journal Letters“ veröffentlicht.

Inaktivität von Galaxie XMM-2599 begann vor zwölf Milliarden Jahren

Galaxie XMM-2599 sprengt wie die wesentlich kleinere "tote" Galaxie Jades-GS-Z7-01-QU alle gängigen astronomischen Theorien. Sie formte sich knapp eine Milliarde Jahre nach dem Urknall und gilt damit als kosmischer Methusalem. Trotz ihres betagten Alters enthält die Riesen-Galaxie rekordverdächtig viele Sterne. Schon knapp zwei Milliarden Jahre nach dem Urknall – also vor 12 bis 11,8 Milliarden Jahren – umfasste XMM-2599 mehr als 300 Milliarden Sonnenmassen.

Als das Universum weniger als eine Milliarde Jahre jung war, schuf diese Galaxie mehr als tausend Sonnenmassen an Sternen pro Jahr. Eine Sternbildungsrate, die äußerst hoch ist. Unsere Galaxie, die Milchstraße, produziert nur einen Stern pro Jahr, obwohl sie 1,5 Billionen Sonnenmassen hat.

Zur Info: Die Masse von Sternen und anderen astronomischen Objekten, die größer als Planeten sind unvorstellbar groß. Um ihrer Größe auch nur ansatzweise näher zu kommen, nehmen Astronomen die Sonne und ihre Masse als Vergleichsobjekt. Ein Objekt mit zehn Sonnenmassen hat also die zehnfache Masse der Sonne.

Doch dann stoppte XMM-2599 plötzlich komplett jegliche Sternbildung. Da war das Universum rund 2 bis 1,8 Milliarden Jahre alt. Seither gilt die Galaxie als „tot“, dass heißt inaktiv, und als die massenreichste inaktive Galaxie überhaupt.

Info: Big-Bang-Theorie

Urknall-Theorie
Der Big-Bang-Theorie zufolge ist unser Universum vor knapp 14 bis 13,8 Milliarden Jahren aus einem extrem heißen und dichten Zustand hervorgegangen – dem Urknall. „Diese Hypothese geht davon aus, dass die gesamte Materie im Kosmos in ferner Vergangenheit in einem einzigen Big Bang entstanden ist“, so der Astronom und Mathematiker Fred Hoyle (1915-2001).

Ur-Punkt
Der Samen des Universums war dabei viel kleiner als ein Atom und enthielt alle Materie und Energie, die sich heute über viele Milliarden Lichtjahre verteilen. Aus diesem Stoff ist alles entstanden: Sonne und Sterne, Materie und Strahlung – und das Leben. Einfach alles. Irgendwann – den Grund kennen die Physiker nicht – fing dieser winzige, jenseits aller Vorstellungskraft dicht gepackte und unvorstellbar heiße Raum schlagartig an sich zum Universum auszudehnen. Und das tut er bis heute.

Entdeckung
Es war ein katholischer Priester, der als erster den Urknall des Universums hörte und so die Big-Bang-Theorie begründete: der belgische Jesuitenpater und Astrophysiker Georges Lemaitre (1894-1966). Im Jahr 1927, und damit zwei Jahre vor dem amerikanischen Astronomen Edwin Hubble (1889-1953), dem die Entdeckung des expandierenden Universums bis heute zugeschrieben wird, veröffentlichte Lemaitre seine Studie über die Expansion des Universums.

Universum
Am 25. April 1927 hatte der Belgier Lemaître nichts weiter als den Grundstein für unser modernes Bild eines dynamischen und expandierenden Universums gelegt. Seine epochale Studie trägt den langen Titel „Un univers homogène de masse constante et de rayon croissant rendant compte de la vitesse radiale des nébuleuses extra-galactiques“ – „Ein homogenes Universum mit konstanter Masse und wachsendem Radius als Erklärung für die Radialgeschwindigkeit der extragalaktischen Nebel“ – und erschien in den Sitzungsberichten der „Annales de la Société Scientifique de Bruxelles“, einer wenig bekannten physikalischen Fachzeitschrift.

Expansion
Ausgehend von Albert Einsteins (1879-1955) Allgemeiner Relativitätstheorie und der Theorie eines dynamischen Universums des russischen Mathematikers Alexander Alexandrowitsch Friedmann (1888-1925), kam er zu der Erkenntnis, dass das Universum nach seiner Entstehung ständig im Raum expandiert.